Außerordentliche Betriebsratswahl

Die ordnungsgemäße Bestellung des Wahlvorstands

Inhaltsverzeichnis

II.
Die ordnungsgemäße Bestellung des Wahlvorstands
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Ab wann sollte der Wahlvorstand bestellt werden?

Die förmliche Einleitung der Betriebsratswahl beginnt mit der Bestellung des Wahlvorstands (§§ 16, 17 BetrVG). Der Wahlvorstand ist für die Einleitung und Durchführung der Wahl zuständig, § 18 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Er ist das zentrale Organ des Wahlverfahrens.

In Betrieben mit Betriebsrat ist es Aufgabe des bestehenden Betriebsrats, den Wahlvorstand für die Durchführung der Neuwahl zu bestellen.

Bei der Frist für die Bestellung des Wahlvorstands bei außerordentlichen Betriebsratswahlen geht es letztlich um die Frage, ob die Betriebsratswahl in einer festgelegten Frist nach der Bestellung des Wahlvorstands durchgeführt werden muss. Das ist nicht der Fall. Das Gesetz gibt keine Auskunft dazu, wie viel Zeit sich der Wahlvorstand für die Durchführung der Wahl nehmen darf. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in einer Entscheidung (Urteil vom 19.04.2012 - 2 AZR 299/11) mit dieser Frage zu beschäftigen und kam dabei zu folgendem Ergebnis:

Da § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur regelt, bis wann spätestens ein Wahlvorstand zu bestellen ist, nicht aber festlegt, ab wann frühestens er bestellt werden kann, liegt nicht allein in einer „unnötig” frühen Bestellung schon ein Rechtsmissbrauch, solange nicht der Zeitpunkt der Bestellung sachlich gänzlich unangemessen ist.

Bei der vom BAG genannten Rechtsmissbräuchlichkeit geht es darum, dass die Wahlvorstandsmitglieder bereits mit ihrer Bestellung den besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 KSchG, § 103 BetrVG genießen. D.h. je früher der Wahlvorstand bestellt wird, desto früher bzw. länger besteht für seine Mitglieder der besondere Kündigungsschutz. Wenn ein Betriebsrat also besonders früh einen Wahlvorstand bestellt, nur um den Wahlvorstandsmitgliedern den besonderen Kündigungsschutz zu verschaffen, wäre dies sicher rechtsmissbräuchlich.

Wenn die Bestellung aber nicht deshalb erfolgt, um den besonderen Kündigungsschutz zu erlangen, sondern um die notwendigen Vorbereitungen für die Wahl (wie z.B. eine ausführliche Schulung aller Wahlvorstandsmitglieder) vorzunehmen, liegt in einer frühzeitigen Bestellung kein Rechtsmissbrauch.

In einer Entscheidung hatte das LAG Niedersachsen (Urteil vom 13.10.2010 - 17 Sa 569/10) die Bestellung eines Wahlvorstands 23 Wochen vor der Wahl als nicht rechtsmissbräuchlich angesehen. In dem Fall war der Wahlvorstand sogar bereits 36 Wochen vor den Wahlen bestellt worden. Zu der Frage, ob auch diese Frist zulässig gewesen wäre, musste sich das Gericht nicht äußern, weil ein Wahlvorstandsmitglied 23 Wochen vor den Wahlen gekündigt wurde, so dass es in dem Fall nur um diese Frist ging. Auch gegen eine Frist von 36 dürfte regelmäßig nichts einzuwenden sein, wenn es dem Betriebsrat eben nicht nur darum geht, den Wahlvorstandsmitgliedern lediglich den besonderen Kündigungsschutz zu verschaffen. Aber selbst dann, wenn ein Gericht diese Frist für rechtsmissbräuchlich halten sollte, hätte dies keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Bestellung des Wahlvorstands, sondern lediglich auf die Frage, ob sich ein Wahlvorstandsmitglied auf den besonderen Kündigungsschutz berufen könnte (siehe LAG Hamm, Beschluss vom 06.09.2013 - 7 TaBVGa 7/13).

Wie wird der Wahlvorstand bestellt?

Gem. § 16 Abs. 1 BetrVG ist es Aufgabe des amtierenden Betriebsrats einen Wahlvorstand zu bestellen. Die Bestellung des Wahlvorstands erfolgt dabei durch Beschlussfassung mit einfacher Stimmenmehrheit gem. § 33 BetrVG. 

Bereits bei der Bestellung des Wahlvorstandes ist sorgfältig darauf zu achten, dass alle formellen Bestimmungen eingehalten werden. Denn ein Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands kann zur Anfechtbarkeit und somit ggf. Unwirksamkeit der Betriebsratswahl führen.

Größe des Wahlvorstands

Grundsätzlich besteht der Wahlvorstand gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aus drei Mitgliedern.

Bei der Größe des Wahlvorstands gibt es einen Unterschied zwischen dem sog. normalen und dem sog. vereinfachten Wahlverfahren.

Normales WahlverfahrenVereinfachtes Wahlverfahren
Sofern es zu einer ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist, kann der Betriebsrat auch einen größeren Wahlvorstand bestellen (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).Eine Erhöhung der Zahl der Wahlvorstandsmitglieder ist nicht möglich. Die Anzahl der Wahlvorstandsmitglieder ist auf drei beschränkt (§ 17 a Nr. 2 BetrVG).
  • Wird die Betriebsratswahl im vereinfachten Wahlverfahren durchgeführt, darf die Anzahl der Wahlvorstandsmitglieder nicht größer als drei sein
  • Wird die Betriebsratswahl im normalen Wahlverfahren durchgeführt, muss der Betriebsrat sich Gedanken über die Größe des Gremiums machen, da die Anzahl der Mitglieder erhöht werden kann.

Für die Erhöhung der Zahl der Wahlvorstandsmitglieder kommt es gem. § 16 Abs. 1 Satz 2 BetrVG darauf an, ob dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist. Wird die Anzahl der Mitglieder erhöht, muss der Wahlvorstand gemäß § 16 Abs. 1 Satz 3 BetrVG dennoch aus einer ungeraden Zahl von Mitgliedern bestehen. Einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf es dabei nicht. Auch eine Höchstgrenze ist vom Gesetzgeber nicht vorgegeben worden.

Wann ist die Erhöhung der Anzahl der Wahlvorstandsmitglieder erforderlich?

Ob die Erhöhung erforderlich ist, hängt von den betrieblichen Verhältnissen ab. Dabei spielt auch eine Rolle, dass nach § 12 Abs. 2 WO immer mindestens 2 Wahlvorstandsmitglieder im Wahlraum während des gesamten Zeitraums der Stimmabgabe anwesend sein müssen. Ausreichend wäre es allerdings auch ein Wahlvorstandsmitglied anwesend ist, wenn Wahlhelfer (§ 1 Abs. 2 WO) bestellt wurden und ein Wahlhelfer zusätzlich während des gesamten Zeitraums im Wahlraum anwesend ist. 

Dem Betriebsrat steht hinsichtlich der Voraussetzung der Erforderlichkeit ein Beurteilungsspielraum zu. Es wird also letztlich von der erforderlichen Anzahl von Wahllokalen abhängen, ob mehr als drei Wahlvorstandsmitglieder bestellt werden müssen. Werden z.B. mehr als drei Wahllokale benötigt (weil es z.B. mehrere Betriebsteile, Filialen, Niederlassungen usw. gibt, die auch räumlich noch in der Region verstreut sind), muss die Anzahl der Wahlvorstandsmitglieder zwingend erhöht werden. Das gleiche gilt, wenn in einem Mehrschichtsystem gearbeitet wird und der Zeitraum der persönlichen Stimmabgabe sich über den gesamten Arbeitstag erstreckt, um möglichst vielen Arbeitnehmern die persönliche Stimmabgabe zu ermöglichen. 

Über die Erhöhung der Anzahl der Wahlvorstandsmitglieder muss der Betriebsrat einen Beschluss fassen.

Praxistipp:

Stellt sich während des Wahlverfahrens heraus, dass die Größe des Gremiums zur Bewältigung der Aufgaben nicht ausreicht, kann der Betriebsrat jederzeit eine „Aufstockung“ des Wahlvorstands vornehmen. Wichtig ist, dass nicht der Wahlvorstand, sondern ausschließlich der Betriebsrat berechtigt ist, weitere Wahlvorstandsmitglieder zu bestellen. 

Wird die Anzahl der Wahlvorstandsmitglieder erhöht, obwohl keine Erforderlichkeit gegeben war, kann dies einen Grund für die Anfechtung der Betriebsratswahl darstellen (so z.B. LAG Niedersachsen, Beschluss vom 11.09.2019 – 13 TaBV 85/18.

Wer darf Mitglied des Wahlvorstands sein?

Bei den Wahlvorstandsmitgliedern muss es sich um Arbeitnehmer des Betriebs handeln, die wahlberechtigt im Sinne des § 7 BetrVG sind. Wahlberechtigt sind gemäß § 7 Satz 1 BetrVG alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Hinsichtlich der Zusammensetzung gibt es keine Vorgabe des Gesetzgebers. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG sollen dem Wahlvorstand sowohl Frauen als auch Männer angehören. Auch wenn keine Minderheitengeschlechterquote zwingend vorgesehen ist, sollten der Betriebsrat darauf achten, dass nach Möglichkeit beide Geschlechter im Wahlvorstand repräsentiert sind.

  • Auch amtierende Betriebsratsmitglieder dürfen ebenso wie Wahlbewerber dem Wahlvorstand angehören.

Gem. § 16 Abs. 1 Satz 6 BetrVG kann jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft darüber hinaus einen betriebsangehörigen Beauftragten in den Wahlvorstand als nicht stimmberechtigtes Mitglied entsenden, sofern nicht bereits ein entsprechendes Gewerkschaftsmitglied dem Wahlvorstand angehört.

Ersatzmitglieder des Wahlvorstands

Für jedes Mitglied des Wahlvorstands kann für den Fall seiner Verhinderung gem. § 16 Abs. 1 Satz 4 BetrVG ein Ersatzmitglied bestellt werden. Auch wenn die Bestellung von Ersatzmitgliedern nicht zwingend vorgeschrieben ist, sollte dies aus unserer Sicht unbedingt erfolgen. Scheidet nämlich ein Wahlvorstandsmitglied aus, ohne dass ein Ersatzmitglied bestellt wurde, würde dies dazu führen, dass im Wahlvorstand nicht mehr die erforderlichen drei Mitglieder vorhanden wären. Dann müsste ein Mitglied durch den Betriebsrat nachbestellt werden. 

Wichtig ist, dass der Betriebsrat in seinem Beschluss festlegt, ob die Ersatzmitglieder ausschließlich für jeweils ein bestimmtes Wahlvorstandsmitglied bestellt werden oder ob die Ersatzmitglieder für alle regulären Wahlvorstandsmitglieder nachrücken (das ist zu empfehlen). 

Bestimmung des Wahlvorstandsvorsitzenden und des Stellvertreters

Gem. § 16 Abs. 1 BetrVG bestellt der Betriebsrat auch den Vorsitzenden des Wahlvorstands. Dies ist erforderlich, damit der Wahlvorstand handeln kann. Der Vorsitzende führt sozusagen die Geschäfte des Wahlvorstands. Die Wahl eines Stellvertreters ist nicht vorgeschrieben, aber zulässig. Der Betriebsrat sollte von dieser Option Gebrauch machen, damit es im Fall der Verhinderung des Wahlvorstandsvorsitzenden zu keinerlei Verzögerungen bei der Durchführung der Betriebsratswahl kommen kann. 

Achtung! Der Wahlvorstand ist nicht berechtigt, selbst einen Vorsitzenden zu wählen. Nur wenn kein Betriebsrat mehr besteht oder der Betriebsrat keinen Vorsitzenden bestellt und auch nach Aufforderung seiner Verpflichtung nicht nachkommt, hat der Wahlvorstand das Recht, selbst zusammen zu treten und aus seiner Mitte einen Vorsitzenden zu wählen (z.B. BAG, Beschluss vom 14.12.1965 - 1 ABR 6/65).

Die wirksame Beschlussfassung zur Bestellung des Wahlvorstands

Wichtig ist, dass die rechtswirksame Bestellung eine ordnungsgemäße Beschlussfassung auf einer Betriebsratssitzung voraussetzt. Die Bestellung der Mitglieder des Wahlvorstands erfolgt durch Mehrheitsbeschluss (einfache Stimmenmehrheit), wobei über die Kandidaten des Wahlvorstands sowohl einzeln als auch im Block abgestimmt werden kann. Gravierende Fehler in der Beschlussfassung des Betriebsrats können zur Nichtigkeit der Bestellung und damit zum Abbruch der Betriebsratswahl führen!

Hinweis:

Die Bestellung des Wahlvorstands kann auf den Betriebsausschuss oder einen anderen gemäß § 28 BetrVG gebildeten Ausschuss übertragen werden. Allerdings sollte sich der Betriebsrat dieses Recht nicht aus der Hand nehmen lassen und eine entsprechende Übertragung nur in Ausnahmefällen vornehmen (aus Gründen der Praktikabilität z.B. in einem sehr großen Gremium). 

Downloads

Normales Wahlverfahren

Formblatt 2: Ladung zur BR-Sitzung – Bestellung des Wahlvorstands

Formblatt 3: Beschluss Bestellung des Wahlvorstands

Formblatt 6: Information des Arbeitgebers über die Bestellung des Wahlvorstands

Vereinfachtes Wahlverfahren

Formblatt 2: Ladung zur BR-Sitzung – Bestellung des Wahlvorstands

Formblatt 3: Beschluss Bestellung des Wahlvorstands

Formblatt 6: Information des Arbeitgebers über die Bestellung des Wahlvorstands

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