Krankenrückkehrgespräche: Fürsorgliche Prävention oder Kontrollmittel?

Blog – KW 5

Nach § 167 Abs. 2 SGB IX muss der Arbeitgeber jedem Beschäftigten, der innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig ist, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten. Im Rahmen dieses Verfahrens werden auch verschiedene Gespräche mit dem Betroffenen geführt, wie das erste Informationsgespräch oder die Fallbesprechungen, um zu klären, welche Maßnahmen geeignet sind, um eine nachhaltige Rückkehr in den Betrieb zu ermöglichen. Zwar ist nach dem Gesetz jeder Arbeitgeber zur Einführung eines solchen BEMs verpflichtet. Das heißt aber noch lange nicht, dass dem auch alle nachkommen. Daher finden in vielen Betrieben immer noch die sogenannten Krankenrückkehrgespräche statt, die mit einem geordneten BEM-Prozess nichts zu tun haben. Doch wo genau ist der Unterschied? Und ist das Unbehagen bezüglich dieser Gespräche berechtigt?

Prinzipien und Ziele

Ein Krankenrückkehrgespräch unterscheidet sich vom BEM vor allem dadurch, dass es nicht vom Prinzip der Freiwilligkeit geprägt ist. Einem BEM muss kein Beschäftigter zustimmen, während er sich der Aufforderung zu einem Krankenrückkehrgespräch in der Regel nicht entziehen kann. Das Krankenrückkehrgespräch hat außerdem eine andere Zielsetzung. Es dient vielfach allein dazu, Beschäftigten zu verdeutlichen, dass ihre Arbeitsunfähigkeit den Arbeitsplatz gefährdet, nicht aber - wie das BEM - den Arbeitsplatz zu erhalten. Das wird auch dadurch nicht besser, dass es oft als „Welcome-Back-Gespräch“ bezeichnet wird. Klingt netter, ist es aber nicht.

Auf Kriegsfuß mit dem Datenschutz

Umstritten sind die formalisierten Krankenrückkehrgespräche auch deshalb, weil sie durch die Fragen nach den Ursachen der Erkrankung schon gegen das BDSG bzw. die DSGVO verstoßen können. Löschungs- und Aufbewahrungsfristen der erhaltenen Informationen oder Dokumente sind nicht geklärt, auch die Weitergabe der Gesundheitsdaten innerhalb des Betriebs oder des Unternehmens unterliegen keiner gesetzlichen Regelung oder Kontrolle. Der Arbeitnehmer, der zu einem Krankenrückkehrgespräch gebeten wird, hat keinen Überblick über den Umfang der erhobenen Daten und wie mit diesen Daten umgegangen wird.

Nicht ohne Mitbestimmung

Ordnet der Arbeitgeber formalisierte Krankenrückkehrgespräche an, so hat er vor der Anweisung den Betriebsrat, um Zustimmung zu ersuchen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

Doch auch rein einzelfallbezogene Gespräche unterliegen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Ansonsten wäre die Auswahl der Arbeitnehmer willkürlich: Während z.B. der eine Arbeitnehmer bereits dem Druck eines Krankenrückkehrgesprächs ausgesetzt wäre, wenn er drei Arbeitstage arbeitsunfähig fehlte, könnte ein anderer Arbeitnehmer diesem Gespräch bei längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten entgehen. Eine solche Praxis widerspräche dem Gerechtigkeitsgedanken, der Grundprinzip der in § 87 Abs. 1 BetrVG katalogisierten Mitbestimmungsrechte ist.

Sofern Krankenrückkehrgespräche ohne Beteiligung des Betriebsrats durchgeführt werden, kann dieser - auch im Wege einstweiliger Verfügung - beim Arbeitsgericht beantragen, dass der Arbeitgeber es zu unterlassen hat, mit den Beschäftigten Gespräche über deren krankheitsbedingte Fehlzeiten zu führen.

Betriebsvereinbarung nicht vergessen

Sofern der Betriebsrat Krankenrückkehrgespräche nicht vollständig unterbinden kann, sollte er auf Abschluss einer „Betriebsvereinbarung Krankenrückkehrgespräche” drängen, die die folgenden Punkte enthalten sollte.

  • Begrenzung des Zwecks des Krankenrückkehrgespräches auf Identifizierung betrieblicher Gesundheitsgefährdungen
  • Vereinbarung von Zielen zur Vermeidung von betrieblichen Gesundheitsgefährdungen
  • Verbot von Fragen nach dem Krankheitsbild/der Krankheitsdiagnose und dem persönlichen Umfeld des erkrankten Arbeitnehmers
  • Festlegung eines Verbots von personellen Maßnahmen (bei krankheitsbedingten Kündigungen) aufgrund des Gesprächs
  • Ermöglichung einer ordnungsgemäßen Vorbereitung des Arbeitnehmers auf das Gespräch
  • Festlegung eines Teilnahmerechts für Betriebsratsmitglieder und der Schwerbehindertenvertretung

Beim Abschluss einer solchen Betriebsvereinbarung ist darauf zu achten, dass die Arbeitnehmer nicht verpflichtet sind, „private” Krankheitsgründe zu benennen und auch die Krankheitsdiagnose nicht genannt werden muss. Nur die möglichen „betrieblichen” Ursachen sollen durch das Krankenrückkehrgespräch erforscht werden.

Praxistipp

Auf das Führen von Krankenrückehrgesprächen sollte zugunsten des BEM komplett verzichtet werden. Der Betriebsrat sollte sich für deren Abschaffung einsetzen, damit eine gute Vertrauensgrundlage für das BEM geschaffen werden kann.

31. Januar 2024

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