LAG Niedersachsen v. 27.06.2023 - 10 Sa 762/22
In dem zu entscheidenden Fall geht es um einen bei der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig angestellten, bundesweit bekannten, Domkantor. Er arbeitete seit 1999 in Braunschweig und leitete Deutschlands größte Domsingschule mit rund 600 Kindern und Erwachsenen in 21 Chören.
Der Domkantor wehrt sich mit einer Kündigungsschutzklage gegen eine ihm gegenüber ausgesprochene fristlose Kündigung. Ihm wird vorgehalten, er habe sich Pläne offengehalten, für sich und seinen Ehemann Kinder im Wege der Leihmutterschaft in Kolumbien austragen zu lassen. Hierin liege ein erheblicher Loyalitätsverstoß, so die Arbeitgeberin, der eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar mache. Zudem hätten die Diskussionen um die privaten Planungen des Musikers zu Zerwürfnissen unter Mitarbeitern geführt, die in weiten Teilen eine weitere Zusammenarbeit ablehnten.
Die Klage war erfolgreich. Allerdings ist die spannende Frage, ob das Offenhalten der Pläne für eine Leihmutterschaft tatsächlich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, in der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) offengeblieben. Hintergrund: Die Landeskirche hatte dem Domkantor in einem Personalgespräch bereits vor der Kündigung mitgeteilt, sie missbillige zwar seine Pläne, werde daran aber keine dienstrechtlichen Konsequenzen knüpfen. Hierin hat das LAG einen Verzicht auf das Kündigungsrecht gesehen. Nach dem Personalgespräch unternahm der Mitarbeiter keine über die bisherigen Pläne hinausgehenden Handlungen.
Die vorherige Instanz, das Arbeitsgericht Braunschweig, hatte die Frage, ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vorläge, übrigens verneint. Begründung: Mit seiner Erklärung, sich die Möglichkeit einer Leihmutterschaft offenzuhalten, hat der Mitarbeiter nicht gegen eine konkrete, aus dem Selbstverständnis der Kirche folgende Loyalitätsanforderung verstoßen. Auch überwiegt im Rahmen der Interessenabwägung nicht das Interesse der Kirche an einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass die Äußerung keinen provokativen Charakter aufweist, sondern dem Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit unterfällt.