Die Unabhängigkeit von Betriebsräten muss gewahrt sein

Interview mit Prof. Dr. Thüsing - Vortragsredner bei den aas-Betriebsrätetagen 2024 in Warnemünde

Herr Professor Dr. Gregor Thüsing ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn und Vortragsredner bei den aas-Betriebsrätetagen 2024.

aas: Herr Professor Thüsing, Sie gelten als einer der renommiertesten deutschen Arbeitsrechtler, und Sie begleiten das Betriebsverfassungsrecht schon seit vielen Jahren. Sehen Sie hier Baustellen oder Hausaufgaben, die zu erledigen sind?

Prof. Dr. Thüsing: In der Tat: Ein Gesetz muss sich ändern, wenn sich die Zeiten ändern. Das Betriebsverfassungsgesetz ist in der Vergangenheit immer wieder erneuert worden, wenn sich hierfür Notwendigkeiten gezeigt haben und politische Mehrheiten gefunden wurden. Aktuell ist es insbesondere die Digitalisierung, die auch in der Betriebsratsarbeit und ihrem rechtlichen Rahmen ankommen muss. Das gilt nicht allein bei der Frage der Mitbestimmung, sondern auch bei der Ausstattung oder etwa bei der Wahl. Die Koalition hat hier eine vorsichtige Öffnung für Onlinewahlen beschlossen. Und das ist gut so.

Jeder Arbeitgeber muss sich um eine korrekte und rechtlich richtige Betriebsratsvergütung bemühen.

aas: Ein anderes Thema, das aktuell ja sehr im Fokus ist, ist die Betriebsratsvergütung.

Prof. Dr. Thüsing: Richtig. Hier zeigt sich sehr schön der Dialog zwischen Gesetz, Rechtsprechung und Politik. Der Bundesgerichtshof hat hier eine arbeitsrechtlich sperrige Entscheidung am 10. Januar getroffen. Hier haben Strafrechtler das Arbeitsrecht fortgebildet und die Politik hat sich entschieden, die Unklarheiten, die hierdurch entstanden sind, auszuräumen. Hierfür wurde eine Kommission eingerichtet, die Vorschläge erarbeiten soll. Ich habe die Ehre, Mitglied zu sein. Das ist eine spannende Aufgabe, auf die ich mich freue.

aas: Und was sind hier Ihre Kritikpunkte?

Prof. Dr. Thüsing: Es geht letztlich immer um Betriebsverfassung auf Augenhöhe. Das Ehrenamtprinzip darf dabei nicht aufgegeben werden – es ist aber genauso falsch, wenn aus Angst vor dem Strafrecht arbeitsrechtlich redliche Entscheidungen auf einmal mit dem Damokles-Schwert der Strafdrohung belegt werden. Jeder Arbeitgeber muss sich um eine korrekte und rechtlich richtige Betriebsratsvergütung bemühen – aber bei der Schwierigkeit der Materie und bei der Unklarheit im Einzelfall kann es nicht strafbar sein, wenn er sich redlich bemüht hat oder wenn er am Ende dennoch „daneben gegriffen hat“.

Betriebsräte müssen angemessen informiert und ausgestattet sein und ihnen dürfen keine Nachteile aus der Arbeit erwachsen.

aas: „Betriebsverfassung auf Augenhöhe“ – was gehört da sonst noch für Sie dazu?

Prof. Dr. Thüsing: Das ist eigentlich ein Leitmotiv, was nicht nur die Rechtspolitik, sondern auch die Rechtsprechung bestimmt. Die Unabhängigkeit von Betriebsräten muss gewahrt sein. Sie müssen angemessen informiert und ausgestattet sein und ihnen dürfen keine Nachteile aus der Arbeit erwachsen. Deshalb ist es auch eine stimmige Idee, aus dem Antragsdelikt der Betriebsratsbehinderung zukünftig ein Offizialdelikt zu machen. Der Staatsanwalt muss also auch ohne Strafantrag handeln. Wichtiger freilich ist, dass man dabei auch klar macht, was überhaupt Betriebsratsbehinderung ist. Auch das ist eine Baustelle der Politik.

aas: Herr Professor Thüsing, wir danken Ihnen für das Gespräch und freuen uns auf Ihren Vortrag bei unseren Betriebsrätetagen 2024.

Interview Thuesing 1

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