Betriebsratsvorsitz und Stellvertreter

Die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und des Stellvertreters

Wann werden der Betriebsratsvorsitzende und der Stellvertreter gewählt?

Die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden wie des Stellvertreters erfolgt in der konstituierenden Sitzung des Betriebsrats. Diese hat der Wahlvorstand, der durch den Vorsitzenden des Wahlvorstands vertreten wird, innerhalb einer Woche nach dem Wahltag einzuberufen (§ 29 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).

Der Betriebsrat ist erst konstituiert, wenn die nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vom Wahlvorstand einzuberufende Sitzung sowie die dort nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorzunehmende Wahl des Vorsitzenden und dessen Stellvertreters durchgeführt wurde. Erst mit dieser Konstituierung ist der Betriebsrat handlungsfähig. Vorher braucht der noch nicht konstituierte Betriebsrat vom Arbeitgeber beteiligt zu werden.

Praxistipp:

Bezüglich des Teilnahmerechts der Schwerbehindertenvertretung und der Jugend- und Auszubildendenvertretung zur konstituierenden Sitzung des Betriebsrats werden unterschiedliche Auffassungen vertreten (dafür: DKKW/Wedde § 29 BetrVG Rn. 10; dagegen: Fitting BetrVG § 29 Rn. 14). Klar ist auf jeden Fall, dass wegen der begrenzten Zielsetzung der konstituierenden Sitzung keine Pflicht zur Ladung der Schwerbehindertenvertretung und der Jugend- und Auszubildendenvertretung besteht

Muster: Einladung zur konstituierenden Sitzung des Betriebsrats

Wer leitet die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und des Stellvertreters?

Der Vorsitzende des Wahlvorstands leitet zunächst die konstituierende Sitzung, bis der Betriebsrat aus seiner Mitte einen Wahlleiter bestellt hat. Die Wahl des Wahlleiters für die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden erfolgt durch den Betriebsrat. Wahlleiter kann jedes Betriebsratsmitglied werden. In der Praxis wird häufig das (dienst-)älteste Betriebsratsmitglied oder der in Aussicht genommene Betriebsratsvorsitzende oder Stellvertreter als Wahlleiter bestellt; zwingend ist dies jedoch nicht. Gewählt ist, wer von den aus der Mitte des Betriebsrats vorgeschlagenen Kandidaten die meisten Stimmen erhält.

Sobald der Wahlleiter feststeht, erlischt das Recht des Wahlvorstandsvorsitzenden, an der Sitzung teilzunehmen. Etwas anderes gilt natürlich, wenn der Wahlvorstandsvorsitzende als Mitglied des Betriebsrats gewählt wurde!

Der Wahlleiter übernimmt dann die Leitung der konstituierenden Sitzung des Betriebsrats.

Eine Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters unter der Leitung des Wahlvorstands ist fehlerhaft und kann auf Antrag durch das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren für unwirksam erklärt werden.

Erfolgt die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und des Stellvertreters in geheimer Abstimmung?

Das BetrVG sieht, anders als z.B. als die Wahl von Betriebsratsausschussmitgliedern nach § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, für die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und des Stellvertreters keine speziellen Wahlvorschriften vor. § 26 Abs. 1 Satz 1 BetrVG beschränkt sich darauf, festzulegen, dass der Betriebsrat seinen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter aus seiner Mitte wählt. Die Wahl kann also durch mündliche Stimmabgabe oder durch geheime Wahl stattfinden. Der Betriebsrat ist insoweit berechtigt ist, einen Wahlmodus festzulegen.

Die hM. geht davon aus, dass eine geheime Wahl bereits dann stattzufinden hat, wenn nur ein Betriebsratsmitglied dies beantragt. Ein Mehrheitsbeschluss des Betriebsrats ist dafür nicht erforderlich (z.B. Fitting BetrVG § 26 Rn. 9; aA. ArbG Bielefeld, vom 12.08.1998 - 3 BV 23/98).

Wer kann zum Betriebsratsvorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden gewählt werden?

Zum Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden sind nur Mitglieder des Betriebsrats („aus seiner Mitte“) wählbar. Deshalb sind Ersatzmitglieder nicht wählbar, solange sie nicht endgültig in den Betriebsrat nachgerückt sind.

Ansonsten bestehen keine gesetzlichen Vorgaben. Der Betriebsrat braucht also weder auf die Geschlechterzugehörigkeit, eine Gewerkschaftszugehörigkeit oder darauf Rücksicht zu nehmen, wer bei der Betriebsratswahl besonders erfolgreich gewesen ist.

Wen der Betriebsrat aus seiner Mitte zum Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden wählt, obliegt allein seiner Entscheidung. Insofern sind auch „Koalitionsabsprachen“ darüber, wer Vorsitzender und wer Stellvertreter wird, rechtlich zulässig. Solche Absprachen führen aber zu keiner rechtlichen Bindung für das einzelne Betriebsratsmitglied, weil für das Betriebsratsamt ein „Fraktionszwang“ nicht geübt werden kann.

Wer wählt den Betriebsratsvorsitzenden und den Stellvertreter?

Die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und des Stellvertreters ist eine innere Angelegenheit des Betriebsrats. An ihr nehmen ausschließlich die Betriebsratsmitglieder teil.

Bei der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und des Stellvertreters handelt es sich um organisatorische Akte des Betriebsrats. An der Abstimmung dürfen die vorgeschlagenen Mitglieder mitwählen.

Die JAV und die SBV nehmen an der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und des Stellvertreters aber nicht teil.

Werden der Betriebsratsvorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende in einem Wahlgang oder in getrennten Wahlgängen gewählt?

Soweit der Betriebsrat nichts anderes vereinbart hat, erfolgt die Wahl des Vorsitzenden und die seines Stellvertreters in getrennten Wahlgängen. Es ist nicht etwa derjenige, der die meisten Stimmen erhält, als Vorsitzender und der, der die nächsthöchste Stimmenzahl erlangt, als Stellvertreter gewählt.

Gewählt ist, wer jeweils die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Nicht erforderlich ist, dass er die Mehrheit der Stimmen aller Mitglieder (absolute Mehrheit) oder der anwesenden Mitglieder (einfache Stimmenmehrheit) erhält, sondern es genügt die relative Mehrheit.

Beispiel:

Für das Amt des Betriebsratsvorsitzenden kandidieren in einem neunköpfigen Betriebsrat 3 Personen. Ein Kandidat erhält vier Stimmen, einer drei und eine zwei.

Gewählt ist der Kandidat, der vier Stimmen erhalten hat, auch wenn er nicht die Mehrheit der Stimmen der Betriebsratsmitglieder (fünf Stimmen) erhalten hat.

Was gilt, wenn Kandidaten für den Betriebsratsvorsitz/die Stellvertretung die gleiche Anzahl von Stimmen erhalten?

Bei Stimmengleichheit sollte zweckmäßigerweise zunächst eine weitere Abstimmung erfolgen. Im Falle eines etwaigen erneuten Patts entscheidet dann das Los zwischen den bestplatzierten Bewerbern.

Praxistipp:

Der Betriebsrat kann bereits vor der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und des Stellvertreters beschließen, was bei Stimmengleichheit gelten soll. Ein derartiger Beschluss ist auch noch nach dem ersten Wahlgang zulässig. Ohne eine derartige Regelung, ist unter den Bestplatzierten ein sofortiger Losentscheid durchzuführen (Fitting BetrVG § 26 Rn. 15).

Kann der Betriebsrat mehr als einen Stellvertreter für den Fall wählen, dass der Betriebsratsvorsitzende und der Stellvertreter verhindert sind?

Wenn sowohl der Betriebsratsvorsitzende als auch der Stellvertreter verhindert sind, stellt sich die Frage, wer für den Betriebsrat Erklärungen und Mitteilungen des Arbeitgebers entgegennimmt und wer in diesem Fall ordnungsgemäß zu einer Betriebsratssitzung laden kann.

Für diesem Fall sollte der Betriebsrat im Rahmen seiner Geschäftsordnung (§ 36 BetrVG) eine Vertretungsregelung schaffen (LAG Hessen, vom 18.09.2007 - 4 TaBV 83/07).

Die „Amtszeit“ des Betriebsratsvorsitzenden und des Stellvertreters

Können der Betriebsratsvorsitzende und/oder der Stellvertreter ihr Amt niederlegen?

Grundsätzlich erfolgt die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters für die gesamte Wahlperiode des Betriebsrats. Der Betriebsratsvorsitzende und der Stellvertreter können ihr Amt jedoch jederzeit niederlegen. Die Niederlegung des Amtes hat keine Auswirkungen auf die Mitgliedschaft im Betriebsrat. Die Niederlegung muss gegenüber dem Betriebsrat erklärt werden. Legt der Betriebsratsvorsitzende sein Amt nieder, wird sein Stellvertreter nicht automatisch Betriebsratsvorsitzender. Dieser bleibt vielmehr Stellvertreter. Der Betriebsratsvorsitzende ist in diesem Fall vom Betriebsrat neu zu wählen. Bis zu seiner Neuwahl übernimmt der Stellvertreter dessen Aufgaben, Befugnisse und Zuständigkeiten (Fitting BetrVG § 26 Rn. 44-50).

Welche Schritte sind bei einem gemeinsamen Rücktritt des Betriebsratsvorsitzenden und des Stellvertreters zu befolgen, um eine Neuwahl einzuleiten und wer übernimmt die Einladung zur entsprechenden Sitzung?

Legen der Betriebsratsvorsitzende und der Stellvertreter das Amt gemeinsam nieder, kann durch sie vorher noch die Einladung zu einer Sitzung erfolgen, auf der zur Neuwahl des Vorsitzenden und des Stellvertreters eingeladen wird. Ist das nicht geschehen, übernimmt das in der Geschäftsordnung vorgesehene Betriebsratsmitglied die Einladung zur Sitzung, auf die Neuwahl der Beiden erfolgt.

Fehlt es an einer entsprechenden Regelung, hat der Betriebsrat ein Selbstzusammentrittsrecht, das von jedem Betriebsratsmitglied initiiert werden kann (Fitting BetrVG § 29 Rn. 24). Auf der Sitzung ist dann, am zweckmäßigsten unter Leitung des ältesten Betriebsratsmitglieds, ein Wahlleiter zur Durchführung der Wahl des Vorsitzenden und des Stellvertreters zu wählen (DKKW/Wedde, § 26 Rn. 34).

Die Wahl läuft ansonsten ab, wie die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und des Stellvertreters auf der konstituierenden Sitzung.

Können der Betriebsratsvorsitzende und/oder der Stellvertreter abberufen werden?

Der Vorsitzende und/oder stellvertretende Vorsitzende können jederzeit durch Mehrheitsbeschluss der anwesenden Mitglieder auf einer Sitzung des Betriebsrats aus dem Amt abberufen werden (Fitting BetrVG § 26 Rn. 20). Eines besonderen Grundes für die Abberufung bedarf es nicht. Ein wirksamer Beschluss erfordert die ordnungsgemäße Ladung der Betriebsratsmitglieder und die Beschlussfähigkeit des Betriebsrats bei der Wahl voraus. Mit der Abberufung verliert der Vorsitzende/Stellvertreter dieses Amt, bleibt jedoch Mitglied des Betriebsrats.

Darf der Betriebsratsvorsitzende an der Abstimmung über die eigene Absetzung mit abstimmen?

Bei der Beschlussfassung über die Abberufung als Betriebsratsvorsitzender handelt es sich um eine organisatorische Angelegenheit des Betriebsrats. In einem solchen Fall liegt keine zeitweilige Verhinderung wegen persönlicher Betroffenheit vor. Der Betriebsratsvorsitzende kann also bei der Frage der eigenen Abberufung mitberaten und mitabstimmen.

Muss bei der Abwahl des bisherigen Betriebsratsvorsitzenden auch die Wahl eines neuen Betriebsratsvorsitzenden erfolgen?

Da der Betriebsrat für seine Handlungsfähigkeit einen Betriebsratsvorsitzenden braucht, muss im Anschluss an die Abwahl des bisherigen Betriebsratsvorsitzenden auch die Wahl eines neuen Vorsitzenden erfolgen. Scheidet der Vorsitzende aus, wird nicht der Stellvertreter automatisch zum neuen Betriebsratsvorsitzenden. Nach § 29 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vertritt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende den Vorsitzenden „im Falle seine Verhinderung“. Wird der Betriebsratsvorsitzende abgewählt ist er nicht an der Amtsausübung zeitweilig verhindert, sondern kein Betriebsratsvorsitzender mehr.

Muss der Betriebsratsvorsitzende den Tagesordnungspunkt „Abwahl und Neuwahl des Betriebsratsvorsitzenden“ auf die Tagesordnung der Betriebsratssitzung setzen?

Grundsätzlich setzt der Betriebsratsvorsitzende nach § 29 Abs. 2 Satz 2 BetrVG die Tagesordnung fest. Es ist in der Praxis also gut denkbar, dass der Betriebsratsvorsitzende kein Interesse hat, von sich aus die eigene Abberufung auf die Tagesordnung einer Betriebsratssitzung zu setzen.

Können Betriebsratsmitglieder erzwingen, dass der Betriebsratsvorsitzende seine eigene Abwahl auf die Tagesordnung für eine Betriebsratssitzung setzt?

Wenn der Betriebsratsvorsitzende von sich aus nicht bereit ist, seine eigene Abwahl auf die Tagesordnung zu setzen, kann gem. § 29 Abs. 3 BetrVG ein Viertel der Betriebsratsmitglieder entweder die Aufnahme dieses Punktes auf die Tagesordnung oder die Einberufung einer Betriebsratssitzung beantragen, auf der der Tagesordnungspunkt behandelt wird. Der Betriebsratsvorsitzende ist dann verpflichtet, den entsprechenden Punkt auf die Tagesordnung zu setzen bzw. eine Betriebsratssitzung einzuberufen.

Muster: Antrag gem. § 29 Abs. 3 BetrVG auf Einberufung einer Betriebsratssitzung/Ergänzung der Tagesordnung der Betriebsratssitzung

Was können die Betriebsratsmitglieder unternehmen, wenn der Betriebsratsvorsitzende, trotz wirksamer Beantragung, seine Abwahl nicht auf die Tagesordnung setzt?

Setzt der Betriebsratsvorsitzende trotz der Beantragung nach § 29 Abs. 3 BetrVG den Tagesordnungspunkt nicht auf die Tagesordnung für die Betriebsratssitzung, handelt er pflichtwidrig.

  • Die antragstellenden Betriebsratsmitglieder wären wohl nicht berechtigt, von sich aus, anstelle des Betriebsratsvorsitzenden, eine Sitzung einzuberufen, auf der dieser Tagesordnungspunkt behandelt wird (Fitting BetrVG § 29 Rn. 33). Ob und wann ein Recht zum Selbstzusammentritt des Betriebsrats überhaupt besteht, ist bislang vom BAG offengelassen worden (BAG, vom 28.7.2020 – 1 ABR 5/19). In der Literatur wird ein solches Recht teilweise bejaht, wenn der Betriebsratsvorsitzende und der Stellvertreter verhindert sind (und keine Regelung des Betriebsrats für diesen Fall getroffen wurde) und in dieser Zeit eine unaufschiebbare Frage zu entscheiden ist (Fitting BetrVG, § 29 Rn. 24; DKW/Wedde, § 29 Rn. 15). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da der Betriebsratsvorsitzende hier nicht verhindert ist.
  • Eine Ergänzung der Tagesordnung auf der Betriebsratssitzung würde in unserem Fall rechtmäßig nicht möglich sein, weil nach der Rechtsprechung (BAG, vom 22.11.2017 - 7 ABR 46/16; BAG, vom 15.4.2014 – 1 ABR 2/13) dafür alle auf der Sitzung anwesenden Betriebsratsmitglieder mit der Ergänzung der Tagesordnung einverstanden sein müssten. Würde der Betriebsratsvorsitzende sich gegen die Ergänzung der Tagesordnung aussprechen, wäre die Einstimmigkeit nicht mehr gegeben.
  • Ein Ausschlussverfahren gegen der Betriebsratsvorsitzenden nach § 23 Abs. 1 BetrVG würde ebenfalls nicht weiterhelfen, da ein solches Verfahren relativ lange dauert.

Der Betriebsrat könnte jedoch folgendermaßen vorgehen:

  • Die Betriebsratsmitglieder könnten abwarten, bis der Betriebsratsvorsitzende krankheits- oder urlaubsbedingt abwesend ist und in dieser Zeit über den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden den Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung einer Betriebsratssitzung setzen.
  • Die Betriebsratsmitglieder, die die Ergänzung der Tagesordnung beantragt haben, könnten den Betriebsratsvorsitzenden auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren dazu verpflichten, eine Betriebsratssitzung einzuberufen und den beantragten Gegenstand in die Tagesordnung aufzunehmen (LAG Hessen, vom 31.07.2017 - 16 TaBV 221/16). Dies könnte im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden (Richardi BetrVG/Thüsing BetrVG § 29 Rn. 26).
  • Denkbar wäre auch, dass die Betriebsratsmitglieder auf einer Betriebsratssitzung unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedendes“ die Aufnahme des Tagesordnungspunktes „Abwahl und Neuwahl des Betriebsratsvorsitzenden“ beantragen. Da, wie oben geschildert, wohl die für die Ergänzung der Tagesordnung erforderliche Einstimmigkeit nicht zu erreichen wäre, wäre eine dennoch erfolgte Aufnahme des Tagesordnungspunktes wohl eher nicht rechtmäßig. Die Mehrheit der Betriebsratsmitglieder könnte aber dennoch die Ergänzung der Tagesordnung beschließen und dann einen Beschluss über die Ab- und Neuwahl des Betriebsratsvorsitzenden fassen. Ein solcher Beschluss wäre dann zwar unwirksam, aber nicht nichtig! Nach der Rechtsprechung führen Fehler bei der Beschlussfassung bei der Wahl bzw. Abwahl des Betriebsratsvorsitzenden oder seines Stellvertreters nur dann zur Nichtigkeit der Wahl, wenn besonders krasse Fälle von Gesetzesverstößen vorliegen, bei denen nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl vorliegt (BAG, vom 13.11.1991 - 7 ABR 8/91; ArbG Frankfurt a. M., vom 31.03.2008 - 12 BV 666/08). Ein solcher Fall läge hier eher nicht vor, da es durchaus gewichtige Stimmen in der Literatur gibt, die eine Ergänzung der Tagesordnung auf einer Betriebsratssitzung auch dann für zulässig halten, wenn die Mehrheit der Betriebsratsmitglieder damit einverstanden ist (Fitting BetrVG § 29 Rn. 48; Joussen, NZA 2014, 505). In unserem Fall käme, in entsprechender Anwendung des § 19 BetrVG, nur die Anfechtung der Abwahl/Neuwahl beim Arbeitsgericht in Betracht. Das bedeutet aber, dass der (möglicherweise) fehlerhaft gewählte Betriebsratsvorsitzende (oder sein Stellvertreter) bis zur Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung das Amt rechtmäßig ausüben. Bis das Arbeitsgericht über die Wirksamkeit der Ab- und Neuwahl entschieden hat, wäre der neue Vorsitzende voll handlungsfähig und könnte in der Zwischenzeit eine ordnungsgemäße Betriebsratssitzung mit dem entsprechenden Tagesordnungspunkt einberufen, auf der dann rechtmäßig die erneute Ab- und Neuwahl des Betriebsratsvorsitzenden durchgeführt wird.

Die Aufgaben und Befugnisse des Betriebsratsvorsitzenden und des Stellvertreters

Welche Aufgaben und Befugnisse hat der Betriebsratsvorsitzende?

Gem. § 26 Abs. 2 BetrVG vertritt der Betriebsratsvorsitzende (und im Falle seiner Verhinderung der Stellvertreter) den Betriebsrat im Rahmen der vom Betriebsrat gefassten Beschlüsse und nimmt Erklärungen an den Betriebsrat entgegen. Der Betriebsratsvorsitzende ist also Sprachrohr des Betriebsrats und Ansprechpartner des Arbeitgebers.

Ansonsten hat der Betriebsratsvorsitzende folgende gesetzlich zugewiesene Aufgaben:

  • die Führung der laufenden Geschäfte in Betriebsräten, die keinen Betriebsausschuss bilden können (weniger als neun Mitglieder), falls diese ihm durch Beschluss des Betriebsrats übertragen worden sind;
  • die Einberufung der Sitzungen des Betriebsrats;
  • die Festlegung der Tagesordnung für die Sitzungen;
  • die Ladung zu den Betriebsratssitzungen;
  • die Leitung der Betriebsratssitzungen;
  • die Unterzeichnung der Sitzungsniederschriften;
  • die Leitung der Betriebsversammlung;
  • die Teilnahme an Sitzungen der JAV;
  • die Mitgliedschaft kraft Amtes im Betriebsausschuss (§ 27 Abs. 1 BetrVG);

Welche Rolle hat der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende? Ist er ein „zweiter“ Vorsitzender?

Der Stellvertreter ist kein „zweiter“ Vorsitzender mit gleichen Rechten wie der Betriebsratsvorsitzende. Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vertritt der stellvertretende Vorsitzende der Betriebsratsvorsitzenden „im Falle seiner Verhinderung“. Das bedeutet, dass der Stellvertreter die Aufgaben und Befugnisse des Vorsitzenden nur dann wahrnehmen kann und darf, wenn und solange dieser selbst verhindert ist.

Wann liegt eine zeitweilige Verhinderung vor?

Eine zeitweilige Verhinderung iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG liegt vor, wenn das Betriebsratsvorsitzende vorübergehend aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben.

Eine tatsächliche Verhinderung ist z. B. bei Urlaub, bei Krankheit, Dienstreisen oder der Teilnahme an Schulungs- oder Bildungsveranstaltungen anzunehmen.

Eine rechtliche Verhinderung des Betriebsratsvorsitzenden liegt bei Maßnahmen und Regelungen vor, die ihn individuell und unmittelbar betreffen. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass zur Vermeidung von Interessenkollisionen niemand „Richter in eigener Sache” sein kann.

Unter welchen Voraussetzungen vertritt der Betriebsratsvorsitzende das Betriebsratsgremium (ist Sprachrohr)?

Der Betriebsratsvorsitzende ist nicht der Bevollmächtigte oder gesetzliche Vertreter des Betriebsrats, der dessen gesetzlich zugewiesenen Befugnisse, Pflichten und Zuständigkeiten ausübt. Diese werden vielmehr vom gesamten Betriebsratsgremium wahrgenommen. Abgesehen von einzelnen vom Gesetz zugewiesenen Angelegenheiten hat er lediglich die von dem Betriebsrat gefassten Beschlüsse auszuführen und sie nach außen zum Ausdruck zu bringen.

Der Betriebsratsvorsitzende vertritt den Betriebsrat also nicht im Willen, sondern nur in der Erklärung. Das bedeutet, dass es eines Beschlusses des Betriebsrats bedarf, damit der Betriebsratsvorsitzende Erklärungen mit bindender Wirkung für den Betriebsrat abgeben kann. Deshalb sind Erklärungen des Betriebsratsvorsitzenden, die nicht von einem wirksamen Beschluss des Betriebsratsgremiums abgedeckt sind, rechtlich irrelevant.

Beispiel:

Der Betriebsrat wird zu einer geplanten Kündigung eines Beschäftigten angehört. Ohne dass der Betriebsrat einen Beschluss dazu gefasst hat, widerspricht der Betriebsratsvorsitzende der geplanten Kündigung.

Dieser Widerspruch wäre rechtlich unerheblich. Der Betriebsrat würde so behandelt, als hätte er sich überhaupt nicht zur Kündigung geäußert.

Das Gleiche gilt, wenn der Betriebsrat keinen ordnungsgemäßen Beschluss gefasst hätte.

Was bedeutet es, dass der Betriebsratsvorsitzende Erklärungen für den Betriebsrat entgegennimmt und Ansprechpartner des Arbeitgebers ist?

Die Rolle des Betriebsratsvorsitzenden als Ansprechpartner des Arbeitgebers bedeutet nicht, dass Arbeitgeber und Vorsitzender etwas rechtsverbindlich miteinander „auskungeln“ dürfen. Dies bedeutet vielmehr, dass der Betriebsratsvorsitzende derjenige ist, der für den Betriebsrat Erklärungen entgegennimmt.

Sobald dem Vorsitzenden eine Erklärung zugeht, geht sie automatisch auch dem Betriebsrat zu. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn mit einer Information des Betriebsrats Fristen in Gang gesetzt werden (z.B. bei Kündigungen, Einstellungen, Versetzungen usw.). Dies gilt selbst dann, wenn der Betriebsratsvorsitzende eine Erklärung überhaupt nicht oder verspätet an das Betriebsratsgremium weiterleitet.

Die Tatsache, dass der Betriebsratsvorsitzende zu Entgegennahme von Erklärungen berechtigt ist, bedeutet auf der anderen Seite, dass Erklärungen dem Betriebsrat nur dann zugehen, wenn sie dem Betriebsratsvorsitzenden zugehen. Wird eine Erklärung einem anderen Betriebsratsmitglied gegenüber abgegeben, ist dieser der „Bote“ des Erklärenden, was bedeutet, dass sie dem Betriebsrat erst dann zugeht, wenn das Betriebsratsmitglied die Erklärung an den Vorsitzenden weitergibt.

Muss der Betriebsratsvorsitzende immer und überall Erklärungen entgegennehmen?

Die Frage, wann und wo der Betriebsratsvorsitzende Erklärungen entgegennehmen muss, ist wichtig, weil mit der Entgegennahme durch den Vorsitzenden gegebenenfalls Fristen beginnen zu laufen.

Daraus ergibt sich unmittelbar die Frage, ob der Betriebsratsvorsitzende rund um die Uhr und an jedem Ort zum Empfang bereit sein kann und muss.

Beispiel 1

Der Arbeitgeber ruft den Betriebsratsvorsitzenden am Freitagabend zuhause an und informiert ihn, dass er beabsichtigt, einen Mitarbeiter fristlos zu entlassen.

Beispiel 2

Der Arbeitgeber fängt den Betriebsratsvorsitzenden kurz nach Feierabend am Freitag im Büro ab und erklärt ihm, dass er beabsichtigt, einen Mitarbeiter fristlos zu entlassen.

Beispiel 3

Der Betriebsratsvorsitzende hält sich im Rahmen seiner Tätigkeit außerhalb des Betriebsgeländes auf. Dort übergibt der Arbeitgeber ihm ein Schreiben mit der Anhörung zur beabsichtigten fristlosen Kündigung eines Mitarbeiters.

In den drei Beispielen, ist die Mitteilung an den Betriebsratsvorsitzenden entweder außerhalb des Betriebs und/oder außerhalb der Arbeitszeit erfolgt.

Nach der Rechtsprechung des BAG, muss der Betriebsratsvorsitzende außerhalb seiner Arbeitszeit und außerhalb des Betriebs keine Erklärungen entgegennehmen (BAG, vom 27.08.1982 - 7 AZR 30/80).

Er kann bzw. darf sie aber außerhalb der Arbeitszeit oder außerhalb des Betriebes entgegennehmen. Tut er das, ist die Erklärung auch zugegangen.

Ergebnis

In den Beispielen müsste der Betriebsratsvorsitzende die Mitteilungen des Arbeitgebers nicht entgegennehmen, weil er außerhalb des Betriebs bzw. außerhalb der Arbeitszeit vom Arbeitgeber kontaktiert wird. Wichtig ist, dass der Betriebsratsvorsitzende in diesen Fällen ausdrücklich darauf hinweist, dass er die Erklärung nicht entgegennimmt.

Nimmt er die Erklärungen des Arbeitgebers hingegen an, sind sie zugegangen, und da es sich um Kündigungsanhörungen handelt, würde damit die Anhörungsfrist in Gang gesetzt werden.

Wann geht eine Erklärung, die per Brief, Mail oder WhatsApp versendet wird, dem Betriebsrat zu?

Wenn eine Erklärung per Mail, Brief oder WhatsApp usw. versendet wird, erfolgt keine „unmittelbare Kommunikation“ zwischen Erklärendem und Erklärungsempfänger.

Hier stellt sich die Frage, wann eine solche Erklärung beim Betriebsrat eingeht und etwaige Frist zu laufen beginnen.

Dazu das BAG (BAG, vom 26.03.2015 – 2 AZR 483/14):

Eine verkörperte Willenserklärung geht unter Abwesenden i. S. v. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen.

Sobald die Nachricht also im Postfach des Betriebsratsvorsitzenden eingeht und „mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist“, ist die Erklärung zugegangen. Das wird man während der Arbeitszeit des Betriebsratsvorsitzenden annehmen können (LAG Niedersachsen, vom 26.11.2007 - 6 TaBV 34/07). Innerhalb dieser Zeit kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass der Betriebsrat seinen Briefkasten leert, bzw. seine E-Mails abruft. Ob der Betriebsratsvorsitzende tatsächlich seine Mails abruft oder nicht, ist für den Zugang nicht von Bedeutung. Eine Erklärung ist dem Betriebsrat zugegangen und eine Frist beginnt zu laufen.

Welche Aufgaben hat der Betriebsratsvorsitzende im Zusammenhang mit Betriebsratssitzungen?

Er beruft die Sitzungen des Betriebsrats ein, setzt die Tagesordnung fest und leitet die Sitzung. Damit hat er einen erheblichen Einfluss auf die Arbeit des Gremiums. Er kann die Themen setzen und bestimmen, was in der Sitzung besprochen wird.

In der Praxis sollte jedoch jedes Betriebsratsmitglied, die JAV und die Schwerbehindertenvertretung Tagesordnungspunkte vorschlagen können. Hierzu empfiehlt sich eine entsprechende Regelung in der Geschäftsordnung des Betriebsrats.

Kann der Betriebsratsvorsitzende verpflichtet werden, eine Betriebsratssitzung einzuberufen?

Ja. Ein Viertel der Betriebsratsmitglieder oder der Arbeitgeber können gem. § 29 Abs. 3 BetrVG die Einberufung einer Betriebsratssitzung beantragen. Der Betriebsratsvorsitzende ist dann verpflichtet, eine Betriebsratssitzung anzuberaumen und den Gegenstand, dessen Beratung beantragt wird, auf die Tagesordnung zu setzen.

Es besteht neben der Beantragung zur Einberufung einer Betriebsratssitzung auch die Möglichkeit, die Ergänzung der Tagesordnung einer bereits anberaumten oder anzuberaumenden Sitzung zu verlangen.

Der Antrag ist an den Betriebsratsvorsitzenden zu richten. Eine Form ist für den Antrag nicht vorgeschrieben und kann auch mündlich gestellt werden. Im Antrag muss den Gegenstand, dessen Beratung in der Sitzung verlangt wird, angeben werden.

  • Muster: Antrag gem. § 29 Abs. 3 BetrVG auf Einberufung einer Betriebsratssitzung/Ergänzung der Tagesordnung der Betriebsratssitzung

Muster: Antrag gem. § 29 Abs. 3 BetrVG auf Einberufung einer Betriebsratssitzung/Ergänzung der Tagesordnung der Betriebsratssitzung

Wie häufig dürfen Betriebsratssitzungen durchgeführt werden?

Gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 BetrVG erfolgt die Einberufung und Leitung der Betriebsratssitzungen durch den Betriebsratsvorsitzenden. Das Gesetz sagt nichts zur Häufigkeit und Dauer von Sitzungen. Beides hängt vom Arbeitsanfall im Betriebsrat ab.

aas-Praxistipp

Der Betriebsrat sollte einen festen Turnus für seine Sitzungen in der Geschäftsordnung festlegen. Es ist sinnvoll, die Sitzungen nicht weniger als einmal wöchentlich stattfinden zu lassen. Es gibt zahlreiche regelmäßig anfallende Tätigkeiten, die an Fristen gekoppelt sind, so dass ein weiter auseinander liegender Sitzungsturnus immer wieder dazu führt, dass zusätzliche Betriebsratssitzungen einberufen werden müssen. Wenn nicht viel Arbeit anliegt, kann die Sitzung entsprechend kürzer dauern.

Der Arbeitgeber muss vom Zeitpunkt jeder Betriebsratssitzung vorher unterrichtet werden. Dies ist erforderlich, damit er für die Dauer der Sitzung entsprechende Maßnahmen wegen der ausfallenden Betriebsratsmitglieder treffen kann. Eine Zustimmung des Arbeitgebers zur Durchführung der Sitzung ist aber nicht erforderlich. Dem Arbeitgeber muss auch nicht die Tagesordnung der Sitzung mitgeteilt werden. Die jeweilige Unterrichtung kann entfallen, wenn die Betriebsratssitzungen – z.B. nach der Geschäftsordnung des BR – stets zu einer bestimmten Zeit stattfinden und dies dem Arbeitgeber bekannt ist. Der Arbeitgeber hat keinen Anspruch darauf, nachträglich über Beginn und Ende der Betriebsratssitzung informiert zu werden (ArbG Hamburg, vom 08.09.1999 - 13 BV 4/99). Die Intention der Regelung des § 30 Satz 3 BetrVG besteht darin, dem Arbeitgeber vorab Gelegenheit zu geben, sich hinsichtlich des Zeitpunktes der Betriebsratssitzungen im Rahmen der Betriebsorganisation auf die Betriebsratssitzungen einstellen zu können bzw. betriebliche Notwendigkeiten in Bezug auf den Zeitpunkt der Betriebsratssitzungen geltend machen zu können usw. Mit einer nachträglichen Information kann diese Intention nicht erreicht werden. Auch wenn es dem Arbeitgeber darum geht, zu überprüfen, ob die Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern rechtmäßig waren, hilft ihm die nachträgliche Information über die Dauer der Sitzung nicht weiter, da die Dauer der Betriebsratssitzungen nicht identisch mit der am gleichen Tage stattfindenden Betriebsratstätigkeit der einzelnen Betriebsratsmitglieder sein muss.

Die ordnungsgemäße Ladung zur Betriebsratssitzung

Wie muss die richtige Ladung zur Betriebsratssitzung erfolgen?

Gem. § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG hat die Ladung der Betriebsratsmitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu erfolgen. Dabei sind Ort und Zeitpunkt der jeweiligen Sitzung mitzuteilen. Die rechtzeitige Ladung unter Übermittlung der Tagesordnung soll den Betriebsratsmitgliedern Gelegenheit geben, sich mit den zu treffenden Entscheidungen auseinanderzusetzen und sich sachgerecht auf die Sitzung vorbereiten zu können.

Die Einhaltung dieser Verpflichtung ist wesentlich für die Wirksamkeit eines in der Sitzung gefassten Betriebsratsbeschlusses (BAG, vom 15.04.2014 - 1 ABR 2/13). Verstöße gegen die Vorschrift können zur Unwirksamkeit der auf der Sitzung gefassten Beschlüsse führen.

Wer muss zur Betriebsratssitzung eingeladen werden?

Einige Personen müssen vom Betriebsratsvorsitzenden immer eingeladen werden, bei anderen Personen kommt es auf die jeweiligen Umstände an.

Alle Betriebsratsmitglieder

Eine ordnungsgemäße Ladung setzt immer die Ladung aller Betriebsratsmitglieder voraus. Werden nicht alle Betriebsratsmitglieder geladen, sind die auf dieser Sitzung gefassten Beschlüsse unwirksam.

Ersatzmitglieder

Ersatzmitglieder des Betriebsrats bzw. der JAV müssen geladen werden, wenn ein ordentliches Betriebsratsmitglied oder JAV-Mitglied verhindert ist.

Die Schwerbehindertenvertretung

Die Schwerbehindertenvertretung ist zu jeder Sitzung zu laden, hat jedoch nur eine beratende Funktion und nimmt nicht an den Abstimmungen teil, § 32 BetrVG.

Jugend- und Auszubildendenvertretung

Ein Mitglied der JAV ist zu allen Sitzungen zu laden. Die gesamte JAV ist zu Tagesordnungspunkten zu laden, die besonders Jugendliche und/oder Auszubildende betreffen, § 67 Abs. 1 BetrVG.

Gewerkschaftsvertreter

Wenn ein Viertel der Betriebsratsmitglieder dies beantragt, ist ein Beauftragter einer im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaft zu laden, § 31 BetrVG.

Der Arbeitgeber

Soll der Arbeitgeber zu einer Sitzung eingeladen werden oder findet eine Sitzung nach Beantragung des Arbeitgebers statt, ist der Arbeitgeber unter Mitteilung der Tagesordnungspunkte zu laden, zu denen er an der Sitzung teilnehmen soll, § 29 Abs. 4 BetrVG.

Ladung weiterer Personen

Zu einzelnen Tagesordnungspunkten oder Problemen können einzelne Beschäftigte, insbesondere dann, wenn sie von bestimmten Maßnahmen des Arbeitgebers betroffen sind, als Auskunftspersonen i. S. d. § 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG geladen werden.

Müssen immer alle Betriebsratsmitglieder geladen werden?

Ja. Die in § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG ausdrücklich angeordnete Ladung aller Betriebsratsmitglieder zur Sitzung des Betriebsrats ist wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit von Beschlüssen, die auf dieser Sitzung gefasst werden (BAG, Beschluss v. 15.04.2014 - 1 ABR 2/13 (B )). Nur wenn alle Betriebsratsmitglieder geladen wurden, ist eine den demokratischen Grundprinzipien gerecht werdende Willensbildung innerhalb des Betriebsrats gewährleistet.

Wann muss ein Ersatzmitglied geladen werden?

Ist ein Betriebsratsmitglied verhindert an der Betriebsratssitzung teilzunehmen, muss der Betriebsratsvorsitzende das entsprechende Ersatzmitglied unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden, § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.

Um dem Betriebsratsvorsitzenden die Ladung des Ersatzmitglieds zu ermöglichen, sollen die Betriebsratsmitglieder und die Mitglieder der JAV ihre Verhinderung unter Angabe des Verhinderungsgrundes (z.B. Krankheit, Urlaub, Schulungsteilnahme, Dienstreise) dem Betriebsratsvorsitzenden unverzüglich mitteilen. Die Angabe des Verhinderungsgrundes ist erforderlich, damit der Betriebsratsvorsitzende feststellen kann, ob ein Verhinderungsfall vorliegt. Sofern ein Betriebsratsmitglied ohne triftigen Verhinderungsgrund der Betriebsratssitzung fernbleibt, darf kein Ersatzmitglied geladen werden (LAG Schleswig-Holstein vom 01.11.2012 - 5 TaBV 13/12).

Wann liegt eine Verhinderung zur Sitzungsteilnahme vor?

Ein Betriebsratsmitglied ist nur dann zeitweilig verhindert, wenn es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist, an der Betriebsratssitzung teilzunehmen (BAG, vom 08.09.2011 - 2 AZR 388/10). Anerkannte Verhinderungsgründe in diesem Sinne sind u.a. Krankheit, Kuraufenthalt, Urlaub, Dienstreise, auswärtiger Montageeinsatz, Teilnahme an Schulungsveranstaltungen, Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz, Elternzeit, Zivildienst oder Wehrdienst oder Beschluss in eigener Sache usw.

Kann ein Betriebsratsmitglied frei darüber entscheiden, ob es verhindert ist oder nicht?

Dem Betriebsratsmitglied steht es nicht zu, sich willkürlich nach freiem Ermessen vertreten lassen, indem es sich weigert, an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen. Das Betriebsratsmitglied kann nicht frei darüber entscheiden, ob es seinen arbeitsvertraglichen Dienst ausübt oder an der Betriebsratssitzung teilnimmt. Die Erfüllung der Betriebsratsaufgaben hat Vorrang gegenüber derjenigen aus dem Arbeitsvertrag. Dies ergibt sich bereits aus § 37 Abs. 2 BetrVG (LAG Schleswig-Holstein vom 01.11.2012 - 5 TaBV 13/12).

Die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben steht nicht im Belieben der einzelnen Betriebsratsmitglieder. Die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats gehört

zu den Pflichten eines Betriebsratsmitglieds. Ein ständiges unentschuldigtes Fernbleiben von den Betriebsratssitzungen stellt deshalb grundsätzlich eine grobe Pflichtverletzung i.S.d. § 23 Abs. 1 BetrVG dar und kann einen Ausschluss aus dem Betriebsrat zu begründen (LAG München, vom 14.12.2017 - 2 TaBV 109/17).

Kann ein Betriebsratsmitglied, trotz Vorliegens eines Verhinderungsgrundes, an einer Sitzung teilnehmen?

Ein eigentlich aus tatsächlichen Gründen verhindertes Betriebsratsmitglied kann sich grundsätzlich zur Wahrnehmung seines Amtes bereit erklären. Das aus tatsächlichen Gründen verhinderte Betriebsratsmitglied hat den Vorsitzenden darüber zu informieren, wenn es trotz einer Verhinderung an der Sitzung teilnehmen will.

Dies gilt z.B. während der Elternzeit (BAG, vom 25.05.2005 - 7 ABR 45/04) oder während des Erholungsurlaubs (BAG, vom 27.09.2012 - 2 AZR 955/11).

Auch die Arbeitsunfähigkeit eines Betriebsratsmitglieds stellt nicht notwendigerweise eine Verhinderung dar. Es kann Fälle geben, in denen die Erkrankung den Arbeitnehmer zwar außerstande setzt, seine Arbeitspflichten zu erfüllen, nicht aber sein Betriebsratsamt wahrzunehmen (vgl. BAG, vom 23.08.1984 - 2 AZR 391/83).

Anders ist dies jedoch bei einem nach § 38 Abs. 1 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglied. In diesem Fall hat eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge, dass das Betriebsratsmitglied stets verhindert ist, da es ihm krankheitsbedingt unmöglich ist, seine Amtspflichten auszuüben. Ob und in welchem Umfang er sich (subjektiv) zur Wahrnehmung derselben in der Lage sieht, ist unerheblich (BAG, vom 28.07.2020 – 1 ABR 5/19).

Muss ein Ersatzmitglied geladen werden, wenn das Betriebsratsmitglied sich ohne Angabe eines Verhinderungsgrundes zur Sitzung abmeldet oder nicht erscheint?

Die Einladung eines Ersatzmitglieds setzt voraus, dass das zu ersetzende Betriebsratsmitglied einen Verhinderungsfall rechtzeitig angezeigt hat oder ein solcher bereits bei der Einladung zur Sitzung offenkundig ist (das Betriebsratsmitglied ist bekanntermaßen im Urlaub usw.).

Erscheint ein Betriebsratsmitglied, ohne Angabe von Gründen, nicht auf der Sitzung, kann nicht auf einen Verhinderungsfall geschlossen werden. Den Betriebsratsvorsitzenden trifft in diesem Fall auch keine Erkundigungspflicht.

In diesem Fall ist kein Ersatzmitglied zu laden. Ein solches Verhalten kann im Wiederholungsfall einen Antrag auf Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat nach § 23 BetrVG rechtfertigen.

Sagt das Betriebsratsmitglied die Teilnahme an der Sitzung ab und gibt lediglich keinen Grund für die Verhinderung an, sollte aus Gründen der Rechtssicherheit immer der Hinderungsgrund erfragt werden. Gibt das Betriebsratsmitglied auch auf Nachfrage keinen Grund für die Nichtteilnahme an, braucht kein Ersatzmitglied geladen zu werden.

Praxistipp:

Wenn der Vorsitzende sich dazu entscheidet, kein Ersatzmitglied zu laden, weil kein Verhinderungsgrund angegeben wurde, sollte er seine Entscheidung möglichst genau dokumentieren.

Muss ein Ersatzmitglied geladen werden, wenn das Betriebsratsmitglied unter Angabe eines nicht akzeptablen Hinderungsgrundes absagt?

Sagt das Betriebsratsmitglied mit einer Begründung ab, die keinen Verhinderungsgrund iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG darstellt (z.B. keine Lust zur Sitzungsteilnahme, Themen sind nicht interessant, gehe lieber arbeiten usw.), kann der Betriebsratsvorsitzende regelmäßig auf die Ladung eines Ersatzmitgliedes verzichten.

Praxistipp:

Die konkreten Gründe, weshalb das Nichtvorliegen eines Verhinderungsgrundes angenommen wird, sollte der Betriebsratsvorsitzende auf alle Fälle näher dokumentieren.

Muss der Betriebsratsvorsitzende ein Ersatzmitglied laden, wenn ein Betriebsratsmitglied sich wegen „hoher Arbeitsbelastung“ abmeldet?

Grundsätzlich gilt, dass die Erfüllung von Betriebsratsarbeit, wie sich aus § 37 Abs. 2 BetrVG ergibt, der Erfüllung der Aufgaben aus dem Arbeitsvertrag vorgeht. Ein Betriebsratsmitglied darf einen Vertretungsfall nicht gezielt herbeiführen.

Umstritten ist jedoch, ob der Betriebsratsvorsitzende ein Ersatzmitglied laden muss, wenn sich ein Betriebsratsmitglied abmeldet, weil es seinen beruflichen Pflichten den Vorrang vor der Sitzungsteilnahme einräumt.

Diese Frage wird in der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet:

LAG Schleswig-Holstein vom 01.11.2012 - 5 TaBV 13/12:

Keine Verhinderung liegt grundsätzlich vor, wenn das Betriebsratsmitglied sich gegen die Sitzungsteilnahme entscheidet, um stattdessen seiner Arbeit nachzugehen. Das Betriebsratsmitglied kann nicht frei darüber entscheiden, ob es seinen arbeitsvertraglichen Dienst ausübt oder an der Betriebsratssitzung teilnimmt.

LAG Nürnberg, vom 13.06.2017 - 7 TaBV 80/16:

Die Frage, welcher Verpflichtung ein Betriebsratsmitglied im Konfliktfall den Vorrang einräumt, entscheidet weder der Arbeitgeber noch das Gremium noch dessen Vorsitzender, sondern ausschließlich das betreffende Betriebsratsmitglied selbst.

Das Betriebsverfassungsgesetz geht davon aus, dass ein Betriebsratsmitglied ungeachtet der Themen einer Betriebsratssitzung für sich entscheiden soll, ob es wegen anderweitiger Pflichten an der Teilnahme an einer Sitzung des Betriebsrats gehindert ist. Diese Entscheidung über eine rein zeitliche Pflichtenkollision hat es eigenverantwortlich zu treffen und darüber zu befinden, welche Pflicht für ihn vorrangig wahrzunehmen ist. Das tatsächliche Vorliegen eines Verhinderungsgrundes aufgrund einer Pflichtenkollision hat der Vorsitzende grundsätzlich nicht nachzuprüfen. Allerdings ist es Aufgabe des Betriebsratsmitglieds, dem Betriebsratsvorsitzenden rechtzeitig das Vorliegen eines Verhinderungsgrundes anzuzeigen.

LAG Hamm, vom 08.12.2017 - 13 TaBV 72/17:

Liegt ein Interessenkonflikt zwischen Amts- und Arbeitspflicht vor, hat das betroffene Betriebsratsmitglied unter Wahrung der von ihm eingegangenen Verpflichtung zur gewissenhaften Amtsführung darüber zu entscheiden, welchen Pflichten es den Vorrang einräumt. Entscheidet es sich dafür, die Arbeit zu erbringen, ist sodann vom Betriebsratsvorsitzenden im Rahmen des § 29 Abs. 2 Satz 6 BetrVG regelmäßig davon auszugehen, dass ein Verhinderungsfall gegeben ist. Nur wenn Anhaltspunkte für eine pflichtwidrige Entscheidung des jeweiligen Betriebsratsmitgliedes vorliegen, kann Veranlassung bestehen, den angegebenen Hinderungsgrund nachzuprüfen und ggf. auf die Ladung eines Ersatzmitgliedes zu verzichten.

BAG, vom 15.04.2014 - 1 ABR 2/13 (B):

Das BetrVG geht davon aus, dass ein Betriebsratsmitglied ungeachtet der Themen einer Betriebsratssitzung für sich entscheiden soll, ob es wegen anderweitiger Pflichten an der Teilnahme an einer Sitzung des Betriebsrats gehindert ist. Diese Entscheidung über eine rein zeitliche Pflichtenkollision hat es eigenverantwortlich zu treffen und darüber zu befinden, welche Pflicht für ihn vorrangig wahrzunehmen ist. Das tatsächliche Vorliegen eines Verhinderungsgrundes aufgrund einer Pflichtenkollision hat der Vorsitzende grundsätzlich nicht nachzuprüfen.

Was bedeutet das für den Betriebsratsvorsitzenden?

Nach der wohl herrschenden Meinung liegt die Entscheidung, welcher Pflicht das Betriebsratsmitglied Vorrang einräumt, in der Verantwortung des jeweiligen Betriebsratsmitglieds. Erklärt es sich für verhindert, hat der Vorsitzende das tatsächliche Vorliegen eines Verhinderungsgrundes nicht nachzuprüfen. Er darf vielmehr davon ausgehen, dass ein Verhinderungsgrund vorliegt. Dem Betriebsratsvorsitzenden kommt eine Nachprüfungspflicht aber in Fällen zu, in denen Zweifel an der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens durch das verhinderte Betriebsratsmitglied bestehen.

aas-Praxistipp

Der Betriebsratsvorsitzende sollte hier nach bestem Wissen eine Entscheidung treffend und seine Überlegungen dokumentieren. Die Arbeitsgerichte neigen dazu, vertretbare Überlegungen zu akzeptieren.

Hinweis:

Jedes Betriebsratsmitglied muss seine Aufgaben im Betriebsrat ernst nehmen. Eindeutig geht die Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben der Erfüllung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen vor. Dass die Gerichte teilweise die Nichtteilnahme an Betriebsratssitzungen wegen der Wahrnehmung arbeitsvertraglicher Pflichten als zulässigen Verhinderungsgrund bejahen, stellt in der Praxis für Betriebsratsvorsitzende häufig ein großes Problem dar. Dies darf keinesfalls als Freifahrtschein verstanden werden, über die Teilnahme oder Nichtteilnahe nach Gutdünken zu entscheiden. Nur wenn alle Betriebsratsmitglieder ihr Amt mit dem erforderlichen Verantwortungsgefühl wahrnehmen, kann Betriebsratsarbeit funktionieren.

Ist ein Betriebsratsmitglied verhindert, weil es zur Zeit der Betriebsratssitzung arbeitsfrei hat?

Eine zeitweilige Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds liegt nicht allein deshalb vor, weil es arbeitsfrei hat. Die Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben außerhalb der persönlichen Arbeitszeit ist nicht grundsätzlich unzumutbar (BAG, vom 27.09.2012 – 2 AZR 955/11). Weder das wiederholte Aufsuchen der Betriebsstätte noch die Lage der Betriebsratssitzung außerhalb der persönlichen Arbeitszeit stellt für sich einen Verhinderungsgrund dar. Auch privaten Verpflichtungen im Arbeitsfrei sollen für die Annahme eines Verhinderungsgrundes nicht ausreichen. In einer Entscheidung, in der es um die Erstattung von Kinderbetreuungskosten ging, hatte das BAG ausgeführt, dass sich das Betriebsratsmitglied nicht wegen privater Pflichten als verhindert erklären kann (BAG, vom 23.06.2010 - 7 ABR 103/08).

Welche „rechtlichen Verhinderungsgründe“ gibt es?

Ein rechtlicher Verhinderungsgrund liegt vor, wenn es für ein Betriebsratsmitglied um einen Beschluss in eigener Sache geht:

  • Kündigung des Betriebsratsmitglieds,
  • Versetzung, wenn es sich bei dem Betriebsratsmitglied um die Person handelt, die versetzt werden soll (nicht jedoch, wenn eine andere Person auf eine Stelle versetzt werden soll, auf die sich das Betriebsratsmitglied beworben hatte),
  • Umgruppierung des Betriebsratsmitglieds,
  • Umgruppierung und Versetzung eines Ehepartners,
  • Beschwerde des Betriebsratsmitglieds.

Der Grund dahinter: Niemand soll Richter in eigener Sache sein müssen.

Die Verhinderung bezieht sich nicht nur auf die Beschlussfassung, sondern auch auf die Beratung zu dem Tagesordnungspunkt, da dort die Willensbildung des Betriebsrats maßgeblich vorbereitet wird. Damit soll erreicht werden, dass persönliche Interessen die Willensbildung nicht beeinflussen. Der Betriebsrat kann jedoch das selbstbetroffene Betriebsratsmitglied vor seiner Beschlussfassung anhören. Das selbstbetroffene Betriebsratsmitglied ist aber nur zu dem entsprechenden Tagesordnungspunkt verhindert. Zu den anderen Tagesordnungspunkten ist dann das Betriebsratsmitglied wieder teilnahmeberechtigt. Das Ersatzmitglied hat dann zu den anderen Punkten die Sitzung zu verlassen.

Ein Beschluss in eigener Sache liegt nicht vor (und damit auch keine Verhinderung), wenn es um organisatorische Fragen geht.

  • Wahl und Abwahl des BR-Vorsitzenden,
  • Wahl von Ausschussmitgliedern,
  • Wahl in den Gesamtbetriebsrat,
  • Beschluss über Schulungsteilnahme etc.

An solchen Beschlüssen kann das betroffene Betriebsratsmitglied teilnehmen.

Wie wird das richtige (zu ladende) Ersatzmitglied ermittelt?

Sobald ein Betriebsratsmitglied an der Teilnahme an der Betriebsratssitzung verhindert, hat der Betriebsratsvorsitzende das richtige Ersatzmitglied zu laden. Die Reihenfolge, in der Ersatzmitglieder für verhinderte Betriebsratsmitglieder in den Betriebsrat nachrücken, bestimmt sich nach § 25 Abs. 2 BetrVG. Diese Reihenfolge ist strikt zu beachten, da eine fehlerhafte Heranziehung den Betriebsrat an einer wirksamen Beschlussfassung hindert (BAG, vom 18.01.2006 - 7 ABR 25/05).

Damit das richtige Ersatzmitglied geladen wird, sind zwei Punkte zu beachten:

  • Hat die Betriebsratswahl im Wege einer Listenwahl oder eine Personenwahl stattgefunden?
  • Ist das Geschlecht, das sich im Betrieb in der Minderheit befindet, mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten ist?

Wie ermittelt man das richtige Ersatzmitglied, wenn der Betriebsrat im Wege der Personenwahl gewählt wurde?

Wurde der Betriebsrat im Wege der Personenwahl gewählt, rückt das Ersatzmitglied mit der höchsten Stimmenzahl (§ 25 Abs. 2 Satz 3 BetrVG) nach. Dabei ist zu beachten, dass das Geschlecht in der Minderheit ausreichend vertreten ist.

Beispiel:

Für den Betriebsrat waren 7 Betriebsratsmitglieder zu wählen. Die Frauen sind das Minderheitsgeschlecht. Es müssen mindestens 3 Frauen vertreten sein.

Name

m/w

Stimmen

Anton (6)

m

110

Berta (3)

w

144

Claus

w

37

Dieter (7)

m

99

Emil (5)

m

112

Frieda (1)

w

199

Gerda

w

3

Heino (4)

m

198

Ina (2)

w

197

Jörg

m

5

Wie muss der Betriebsratsvorsitzende vorgehen?

  • Es muss festgestellt werden, ob durch die Verhinderung des Betriebsratsmitglieds das Minderheitsgeschlecht noch im erforderlichen Umfang vertreten ist.
  • Ist das der Fall, ist also das Minderheitsgeschlecht trotz der Verhinderung immer noch entsprechend seiner Mindestzahl vertreten, rückt das Ersatzmitglied mit der nächsthöchsten Stimmzahl nach.

Beispiel:

Ist Anton verhindert, hat das auf das Minderheitsgeschlecht keinen Einfluss.

  • Ist durch die Verhinderung das Minderheitsgeschlecht nicht mehr entsprechend seiner Mindestzahl vertreten, rückt das Ersatzmitglied gleichen Geschlechts mit der nächsthöchsten Stimmzahl nach.

Beispiel:

Ist Berta verhindert, rückt für sie Gerda nach. Würde Claus nachrücken, der eigentlich die nächsthöchste Stimmenanzahl der Ersatzmitglieder hat, wäre das Minderheitsgeschlecht nicht mehr mit mindestens drei Mitgliedern vertreten.

  • Gibt es kein Ersatzmitglied des Minderheitsgeschlechts mehr, wird auf das andere Geschlecht zurückgegriffen und das Mitglied mit der nächsthöchsten Stimmenzahl rückt nach.

Beispiel:

Wieder ist Berta verhindert. Gerda ist in diesem Beispiel jedoch, aus Frust über ihr schlechtes Wahlergebnis, aus der Firma ausgeschieden. Jetzt hätten wir kein weibliches Ersatzmitglied mehr, so dass dann entsprechend Claus nachrücken würde.

Wie ermittelt man das richtige Ersatzmitglied, wenn der Betriebsrat im Wege der Listenwahl gewählt wurde?

Wurde der Betriebsrat im Wege der Listenwahl gewählt, rückt das Ersatzmitglied aus der Vorschlagsliste nach, der das verhinderte Mitglied angehört. Auch hier ist darauf zu achten, dass das Geschlecht in der Minderheit ausreichend vertreten ist.

Beispiel:

Für den Betriebsrat waren 7 Betriebsratsmitglieder zu wählen. Die Männer sind das Minderheitsgeschlecht. Es müssen mindestens 3 Männer vertreten sein.

Liste 1 : 138 Stimmen 

Die Aktiven

Liste 2: 54 Stimmen

Die Passiven

Anja: 138 (1)Jutta: 54 (3)
Bernd: 69 (2)Karl: 27 (7)
Claudia: 46 (4)Lisa: 9
Daniel: 34,5 (5)Manuela: 13,5
Erna: 27,6 (6) 
Frieda: 23 
Gustav: 19,7 
Heino: 17,25 
Ingo: 15,3 

Wie geht man vor?

  • Es muss festgestellt werden, ob durch die Verhinderung des Betriebsratsmitglieds das Minderheitsgeschlecht noch im erforderlichen Umfang vertreten ist.
  • Ist das der Fall, ist also das Minderheitsgeschlecht trotz der Verhinderung immer noch entsprechend seiner Mindestzahl vertreten, rückt das nächste Ersatzmitglied nach, das auf der Liste des verhinderten Betriebsratsmitglieds kandidiert hat.

Beispiel:

Ist Anja verhindert, hat das keine Auswirkungen auf das Minderheitsgeschlecht. Es würde das nächste Mitglied auf der Liste nachrücken, egal ob es eine Frau oder ein Mann ist.

  • Ist durch die Verhinderung das Minderheitsgeschlecht nicht mehr entsprechend seiner Mindestzahl vertreten, rückt das Ersatzmitglied des Minderheitsgeschlechts nach, da als nächstes auf der Liste des verhinderten Betriebsratsmitglieds kandidiert hat.

Beispiel:

Ist Bernd verhindert, muss für ihn ein Mann nachrücken, da ansonsten keine drei Männer mehr im Betriebsrat vorhanden wären. In unserem Fall würde nicht Frieda nachrücken, obwohl sie nächsten in der Liste wären, sondern Gustav.

  • Gibt es auf der Liste des verhinderten Betriebsratsmitglieds keinen Angehörigen des Minderheitsgeschlechts, rückt ein Angehöriger des Minderheitsgeschlechts der Liste nach, die von den noch vorhandenen Listen die höchste Stimmenzahl hat. Findet sich auch kein Angehöriger des Minderheitsgeschlechts, ist die nächststarke Liste dran usw.

Beispiel:

Ist Karl verhindert, kann von seiner Liste kein Mann mehr nachrücken, so dass man auf die andere Liste zurückgreifen muss. Hier würde wieder Gustav von Liste 1 nachrücken.

  • Findet sich auf sämtlichen Listen kein Angehöriger des Minderheitsgeschlechts, rückt das nächste Ersatzmitglied der Liste des verhinderten Betriebsratsmitglieds nach.

Beispiel:

Würden in unserem Fall Gustav, Heino und Ingo aus Kummer über ihre speziellen Namen aus der Firma ausscheiden, wären keine männlichen Nachrücker mehr vorhanden, so dass im Falle einer Verhinderung eines männlichen Betriebsratsmitglieds das nächste weibliche Ersatzmitglied nachrücken würde.

 

Was ist bei der Ladung der JAV zu Sitzungen des Betriebsrats zu beachten?

Die JAV hat das Recht, zu allen Sitzungen des Betriebsrats einen Vertreter zu entsenden (allgemeines Teilnahmerecht). Grundsätzlich darf keine Betriebsratssitzung unter Ausschluss der JAV stattfinden. Für das allgemeine Teilnahmerecht ist ein Vertreter zu entsenden. Der Betriebsratsvorsitzende muss also immer ein Mitglied der JAV laden. Die JAV kann dabei selbständig entscheiden, wer teilnimmt. Der Betriebsrat kann nicht ein bestimmtes JAV-Mitglied auswählen. In den Fällen der allgemeinen Teilnahme ist die JAV nur beratend tätig.

Darüber hinaus gibt es Themen, die besonders bzw. überwiegend die Jugendlichen und Auszubildenden betreffen (besonderes Teilnahmerecht). Das liegt z.B. dann vor, wenn der Beratungsgegenstand, um den es geht, Maßnahmen betrifft, die gerade den Schutz der Jugendlichen und Auszubildenden bezweckt, bzw. in der Mehrzahl Jugendliche und Auszubildende von der Maßnahme betroffen sind. In diesen Fällen hat der Betriebsratsvorsitzende die gesamte JAV zu laden.

Geht es um Maßnahmen, die überwiegend Jugendliche und Auszubildende betrifft, haben die JAV-Mitglieder auch das Recht auf Teilnahme an der Beschlussfassung zu dem Thema.

Wann muss die Vertrauensperson der Schwerbehinderten zu Sitzungen des Betriebsrats eingeladen werden?

Nach § 29 Abs. 2 Satz 4 BetrVG ist die Schwerbehindertenvertretung zu allen Sitzungen ebenso zu laden wie Betriebsratsmitglieder, d.h. rechtzeitig und unter Mitteilung der Tagesordnung. Obwohl das BetrVG diesen Stellvertreter der Vertrauensperson der Schwerbehinderten nicht erwähnt, ist davon auszugehen, dass der Stellvertreter an den Sitzungen des Betriebsrats teilnehmen kann, wenn die Vertrauensperson der Schwerbehinderten verhindert ist.

Die SBV hat kein Stimmrecht bei den Beschlussfassungen des Betriebsrats und ist an Beschlüsse des Betriebsrats nicht gebunden.

Die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen, die zugleich Betriebsratsmitglied ist, kann generell in dieser Doppelfunktion an einer Betriebsratssitzung teilnehmen (LAG Hessen, vom 01.11.2012 - 9 TaBV 156/12).

Wann sind Gewerkschaftsvertreter zu den Betriebsratssitzungen hinzuzuziehen?

Gem. § 31 BetrVG kann auf Antrag von einem Viertel der Mitglieder des Betriebsrats ein Beauftragter einer im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaft an den Sitzungen beratend teilnehmen. Der Antrag kann während oder außerhalb der Betriebsratssitzung gestellt werden. Er ist nicht an eine bestimmte Form gebunden, sondern kann mündlich gestellt werden. Er bedarf keiner Begründung. Jedoch muss er erkennen lassen, welche Gewerkschaft hinzugezogen werden und bei einer Hinzuziehung aus konkretem Anlass zu welchem Tagesordnungspunkt sie einen Vertreter entsenden soll.

Der Betriebsratsvorsitzende ist nicht berechtigt, von sich aus Gewerkschaftsvertreter hinzuzuziehen.

Die Hinzuziehung von Gewerkschaftsbeauftragten kann auch generell in der Geschäftsordnung vorgesehen werden (BAG, vom 28.02.1990 - 7 ABR 22/89).

Bei einer generellen Regelung in der Geschäftsordnung ist die absolute Mehrheit der Stimmen der Betriebsratsmitglieder erforderlich, da der Erlass einer Geschäftsordnung gem. § 36 BetrVG einer qualifizierten Mehrheit bedarf.

Wann können weitere Personen zu Betriebsratssitzungen eingeladen werden?

Die Betriebsratssitzung ist zwar nicht öffentlich (§ 30 Satz 4 BetrVG), dennoch kann der Betriebsrat zur Beratung einzelner Tagesordnungspunkte weitere Personen hinzuzuziehen, ohne gegen das Nichtöffentlichkeitsgebot zu verstoßen.

Dies ist dann zulässig, wenn der Betriebsrat das im Hinblick auf eine sachgerechte Behandlung einzelner Tagesordnungspunkte für zweckmäßig erachtet.

Dabei kann der Betriebsratsvorsitzende, falls erforderlich, zu einzelnen Beratungsgegenständen

  • sachkundige Arbeitnehmer nach § 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG,
  • Sachverständige nach § 80 Abs. 3 BetrVG oder
  • Berater nach § 111 Satz 2 BetrVG

einladen.

Das Gleiche gilt für sonstige Auskunftspersonen, z.B. Gewerbeaufsichtsbeamte, technische Aufsichtsbeamte der Berufsgenossenschaften, Bedienstete der zuständigen Arbeitsagentur, Mitglieder des Gesamtbetriebsrats, Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, betroffene Arbeitnehmer bei personellen Einzelmaßnahmen oder bei Beschwerden (Fitting BetrVG § 30 Rn. 17).

Die anwesenden Sachverständigen und Auskunftspersonen dürfen aber nur so lange auf der Sitzung anwesend sein, wie sie für etwaige Nachfragen usw. benötigt werden. Danach müssen sie den Sitzungsraum verlassen. Bei der finalen Beratung und Beschlussfassung des Betriebsrats dürfen sie hingegen nicht anwesend sein.

Der Betriebsrat kann dazu eine Regelung in seiner Geschäftsordnung treffen.

Wann darf der Arbeitgeber an Sitzungen des Betriebsrats teilnehmen?

Der Arbeitgeber hat kein allgemeines Recht, an Sitzungen des Betriebsrats teilzunehmen.

Der Arbeitgeber hat gem. § 29 Abs. 4 BetrVG nur dann einen Anspruch auf Teilnahme an der Betriebsratssitzung,

  • wenn er selbst die Einberufung einer Sitzung beantragt hat, (hat er lediglich die Ergänzung der Tagesordnung der Sitzung oder einer anzuberaumenden Sitzung verlangt, beschränkt sich sein Teilnahmerecht auf die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes) oder
  • wenn der Betriebsratsvorsitzende ihn ausdrücklich eingeladen hat. Die Entscheidung hierüber obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Betriebsratsvorsitzenden. Die Einladung kann auch nur zu einzelnen Punkte der Tagesordnung erfolgen.

Wann erfolgt die Einladung zur Betriebsratssitzung „rechtzeitig“?

Das Gesetz sieht keine bestimmte Ladungsfrist vor, sie sollte aber so ausreichend bemessen sein, dass sich die Betriebsratsmitglieder auf die Sitzung einrichten, notwendige Vorbereitungen treffen und Vorberatungen durchführen können. In der Geschäftsordnung sollte geregelt werden, wann die Einladung und Mitteilung der Tagesordnung zu regelmäßigen Betriebsratssitzungen zu erfolgen hat. Die Mitteilung der Tagesordnung sollte im Regelfall spätestens drei Tage vor der Betriebsratssitzung erfolgen. Es sollte auch geregelt werden, dass die Einladung zu außerordentlichen Betriebsratssitzungen kurzfristig - auch telefonisch - zulässig ist.

Gibt es eine bestimmte Form für die Ladung zur Betriebsratssitzung?

Für die Ladung zu einer Betriebsratssitzung sieht das Gesetz keine besonderen Formvorschriften vor. Die Ladung kann grundsätzlich formlos erfolgen. In der Geschäftsordnung kann (und sollte) jedoch eine bestimmte Form für die Einladung zu den Betriebsratssitzungen festgeschrieben werden.

Wer legt die Tagesordnung zu den Betriebsratssitzungen fest?

Der Betriebsratsvorsitzende legt die Tagesordnung nach pflichtgemäßem Ermessen fest und übermittelt diese an die Betriebsratsmitglieder. In der Praxis sollte jedes Betriebsratsmitglied, die JAV und die Schwerbehindertenvertretung Tagesordnungspunkte vorschlagen können. Dies sollte in der Geschäftsordnung des Betriebsrats festgelegt werden.

Wie eindeutig müssen die Tagesordnungspunkte zur Betriebsratssitzung formuliert sein?

Nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG hat der Betriebsratsvorsitzende die Mitglieder des Betriebsrats unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Die Mitteilung einer konkreten Tagesordnung ist Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Vorbereitung jedes einzelnen Betriebsratsmitgliedes. Das setzt voraus, dass die einzelnen Themen der Betriebsratssitzung, zu denen Beschlüsse gefasst werden sollen, möglichst konkret benannt werden müssen. Die Betriebsratsmitglieder müssen sich im Vorfeld der Betriebsratssitzung „ein Bild über die in der Sitzung zu treffenden Entscheidungen“ machen können, um sich auf die Sitzung vorzubereiten. Allgemeine Formulierungen wie „Personelle Einzelmaßnahmen“, „Einstellungen“, „Kündigungen“, „Betriebsvereinbarungen“, „Verschiedenes“ usw. reichen nicht (BAG, vom 28.10.1992 - 7 ABR 14/92).

Bei personellen Einzelmaßnahmen wie Einstellungen, Kündigungen, Versetzungen, Umgruppierungen müssten die konkreten personellen Daten des betroffenen Arbeitnehmers zum Tagesordnungspunkt mit aufgelistet werden (Mallmann, AiB 4/2013, 230 ff.).

Muster: Ladung zur Betriebsratssitzung

Dürfen mit der Einladung zur Sitzung Sitzungsprotokolle und weitere Materialien in Kopie an die Betriebsratsmitglieder verschickt werden?

Viele Betriebsräte verschicken mit der Einladung zur Betriebsratssitzung und der Tagesordnung Sitzungsprotokolle und weitere Materialien an die Betriebsratsmitglieder. Dieses Vorgehen ist mit dem Datenschutz nicht vereinbar.

Wegen des Transparenzgebotes und des Grundsatzes der Datenvermeidung gilt grundsätzlich, dass von Sitzungsniederschriften keine Zweitschriften angefertigt werden (LDI NRW, Orientierungshilfe Datenschutz im Personalrat, Stand: 07/12, S. 7). Das Erstellen von mehr als einer Ausfertigung birgt Gefahr des Entstehens von Nebenakten bei den jeweiligen Betriebsratsmitgliedern. Insofern ist das Versenden von Entwürfen von Sitzungsprotokollen unzulässig. Die entsprechenden Entwürfe sollten rechtzeitig vor Sitzungsbeginn im Büro des Betriebsrats eingesehen werden können.

Ebenso kann verfahren werden, wenn zu bestimmten Tagesordnungspunkten umfangreiche Materialien vorliegen.

Sollten die an die Betriebsratsmitglieder verschickten Tagesordnungen zur Betriebsratssitzung nach der Sitzung vernichtet oder zurückgegeben werden?

Ja. Um das Entstehen von Nebenakten bei den Betriebsratsmitgliedern zu vermeiden, sind Tagesordnungen, die gleichzeitig mit der Einladung zu einer Sitzung verschickt werden, am Ende der Sitzung von den Sitzungsteilnehmern immer zurückzugeben oder zu vernichten; ein entsprechender Hinweis auf diese Verpflichtung sollte bereits im Einladungsschreiben gegeben werden (so LDI NRW, Orientierungshilfe Datenschutz im Personalrat, Stand: 07/12, S. 7).

Welche Folge hat eine Einladung ohne Mitteilung einer (konkreten) Tagesordnung?

Die Einladung aller Betriebsratsmitglieder unter Mitteilung einer konkreten Tagesordnung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit eines in der Sitzung gefassten Betriebsratsbeschlusses (BAG, vom 15.04.2014 - 1 ABR 2/13 (B)). Dabei steht eine fehlende Tagesordnung einer nicht aussagekräftigen grundsätzlich gleich. Die Mitteilung des Tagesordnungspunktes „Verschiedenes” führt deshalb dazu, dass unter diesem Tagesordnungspunkt kein wirksamer Beschluss gefasst werden kann.

Was kann der Betriebsrat tun, um zu einem Thema einen wirksamen Beschluss zu fassen, zum dem vorher nicht konkret in der Tagesordnung geladen wurde?

Grundsätzlich kann auf einer Betriebsratssitzung nur dann ein wirksamer Beschluss zu einem Punkt gefasst werden, wenn dieser Punkt vorher auf der Tagesordnung der Einladung der Sitzung stand, die allen Betriebsratsmitgliedern rechtzeitig vor der Sitzung zugegangen ist.

Es ist aber anerkannt, dass der Betriebsrat grundsätzlich die Möglichkeit hat, noch auf der Betriebsratssitzung die Tagesordnung entsprechend zu ergänzen.

Umstritten sind lediglich die Voraussetzungen für die Ergänzung.

Früher hielt die hM (z.B. BAG, vom 10.10.2007 - 7 ABR 51/06) eine Ergänzung der Tagesordnung in der Betriebsratssitzung nur für zulässig, wenn zu dieser Sitzung ordnungsgemäß eingeladen worden und der vollzählig versammelte Betriebsrat hiermit einstimmig einverstanden ist.

Das BAG hat die bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Es vertritt jetzt die Ansicht, dass die Ladung zu einer Betriebsratssitzung ohne Mitteilung der Tagesordnung nicht zur Unwirksamkeit eines in dieser Sitzung gefassten Beschlusses führt, wenn

  • sämtliche Betriebsratsmitglieder rechtzeitig geladen sind,
  • der Betriebsrat beschlussfähig iSd. § 33 Abs. 2 BetrVG ist und
  • die anwesenden Betriebsratsmitglieder einstimmig beschlossen haben, über den Regelungsgegenstand des später gefassten Beschlusses zu beraten und abzustimmen.

Nicht erforderlich ist, dass in dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind (BAG, vom 22.11.2017 - 7 ABR 46/16; BAG, vom 15.04.2014 - 1 ABR 2/13 (B)). Das gilt erst recht für den Fall, dass die mitgeteilte Tagesordnung in der Betriebsratssitzung geändert werden soll.

Die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats

Wie erfolgt die Beschlussfassung auf der Betriebsratssitzung?

Die Beschlussfassung des Betriebsrats ist in § 33 BetrVG geregelt.

Danach muss der Betriebsrat zunächst einmal beschlussfähig sein und die Mehrheit der anwesenden Betriebsratsmitglieder müssen dann den entsprechenden Beschluss fassen.

Wann ist der Betriebsrat beschlussfähig?

Der Betriebsrat ist gem. § 33 Abs. 2 BetrVG beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt.

Beispiel

Bei einem neunköpfigen Betriebsrat müssen sich mindestens fünf Mitglieder (bzw. Ersatzmitglieder) an der Beschlussfassung beteiligen.

Das bedeutet aber nicht, dass nicht alle Betriebsratsmitglieder zur Sitzung geladen werden müssen! Die in § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG ausdrücklich angeordnete Ladung aller Betriebsratsmitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung ist wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit von Beschlüssen, die auf dieser Sitzung gefasst werden (BAG, Beschluss v. 15.04.2014 - 1 ABR 2/13 (B)).

Macht es Sinn, die Beschlussfähigkeit zum Beginn der Betriebsratssitzung festzustellen?

Nein. In vielen Tagesordnungen wird zu Beginn der Sitzung festgestellt, ob der Betriebsrat beschlussfähig ist. Das schadet zwar nicht, ist aber überflüssig, weil der Betriebsrat nicht zu Beginn einer Sitzung beschlussfähig sein muss, sondern bei jedem einzelnen Beschluss.

Beispiele

  • Betriebsratsmitglieder können die Betriebsratssitzung verlassen,
  • Betriebsratsmitglieder können sich weigern, an einem Beschluss teilzunehmen, während sie sich an anderen Beschlüssen beteiligen,
  • Ein Betriebsratsmitglied nimmt an einem Beschluss teil, an dem er wegen unmittelbarer Betroffenheit verhindert ist. Die fehlende Einladung des Ersatzmitglieds kann dann den entsprechenden Beschluss unwirksam machen, obwohl die anderen Beschlüsse auf der Sitzung davon unberührt sind.

Das heißt, es muss darauf geachtet werden, dass Beschlussfähigkeit jeweils zu jedem Beschluss vorliegt. Es reicht für die Abstimmung aber nicht aus, wenn das Betriebsratsmitglied nur rein körperlich anwesend ist.

Was bedeutet „Teilnahme“ an der Beschlussfassung?

Für die Beschlussfähigkeit des Betriebsrats reicht es nicht aus, wenn die Hälfte seiner Betriebsratsmitglieder anwesend ist. Vielmehr muss mindestens die Hälfte seiner Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen. Die Teilnahme an der Beschlussfassung kann auch in Form der Stimmenthaltung erfolgen.

Eine Teilnahme an der Abstimmung liegt jedoch nicht vor, wenn ein anwesendes Betriebsratsmitglied erklärt, an der Abstimmung nicht teilnehmen zu wollen. In diesem Fall wird das an der Abstimmung nicht teilnehmende Betriebsratsmitglied weder bei der Feststellung der Beschlussfähigkeit noch bei der Beschlussfassung berücksichtigt.

Ist der Betriebsrat beschlussfähig, wenn dauerhaft nicht mehr die vorgeschriebene Zahl von Betriebsratsmitgliedern vorhanden ist?

Sinkt die erforderliche Zahl der Betriebsratsmitglieder endgültig unter die vorgesehene Anzahl, liegt ein Fall des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG vor. Es muss dann ein neuer Betriebsrat gewählt werden.

Für die Übergangszeit bis zur Neuwahl greift dann der § 22 BetrVG, der bestimmt, dass die noch vorhandenen Betriebsratsmitglieder bis zur Neuwahl die Geschäfte weiterführen. Das heißt, Ausgangspunkt für die Berechnung der Beschlussfähigkeit sind die noch vorhandenen Betriebsratsmitglieder.

Beispiel:

Ein Betriebsrat besteht regulär aus neun Mitgliedern. Im Laufe der Zeit sind mehrere Mitglieder aus dem Betriebsrat ausgeschieden, so dass auch nach Nachrücken aller Ersatzmitglieder nur noch acht Betriebsratsmitglieder vorhanden sind. Nun steht eine Betriebsratssitzung an, in der nur vier Mitglieder erscheinen. Ist der Betriebsrat beschlussfähig?

Hinweis:

Sinkt die Zahl der Mitglieder aufgrund des Ausscheidens unter die vorgesehene Mindestzahl, so sind zwar gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG Neuwahlen vom Betriebsratsrat einzuleiten. Gemäß § 21 Satz 5 BetrVG bleibt der bisherige Betriebsrat aber bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses des neuen Betriebsrats im Amt. Die verbliebenen Mitglieder führen die Geschäfte des Betriebsrats gemäß § 22 BetrVG weiter. Hierfür gibt es keine zeitliche Begrenzung. Kommt es zu keiner Neuwahl, so endet das Amt erst mit dem Ablauf der ordentlichen Amtsperiode.

Kommt der Betriebsrat seiner Verpflichtung nicht nach, kommt zwar eine Ersatzbestellung des Wahlvorstandes durch das Arbeitsgericht gemäß § 16 Abs. 2 BetrVG in Betracht. Der Verstoß zur Bildung eines Wahlvorstandes bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG kann auch eine grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG darstellen mit der Folge, dass eine gerichtliche Auflösung des Betriebsrats beantragt werden kann. Wird der Betriebsrat jedoch nicht aufgrund eines solchen Antrags aufgelöst, so bleibt er trotz des Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Einleitung einer Neuwahl bis zum Ablauf der ordentlichen Amtsperiode im Amt (LAG Düsseldorf, vom 15.04.2011 - 6 Sa 857/10). In diesem Fall ist dann die Zahl der verbliebenen Betriebsratsmitglieder für die Beschlussfähigkeit ausschlaggebend. Beim endgültigen Absinken der Mindestzahl der Betriebsratsmitglieder bleibt der Betriebsrat also beschlussfähig und im Amt, zumindest so lange, bis auch das letzte Mitglied aus dem Gremium ausgeschieden wäre (DKK/Buschmann, BetrVG, § 22 Rn. 13).

 

Ist der Betriebsrat beschlussfähig, wenn vorübergehend nicht mehr die vorgeschriebene Zahl von Betriebsratsmitgliedern vorhanden ist?

Wenn der Betriebsrat zeitweilig unter die erforderliche Zahl der Betriebsratsmitglieder sinkt, weil Betriebsratsmitglieder vorübergehend verhindert sind, gilt § 22 BetrVG analog (BAG vom 18.08.1982 - 7 AZR 437/80). Dies gilt zumindest für die Fälle, in denen die Beteiligungsrechte des Betriebsrats an kurze Fristen gebunden sind.

Beispiel:

Ein Betriebsrat besteht aus neun Mitgliedern. Es sind noch zwei Ersatzmitglieder vorhanden. Zum Zeitpunkt einer Betriebsratssitzung sind drei Mitglieder im Urlaub, zwei Mitglieder sind auf einer Schulung und die zwei Ersatzmitglieder sind erkrankt. An der Betriebsratssitzung nehmen drei der vier noch vorhandenen Betriebsratsmitglieder teil. Der Betriebsrat wurde zu einer geplanten Kündigung eines Beschäftigten angehört und will dazu in der Sitzung einen Beschluss fassen. Ist der Betriebsrat beschlussfähig?

In entsprechender Anwendung des § 22 BetrVG sind die verbleibenden Mitglieder als befugt anzusehen, während der Zeit der Verhinderung, die Geschäfte des Betriebsrats weiterzuführen. Dafür muss mindestens die Hälfte der noch vorhandenen Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen. Da noch vier Betriebsratsmitglieder vorhanden sind, reichen hier für die Beschlussfähigkeit zwei Betriebsratsmitglieder aus.

Der Betriebsrat ist aber nur in den Fällen beschlussfähig, in denen die Wahrnehmung an Fristen gebunden ist. Könnte der Betriebsrat wegen der vorübergehenden Verhinderung der Mitglieder keinen wirksamen Beschluss fassen, könnte er sein Beteiligungsrecht nach § 102 BetrVG nicht wahrnehmen. Sollen hingegen Beschlüsse zu Punkten gefasst werden, bei denen es nicht um fristgebundene Entscheidungen geht, sondern um solche, die auch nach Ablauf der zeitweiligen Verhinderung der Betriebsratsmitglieder noch beschlossen werden könnten, sollte der Betriebsrat warten, bis er wieder beschlussfähig ist.

Wann liegt die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Betriebsratsmitglieder für einen Beschluss vor?

Ein Beschluss muss gem. § 33 Abs. 1 BetrVG mindestens von der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder getragen sein (Ja-Stimmen). Stimmenthaltung ist zulässig. Da jedoch die Mehrheit der an der Beschlussfassung teilnehmenden Betriebsratsmitglieder für den Beschluss stimmen muss, wirkt die Enthaltung wie eine Ablehnung.

Beispiele

Neun Betriebsratsmitglieder nehmen an der Beschlussfassung teil:

1. Abstimmung:

5 x ja; 3 x Enthaltung; 1 x nein = Antrag angenommen, weil die Mehrheit mit ja gestimmt hat.

2. Abstimmung:

4 x ja; 2 x Enthaltung; 3 x nein = Antrag abgelehnt, weil die Mehrheit nicht mit ja gestimmt hat.

Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt.

Beispiele

Vom neunköpfigen Betriebsrat nehmen acht Betriebsratsmitglieder an der Abstimmung teil. Ein Betriebsratsmitglied erscheint nicht.

1. Abstimmung

4 x ja und 4 x nein. Antrag abgelehnt.

2. Abstimmung

4 x ja, 3 x nein und 1 x Enthaltung. Antrag abgelehnt, weil Enthaltung wie nein zählt und deshalb Stimmengleichheit vorliegt.

Wann ist die „absolute“ Mehrheit der Stimmen der Betriebsratsmitglieder erforderlich?

In einigen Fällen reicht nicht die Mehrheit der anwesenden Mitglieder aus, sondern es ist die Mehrheit der Mitglieder des Betriebsrats erforderlich.

  • Beschluss über Rücktritt des Betriebsrats, § 13 BetrVG,
  • Übertragung von Aufgaben zur selbständigen Erledigung an Ausschüsse, §§ 27 Abs. 2, 28 BetrVG,
  • Übertragung von Aufgaben an Arbeitsgruppen, § 28 BetrVG,
  • Beschluss über die Geschäftsordnung, § 36 BetrVG.

Beispiel

Von einem neunköpfigen Betriebsratsrat sind sieben Mitglieder auf der Sitzung anwesend. Es soll ein Beschluss über eine Geschäftsordnung des Betriebsrats gefasst werden. Vier Mitglieder stimmen für die Annahme der neuen Geschäftsordnung und drei dagegen.

In diesem Fall reicht es nicht aus, dass vier Mitglieder für den Antrag stimmen. Diese stellen zwar die Mehrheit der anwesenden Mitglieder (im Beispiel vier von sieben Anwesenden) dar, aber nicht die Mehrheit der gewählten Mitglieder (im Beispiel fünf von neun Gewählten) insgesamt.

Wann stimmt die JAV bei einem Beschluss des Betriebsrats mit ab?

Ein Stimmrecht der JAV gibt es nur unter ganz besonderen Voraussetzungen. Dann nämlich, wenn die zu fassenden Beschlüsse überwiegend die Jugendlichen oder zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte betreffen. Überwiegend bedeutet hier, dass der Beschluss zahlenmäßig mehr Jugendliche und Auszubildende betrifft als andere Arbeitnehmer. Wenn z.B. eine personelle Einzelmaßnahme gegenüber einem Ausbilder oder bei der Entscheidung des Betriebsrats über die Kündigung eines Mitglieds der JAV oder die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen für die JAV zu fällen ist, steht allen JAV-Mitgliedern ein Stimmrecht zu.

Beispiel

Der Betriebsrat hat 15 Mitglieder, die JAV hat 3 Mitglieder. An der Abstimmung müssen mindestens 8 Betriebsratsmitglieder teilnehmen. 5 Betriebsratsmitglieder stimmen gegen einen Antrag, 3 Betriebsratsmitglieder und die 3 JAV-Mitglieder dafür. Damit ist der Antrag angenommen (5 zu 6).

Zu welchen Fragen ist überhaupt ein Beschluss des Betriebsrats erforderlich?

Der Betriebsrat muss zu allen Fragen, in denen er nach innen wie nach außen tätig wird, Beschlüsse zu fassen. Ein Betriebsrat kann nicht zu viele, sondern nur zu wenig Beschlüsse fassen. Auch alle organisatorischen Fragen, Beauftragungen, Bestellungen und Tätigkeiten sollten von einem Beschluss des Betriebsrats umfasst sein. Das Arbeitsgericht Stuttgart hat sogar erwogen, die Zulässigkeit eines bloßen Verhaltens – einer Arbeitsplatzbegehung – vom Vorliegen eines wirksamen Beschlusses abhängig zu machen, diese Frage dann jedoch letztlich offen gelassen (ArbG Stuttgart, vom 19.02.2002 - 20 BV 14/01).

Wie genau muss der Beschlussantrag formuliert werden?

Bei der Frage, wie genau ein Beschluss formuliert werden muss, müssen zwei Punkte unterschieden werden

  1. Der Betriebsrat muss sich eine Meinung zu dem Sachverhalt bilden und diesen durch einen Beschluss manifestieren und
  2. er muss das Ergebnis seiner Meinungsbildung dem Arbeitgeber mitteilen.
    Will der Betriebsrat z.B. einer geplanten Kündigung widersprechen, muss er einen Beschluss über den Widerspruch fassen und dann dem Arbeitgeber den Widerspruch mitteilen.

Diese Mitteilung muss dann bestimmten inhaltlichen und formalen Kriterien genügen. Es stellt sich hier die Frage, ob der Beschluss schon alle diese inhaltlichen Kriterien umfassen muss. Müssen also alle Zustimmungsverweigerungs- und Widerspruchsgründe mit der genauen Ausformulierung schon im Beschluss ausformuliert sein?

Die Rechtsprechung sieht es hier als ausreichend an, wenn der Willen des Betriebsrats aus dem Beschluss klar hervorgeht. Die konkrete Ausformulierung bleibt dann dem

Betriebsratsvorsitzenden überlassen (BAG, vom 25.05.2016 - 2 AZR 345/15; BAG vom 30.09.2014 – 1 ABR 32/13). Begründet wird dies damit, dass der Vorsitzende bei den für den Betriebsrat abzugebenden Erklärungen als dessen gesetzlicher Vertreter handelt. Die Vertretungsmacht des Vorsitzenden besteht im Rahmen der vom Betriebsrat gefassten Beschlüsse. Durch § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG werden die Erklärungen des Vorsitzenden daher nicht auf die bloße Verlautbarung der vom Betriebsrat gefassten Beschlüsse beschränkt. Zu den Aufgaben des Betriebsratsvorsitzenden gehört auch die Abfassung und Unterzeichnung von Schriftstücken, mit denen dem Arbeitgeber die Zustimmungsverweigerung zu personellen Einzelmaßnahmen mitgeteilt wird. Nur die Willensbildung über die Zustimmung zur beantragten personellen Einzelmaßnahme bedarf einer Entscheidung des Betriebsrats als Kollegialorgan. Die Übermittlung des gefassten Beschlusses und die Mitteilung der Zustimmungsverweigerungsgründe obliegen dann dem Vorsitzenden, der diese auf der Grundlage der vorangegangenen Willensbildung des Betriebsrats eigenständig formuliert.

Welche „Arten“ von Beschlussanträgen gibt es?

Je nach Verlauf der Diskussion auf der Betriebsratssitzung können sich zwei Szenarien ergeben:

  1. Der Betriebsratsvorsitzende erkennt aus der Diskussion, dass es eine einhellige Meinung gibt. Aus dem Gehörten formuliert er dann einen Antrag. Der Vorsitzende hat zu klären, ob es zu der Antragsformulierung noch andere Meinungen gibt. Ist dies nicht der Fall, stellt er ihn zur Abstimmung:
    • Wer ist für den Antrag?
    • Wer ist gegen den Antrag?
    • Wer enthält sich der Stimme?

    Erhält der Antrag die Mehrheit der Stimmen, ist er angenommen.

  2. Es ist auch denkbar, dass es zu einem Thema erkennbar unterschiedliche Auffassungen gibt. So kristallisiert sich z. B. in der Diskussion über die Kündigung eines Mitarbeiters heraus, dass einige Betriebsratsmitglieder widersprechen wollen, andere wollen nichts sagen und wieder andere wollen der Kündigung zustimmen. Hier können drei Anträge gestellt werden (Fricke u.a., Betriebsratssitzung gut durchgeführt, S. 48 ff.). Man beginnt mit dem weitest gehenden Antrag. Hier wäre die schärfste Maßnahme des Betriebsrats der Widerspruch. Die zweite das Schreiben und die dritte die Zustimmung. Lässt sich der weitest gehende Antrag nicht feststellen, kann auch eine beliebige Reihenfolge gewählt werden.

In unserem Beispiel würde zuerst über den Widerspruch abgestimmt. Der Vorsitzende fragt, wer für den Antrag über die Einlegung des Widerspruchs ist. Die Nein-Stimmen erfragt er nicht. Dann fragt er die Ja-Stimmen zum Schweigen ab und dann die Ja-Stimmen zur Zustimmung. Jedes Betriebsratsmitglied kann natürlich nur einem Antrag zustimmen. Abschließend wird gefragt, wer sich enthält. Der Antrag, der die meisten Stimmen erhalten hat, ist angenommen. Erhält kein Antrag die Mehrheit der anwesenden Betriebsratsmitglieder, muss weiter diskutiert und dann abgestimmt werden, bis ein Antrag die erforderliche Mehrheit erhält.

Welche Folgen hat ein unwirksamer Beschluss des Betriebsrats?

Unwirksame oder unterlassene Beschlüsse des Betriebsrats können weitreichende Folgen haben. Welche Folgen fehlende das sind wollen wir anhand von ein paar Beispielen aufzeigen:

  • Ohne wirksamen Beschluss zur Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die mit dessen Tätigwerden verbundenen Kosten zu tragen.
  • Gleiches gilt für Kosten, die dadurch entstehen, dass der Betriebsrat einen Sachverständigen hinzuzieht.
  • Ohne wirksamen Beschluss gibt es keinen Anspruch auf Erstattung von Schulungskosten.
  • Vom Betriebsrat berufene Mitglieder der Einigungsstelle erhalten nur dann eine Kostenerstattung, wenn der Berufung eine wirksame Bestellung durch den Betriebsrat zu Grunde liegt.
  • Ohne wirksamen Beschluss zur Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten ist dem Betriebsrat die Antragstellung im Beschlussverfahren vor den Arbeitsgerichten versagt. Für den Betriebsrat gestellte Anträge sind als unzulässig abzuweisen.
  • Ohne einen wirksamen Beschluss, durch den der Betriebsratsvorsitzende beauftragt wird, kommt keine wirksame Betriebsvereinbarung zustande.
  • Ein Widerspruch gegen eine Kündigung ist ohne wirksamen Beschluss des Betriebsrats unwirksam.

Die Aufzählung könnte man noch beliebig weiterführen. Allein die aufgeführten Beispiele zeigen, dass der Betriebsrat bei der Beschlussfassung eine besondere Sorgfalt walten lassen muss!

Kann der Betriebsrat einen unterbliebenen oder unwirksamen Beschluss nachholen?

Hierzu gibt es unterschiedliche Rechtsprechung, die in sich nicht immer ganz schlüssig ist, die man aber folgendermaßen zusammenfassen kann:

Es gibt:

  1. einen Grundsatz,
  2. eine Ausnahme vom Grundsatz und
  3. eine Ausnahme von der Ausnahme.

Das hört sich doch schön einfach an!

Wie sieht der Grundsatz für die Heilung eines unwirksamen oder unterbliebenen Betriebsratsbeschlusses aus?

Der Betriebsrat kann erneut über die Angelegenheit beschließen. Der im Rahmen einer erneuten Befassung getroffene Beschluss wirkt dabei grundsätzlich nicht auf den Zeitpunkt der erstmaligen und wegen des Verfahrensfehlers unwirksamen Beschlussfassung zurück, sondern schafft erst für die Zukunft eine Rechtsgrundlage für die Handlungen und Erklärungen des Betriebsrats zu diesem Beschlussgegenstand (BAG vom 10.10.2007 - 7 ABR 51/06). Dies hat zunächst Folgen für alle Beschlüsse, bei denen sich der Betriebsrat innerhalb einer bestimmten Frist zu äußern hat, wie z. B. Einstellungen, Versetzungen und Kündigungen usw. Da der ordnungsgemäß Betriebsratsbeschluss erst ab dem Zeitpunkt Wirkung entfaltet, in dem er gefasst wurde, kann nach Fristablauf kein wirksamer Beschluss mehr nachgeholt werden.

Beispiel

Der Betriebsrat wird zu einer ordentlichen Kündigung angehört. Innerhalb der Wochenfrist fasst der Betriebsrat einen unwirksamen Beschluss zu einem Widerspruch gegen die Kündigung. Da der Widerspruch damit unwirksam ist, gilt nach einer Woche die Zustimmung als erteilt. Wenn der Betriebsrat danach noch einmal formwirksam widerspricht, hilft das nicht mehr, da dieser (wirksame) Widerspruch erst nach der Äußerungsfrist erfolgt ist.

Wie sieht die Ausnahme von dem Grundsatz für die Heilung eines unwirksamen oder unterbliebenen Betriebsratsbeschlusses aus?

Der Grundsatz, dass ein nachträglicher Beschluss nicht auf den Zeitpunkt des ersten Beschlusses zurückwirkt, soll nicht gelten, wenn es um die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts, also eines Vertrages oder einer Vereinbarung geht. Dann sollen die §§ 177, 184 BGB gelten, wonach ein Rechtsgeschäft, das ein Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossen hat, nur schwebend unwirksam ist. Genehmigt der Betriebsrat das zunächst ohne Vertretungsmacht abgeschlossene Rechtsgeschäft später, wirkt die Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nichts anderes bestimmt ist. Das von dem Vertreter abgeschlossene Rechtsgeschäft wird auf Grund der Genehmigung so behandelt, als sei es bei seiner Vornahme sogleich wirksam geworden.

Beispiel

Der Betriebsratsvorsitzende hat ohne einen wirksamen Beschluss des Betriebsrats, eine Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber geschlossen. Diese wäre zunächst schwebend unwirksam. Der Betriebsrat könnte sie aber nachträglich durch einen wirksamen Beschluss genehmigen.

Welche Ausnahme gibt es von der Ausnahme für die Heilung eines unwirksamen oder unterbliebenen Betriebsratsbeschlusses?

Die zeitliche Rückerstreckung der Genehmigung zu einem im Namen des Betriebsrats abgeschlossenen Rechtsgeschäft ist jedoch ausgeschlossen, wenn die (zweite) Beschlussfassung des Betriebsrats erst nach dem für die Beurteilung eines Sachverhalts maßgeblichen Zeitpunkt erfolgt. Diese Einschränkung betrifft insbesondere rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, durch die dem Arbeitgeber eine Kostentragungspflicht auferlegt wird.

Der Betriebsrat soll vor der Verursachung von Kosten nach pflichtgemäßer Würdigung aller Umstände über die Erforderlichkeit entscheiden. Die Frage der Erforderlichkeit ist von dem Zeitpunkt des Beschlusses aus zu beurteilen, der die Kosten ausgelöst hat. So hat das BAG (vom 15.11.2000 - 7 ABR 24/00) entschieden, dass ein nach dem Besuch einer Schulungsveranstaltung gefasster Betriebsratsbeschluss, in dem die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds gebilligt wird, keinen Anspruch des Betriebsrats nach § 40 Abs. 1 BetrVG auf Kostentragung durch den Arbeitgeber begründet.

Beispiel

Der Betriebsrat fasst auf einer Sitzung einen Beschluss darüber, dass die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds XY an einem Seminar ABC erforderlich ist. Dieser Beschluss ist jedoch unwirksam. Hier könnte der Betriebsrat nach der Schulungsteilnahme, nachdem der Arbeitgeber sich weigert die Kosten zu tragen, den Beschluss nicht mehr nachholen, weil es notwendig ist, dass der Betriebsrat über die Erforderlichkeit von Kosten entscheidet, bevor diese anfallen. Dies geht nach der Schulungsteilnahme nicht mehr, da dann ja die Kosten schon angefallen sind.

Wem das alles nicht ganz einleuchtet oder wer das nicht so richtig versteht, dem sei versichert, er ist nicht allein! Es gibt noch unterschiedliche Entscheidungen, in denen es um die nachträgliche Genehmigung von Beschlüssen des Betriebsrats bei der Einleitung von Beschlussverfahren oder der Beauftragung von Beisitzern von Einigungsstellen geht. In beiden Fällen soll unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich die Heilung von Beschlussfehlern noch möglich sein. An den Ausführungen hier sieht man aber, dass das alles nicht so einfach ist. Deshalb der dringende Rat:

Der Betriebsrat sollte vorher keine Beschlussfehler machen, dann muss er diese auch im Nachhinein nicht korrigieren.

Ist die Anfertigung eines Sitzungsprotokolls Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Betriebsratsbeschlusses?

Die Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses hängt regelmäßig nicht von der Aufnahme des Betriebsratsbeschlusses in das Sitzungsprotokoll ab, da die Niederschrift nicht Teil der Beschlussfassung selbst ist (BAG, vom 30.09.2014 - 1 ABR 32/13). Die Anfertigung einer Niederschrift ist für die Wirksamkeit eines in der Betriebsratssitzung gefassten Beschlusses nur erforderlich, wenn dieser aufgrund gesetzlicher Vorgaben (z.B. § 27 Abs. 2 Satz 3, §§ 36, 50 Abs. 2 Satz 3 BetrVG) der Schriftform bedarf (Fitting § 34 BetrVG Rn. 27).

Der Sitzungsniederschrift kommt aber ein hoher Beweiswert zu. Eine ordnungsgemäße Niederschrift ist der gesetzlich vorgesehene und wichtigste Nachweis für die Tatsache einer (wirksamen) Beschlussfassung durch den Betriebsrat.

Zu den Anforderungen an das Sitzungsprotokoll des Betriebsrats siehe hier

Das Sitzungsprotokoll des Betriebsrats

Durchführung von digitalen Betriebsratssitzungen

Unter welchen Voraussetzungen können Betriebsratssitzungen per Video- oder Telefonkonferenz abgehalten werden?

Ja. Gem. § 30 Abs. 2 BetrVG besteht die Möglichkeit, Sitzungen und Beschlussfassungen des Betriebsrats „virtuell“ mittels Video- oder Telefonkonferenz durchzuführen.

§ 30 Abs. 2 Satz 1 BetrVG stellt dafür drei Voraussetzungen auf, unter denen die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz erfolgen kann:

  1. Müssen die Voraussetzungen für eine virtuelle Teilnahme in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sein (Nr. 1).
  2. Darf kein Widerspruch von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Betriebsrats vorliegen (Nr. 2).
  3. Muss sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können (Nr. 3).

Welche Formen von „virtuellen“ Betriebsratssitzungen sind zulässig?

Eine „virtuelle“ Betriebsratssitzung kann einmal durchgeführt werden,

  • indem einzelne Betriebsratsmitglieder einer ansonsten in Präsenz stattfindenden Sitzung (hybride Sitzung) virtuell zugeschaltet werden und
  • indem eine Betriebsratssitzung vollständig virtuell durchgeführt wird, bei der alle Teilnehmer per Video- oder Telefonkonferenz zusammengeschaltet sind.

Darf der Betriebsrat seine Sitzungen generell virtuell durchführen?

Nein. Nach § 30 Abs. 1 Satz 5 BetrVG sind Präsenzsitzungen der Grundsatz. Präsenzsitzungen sind Sitzungen, bei denen alle Teilnehmer an einem Ort gleichzeitig körperlich anwesend sind. Betriebsratssitzungen per Video- oder Telefonkonferenz müssen die Ausnahme sein, da bei Sitzungen, die unter Einsatz von Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden, Körpersprache, Mimik und Gestik nicht in gleicher Weise wahrgenommen werden können wie bei Präsenzsitzungen. Zudem ist bei virtuellen Sitzungen ein vertraulicher Austausch zwischen einzelnen Mitgliedern, der für die Meinungsbildung wichtig sein kann, kaum möglich (BT-Drs. 19/28899, 19).

Muss in der Geschäftsordnung des Betriebsrats die Durchführung von Betriebsratssitzungen mittels Telefon- und Videokonferenz geregelt werden?

Ja. Nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BetrVG ist die virtuelle Teilnahme bzw. Sitzung ist nur dann möglich, „wenn die Voraussetzungen für eine solche in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind“. Ohne eine Regelung in der Geschäftsordnung sind Betriebsratssitzungen per Video- und Telefonkonferenzen sowie dort stattfindende Beschlussfassungen nicht zulässig.

Wie kann der Vorrang von Präsenzsitzungen gegenüber „virtuellen“ Sitzungen geregelt werden?

Um den Vorrang der Durchführung von Präsenzsitzungen in der Geschäftsordnung klarzustellen, sollte dieser Vorrang auf alle Fälle schon einmal „deklaratorisch“ verankert werden.

Diese „deklaratorische“ Regelung in der Geschäftsordnung reicht jedoch für die „Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzungen nicht aus.

Zudem soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/28899, 19) auch die Höchstanzahl (teil-)virtueller Sitzungen in der Geschäftsordnung geregelt werden.

Zudem muss der Betriebsrat festlegen,

  • unter welchen Voraussetzungen einzelne Mitglieder virtuell an einer Betriebsratssitzung teilnehmen können und
  • unter welchen Voraussetzungen eine Sitzung vollkommen virtuell stattfinden kann.

Wie können die Voraussetzungen für die Durchführung von virtuellen Sitzungen geregelt werden?

In der Geschäftsordnung sollten die Voraussetzungen für die virtuelle Teilnahme einzelner Betriebsratsmitglieder an einer ansonsten als Präsenzsitzung stattfindenden Betriebsratssitzung (hybride Sitzung) und die Voraussetzungen für die Durchführung der kompletten Sitzung als Video- oder Telefonkonferenz, getrennt geregelt werden.

Virtuelle Teilnahme einzelner Betriebsratsmitglieder an einer Präsenzsitzung

Gründe für eine virtuelle Teilnahme einzelner Betriebsratsmitglieder an einer Betriebsratssitzung können

  • die Unzumutbarkeit der Teilnahme aus persönlichen Gründen (z.B. bei Vorliegen körperlicher Beeinträchtigungen),
  • eine kurzfristige und nicht vorhersehbare Verhinderung (z.B. die Erkrankung eines minderjährigen Kindes)
  • die Durchführung einer Dienstreise am Tag der Betriebsratssitzung etc.
  • eine Betriebsratssitzung außerhalb von deren Arbeitszeit sein.

Vollständige Durchführung einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz

Gründe für die vollständige Durchführung einer virtuellen Betriebsratssitzung können z.B. vorliegen, wenn

  • Sachverhalte für virtuelle Sitzung vorgesehen sind, in denen eine zügige Beschlussfassung erforderlich ist oder
  • der Gesundheitsschutz der Betriebsratsmitglieder, der die Durchführung einer virtuellen Betriebsratssitzung erfordert.

Können auch betriebsratsinterne Wahlen in „virtuellen“ Betriebsratssitzungen durchgeführt werden?

Der Betriebsrat sollte in der Geschäftsordnung Regelungen über das Verbot der Durchführung von gremiumsinternen Wahlen im Rahmen (teil-)virtueller Sitzungen treffen. Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob neben Beschlüssen auch Wahlen zulässig sind, sollte in der Geschäftsordnung geregelt werden, dass diese in (teil-)virtuellen Betriebsratssitzungen nicht zulässig sind.

Kann der Arbeitgeber verlangen, dass eine Betriebsratssitzung virtuell durchgeführt wird?

Bereits in der Gesetzesbegründung ist ausdrücklich klargestellt, dass der Arbeitgeber in keinem Fall berechtigt ist, die Durchführung einer Sitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz zu verlangen (BT-Drs. 19/28899, 19).

Etwas anderes kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Betriebsrat gem. § 30 Abs. 1 Satz 2 BetrVG bei der Ansetzung der Betriebsratssitzungen auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen hat. § 30 Abs. 1 Satz 2 BetrVG betrifft nur den Zeitpunkt, die Dauer und die Häufigkeit, nicht jedoch das Format der Betriebsratssitzungen (Vgl. Hagedorn, NZA 2021, 158 ff.).

Wer entscheidet darüber, ob eine Betriebsratssitzung „virtuell“ oder als Präsenzsitzung durchgeführt wird?

Die Entscheidung darüber, ob eine Betriebsratssitzung (teil-)virtuell stattfindet oder nicht, trifft der Betriebsratsvorsitzende im pflichtgemäßen Ermessen.

Die Betriebsratsmitglieder können eine (teil-)virtuelle Betriebsratssitzung nur erzwingen, wenn die Betriebsratsmitglieder dies auf einer Betriebsratssitzung entsprechend beschließen (LAG Hessen, vom 8.2.2021 – 16 TaBV 185/20 – zur gleichlautenden Vorschrift § 129 BetrVG; Wedde, AiB 9/2021, 21 ff.; a.A. Boemke/Roloff/Haase, NZA 2021, 829). Der Betriebsratsvorsitzende ist gem. § 29 Abs. 3 BetrVG verpflichtet, diese Frage auf die Tagesordnung zu setzen, wenn dies von einem Viertel der Betriebsratsmitglieder verlangt wird.

Wenn ein Betriebsratsmitglied virtuell an einer Präsenzsitzung teilnehmen will, muss es einen entsprechenden Antrag beim Betriebsratsvorsitzenden stellen. Lehnt der Betriebsratsvorsitzende die virtuelle Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Präsenzsitzung ab, bleibt diesem nur der Weg, einen entsprechenden Beschluss des Betriebsratsgremiums über seine virtuelle Zuschaltung zu beantragen. Etwas anderes könnte ausnahmsweise nur dann gelten, wenn es einem Betriebsratsmitglied, z.B. wegen einer chronischen Grunderkrankung, nur die virtuelle Zuschaltung zur Präsenzsitzung zumutbar ist (ArbG Frankfurt/Main, vom 18.02.2020 - 26 BV Ga 382/20.).

Grundsätzlich gilt aber, dass ein einzelnes Betriebsratsmitglied den Betriebsratsvorsitzenden nicht dazu zwingen kann, Betriebsratssitzungen ganz oder für einzelne Teilnehmer als Video- und Telefonkonferenz abzuhalten.

Können die Betriebsratsmitglieder die virtuelle Durchführung von Betriebsratssitzungen verhindern?

Ja. Hat der Betriebsratsvorsitzende zu einer (teil-)virtuellen Betriebsratssitzung geladen, kann gem. § 30 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG ein Viertel der Betriebsratsmitglieder durch Widerspruch die virtuelle Teilnahme einzelner Mitglieder oder die vollständig virtuelle Sitzungsdurchführung verhindern. Der Betriebsratsvorsitzende hat gem. § 30 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG eine angemessene Frist für den Widerspruch zu setzen. Die Widerspruchsfrist sollte in der Einladung zur Sitzung (§ 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG) festgelegt werden.

Wie sollte die Einladung zu einer virtuellen Betriebsratssitzung erfolgen?

In der Einladung zur (vollständig oder teilweise virtuellen) Betriebsratssitzung hat ein Hinweis zu erfolgen, dass und in welcher Weise die Nutzung von Video- und Telefonkonferenz beabsichtigt ist (Vgl. BT-Drs. 19/28899, 19 f.).

Den Betriebsratsmitgliedern muss in der Einladung mitgeteilt werden,

  • mit welcher Tagesordnung,
  • in welchem (teil-)virtuellen Format (ausschließlich Video- oder Telefonkonferenz oder hybride Sitzung unter Zuschaltung einzelner Mitglieder per Video- oder Audiocall)
  • und mittels welcher Video- bzw. Telefonkonferenztechnik (WebEx, Teams, Zoom, Skype etc.)
    die Sitzung abgehalten werden soll.

Zudem muss den Betriebsratsmitgliedern eine angemessene Frist mitgeteilt werden, innerhalb derer sie der Durchführung der Sitzung als (teil-)virtuelle Betriebsratssitzung widersprechen können (BT-Drs. 19/28899, 20).

Angemessen die Frist, wenn die Zeitspanne bis zur Sitzung so lang ist, dass es dem Vorsitzenden möglich ist, alle geladenen Mitglieder darüber zu informieren, dass die Sitzung wegen eines erheblichen Widerspruchs doch nicht (teil-)virtuell stattfinden kann.

Hat der Vorsitzende keine Frist mitgeteilt, kann der Widerspruch noch zu Beginn der virtuellen Sitzung erklärt werden, jedoch nicht mehr, nachdem ein Beschluss gefasst wurde.

Muster: Einladung zur (teil-)virtuellen Betriebsratssitzung

Wie muss der Widerspruch gegen eine (teil-)virtuelle Betriebsratssitzung erfolgen?

Die Widerspruchserklärung erfolgt gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden. Der Widerspruch bedarf keiner Begründung und kann formlos, z.B. mündlich, erklärt werden.

Was sollte in der Geschäftsordnung des Betriebsrats zum Widerspruchsrecht geregelt werden?

Der Betriebsrat muss die Vorgaben des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BetrVG einhalten und kann darüber nicht disponieren. In der Geschäftsordnung können also keine vom Gesetz abweichende Regelungen zur Form und Frist des Widerspruchs oder zur Notwendigkeit bestimmter Gründe für den Widerspruch getroffen werden.

Zum Widerspruchsrecht nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BetrVG kann daher in der Geschäftsordnung nur Deklaratorisches geregelt werden.

Welche Maßnahmen zur Sicherstellung der Geheimhaltung einer virtuellen Betriebsratssitzung müssen vom Betriebsratsvorsitzenden getroffen werden?

Der Betriebsratsvorsitzende ist nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BetrVG dafür verantwortlich, die Maßnahmen zur Sicherstellung der Nichtöffentlichkeit virtueller Sitzungen festzulegen und während der Sitzung die Wahrung der Nichtöffentlichkeit zu überwachen. Gleiches gilt für das Verbot von Aufzeichnungen (§ 30 Abs. 2 Satz 2 BetrVG).

Um die Nichtöffentlichkeit der Betriebsratssitzung sicherzustellen (siehe dazu LAG Köln, vom 25.6.2021 – 9 TaBV 7/21), muss der Betriebsratsvorsitzende z.B.

  • dafür sorgen, dass ein marktgängiges Konferenzsystem eingesetzt wird,
  • sicherstellen, dass sich die Sitzungsteilnehmer mit ihrem Namen oder den ihnen zugeordneten Zugangsdaten anmelden, wobei das Konferenzsystem ständig eine Liste der teilnehmenden Person anzeigen sollte,
  • sicherstellen, dass die Links zu den Videoräumen nicht Dritten zur Kenntnis gelangen,
  • zu Beginn der Sitzung von jedem Teilnehmer zusichern lassen, dass er sich allein in einem geschlossenen Raum befindet,
  • zu Beginn der Sitzung die Teilnehmer darüber belehren, dass sie mitzuteilen haben, wenn eine andere Person den Raum betritt, indem sie sich befinden,
  • zusichern lassen, dass keine Aufzeichnung der Sitzung erfolgt,
  • sicherstellen, die die/das virtuell teilnehmende(n) Betriebsratsmitglied(er) die Teilnahme in Textform (per E-Mail, Telefax, SMS, WhatsApp usw., jedenfalls per Datenträger, der eine Speicherung ermöglicht) bestätigen (§ 34 Abs. 1 Satz 4 BetrVG).

In der Geschäftsordnung kann der Betriebsrat hierzu ein paar Klarstellungen treffen.

Muss dem Betriebsrat die technische Ausstattung für das Abhalten von virtuellen Betriebsratssitzungen zur Verfügung gestellt werden?

Ja. Virtuelle Betriebsratssitzungen können nur abgehalten werden, wenn dem Betriebsrat die hierfür notwendige technische Ausstattung zur Verfügung steht. Das Anrecht auf eine entsprechende Ausstattung ergibt sich aus § 40 Abs. 2 BetrVG. Danach hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen.

Nach der Rechtsprechung des BAG obliegt dem Betriebsrat die Prüfung, ob ein von ihm verlangtes Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist. Dabei hat der Betriebsrat die sich stellenden Aufgaben sowie die Erfordernisse für die sachgerechte Ausübung des Betriebsratsamtes und das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung der Kostentragungspflicht gegeneinander abzuwägen (BAG, vom 18.07.2012 - 7 ABR 23/11).

Welche Ausstattung muss dem Betriebsrat für die Abhaltung digitaler Betriebsratssitzungen zur Verfügung gestellt werden?

Zunächst einmal werden Softwarelizenzen für die jeweilige Kommunikationssoftware benötigt. Da die Möglichkeit zur Einladung zu Videokonferenzen accountgebunden ist, sind dem Betriebsrat 2 Lizenzen zur Verfügung zu stellen, um auch im Falle der Erkrankung oder Verhinderung des Vorsitzenden auch kurzfristig Einladungen durchführen zu können (LAG Berlin-Brandenburg, vom 14.04.2021 - 15 TaBVGa 401/21.).

Welche Software einzusetzen ist, hat sich nach den betriebsüblichen Gegebenheiten zu orientieren. Weiterer Softwarelizenzen bedarf es im Regelfall nicht, weil die bloße Teilnahme an der virtuellen Sitzung regelmäßig ohne eigene Lizenz möglich ist.

Daneben müssen für alle Betriebsratsmitglieder Tablets oder Notebooks mit Internetzugang zur Verfügung gestellt werden. Alle Betriebsratsmitglieder müssen von zuhause aus an Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenzen teilnehmen können (LAG Hessen, vom 21.05.2021 – 16 TaBVGa 79/21).

Da die Teilnehmer visuell und akustisch wahrnehmbar sein sollten, ist es sinnvoll, alle Betriebsratsmitglieder mit Headset und Webcam auszustatten. Sofern die Betriebsratsmitglieder jedoch einen Laptop erhalten, wird dieser in der Regel über eine integrierte Kamera und ein gut funktionierendes Mikrofon verfügen (Steiner/Schunder, NZA 2022, 13.).

Wenn es häufiger zu einer Verhinderungssituation bei den regulären Betriebsratsmitgliedern kommt, benötigen auch (die häufig nachrückenden) Ersatzmitglieder entsprechende Kommunikationseinrichtungen (LAG Berlin-Brandenburg, vom 14.04.2021 - 15 TaBVGa 401/21.).

Kann der Arbeitgeber den Betriebsrat auf das Abhalten von Telefon- statt Videokonferenzen verweisen?

Nein. Der Betriebsrat braucht sich nicht auf die Durchführung von Telefonkonferenzen verweisen zu lassen. Auch bei dieser Frage hat der Betriebsrat einen eigenen Beurteilungsspielraum. Zu beachten ist hier, dass beide Möglichkeiten sind nicht annähernd gleichwertig sind. Über die rein akustische Wahrnehmung per Telefon geht die „non-verbale Kommunikation“ verloren. Zusätzlich bieten die verschiedenen Videokonferenzanbieter den Austausch privater Nachrichten oder die Nutzung von Gruppenräumen an, so dass auf diesem Weg erleichtert Nebengespräche oder Einzeldiskussionen möglich sind. Zudem können bei Videokonferenzen auch audiovisuell Dokumente eingestellt und von den Teilnehmern bearbeitet werden können (LAG Hessen, vom 21.05.2021 – 16 TaBVGa 79/21).

Insofern sind Videokonferenzen vorrangig gegenüber Telefonkonferenzen (so auch zutreffend Winzer/Baeck/Hilgers, NZA 2021, 620 ff.).

Darf der Betriebsrat die entsprechende Technik selbständig anschaffen?

Nein. Der Betriebsrat kann gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG (nur) einen Überlassungsanspruch. Er ist nicht berechtigt, sich die Sachmittel selbst zu beschaffen (BAG, vom 21.04.09.1983 - 6 ABR 70/82). Insofern kann der Betriebsrat auch nicht verlangen, dass ihm Geld dafür zur Verfügung gestellt wird, um eventuell erforderliche Sachmittel selbst zu beschaffen.

Der Betriebsrat kann nur verlangen, dass der Arbeitgeber ihm die erforderlichen Sachmittel zur Verfügung stellt. Anschaffen muss und darf der Arbeitgeber die Sachmittel selbst. Der Anspruch auf Zurverfügungstellung kann auch gerichtlich, ggfls. im Wege einer einstweiligen Verfügung, durchgesetzt werden.

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