Gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG muss der Urlaub in der Regel im laufenden Kalenderjahr genommen werden ansonsten verfällt er. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Fall der notwendigen Übertragung vorliegt, z. B. bei dringenden betrieblichen Gründen oder wenn der Arbeitnehmer erkrankt ist und deshalb seinen Urlaub nicht mehr im abgelaufenen Kalenderjahr nehmen kann. Dann kann der Resturlaub in den ersten drei Monaten des Folgejahres genommen werden. Doch was passiert, wenn der Urlaub bis zum Ende des Kalenderjahres nicht einmal beantragt wurde? Wer muss wann aktiv werden, damit der Resturlaub nicht verfällt?
Das BAG damals: Arbeitnehmer muss rechtzeitig beantragen
Hier geht es um die Frage, ob den Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber die Initiativlast zur Festlegung und Gewährung des gesetzlichen Mindesturlaubs trifft. Nach früherer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) war § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG dahingehend auszulegen, dass der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub eigeninitiativ geltend machen muss (siehe z. B. BAG v. 19.01.2016 – 9 AZR 507/14). Er musste also vom Arbeitgeber die Gewährung von Urlaub verlangen. Umgekehrt bedeutete dies, dass ein Arbeitgeber nicht verpflichtet war, von sich aus Urlaub einseitig festzulegen und zu gewähren. Machte der Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht rechtzeitig und mit einem Übertragungsgrund geltend, verfiel dieser am 31.12. ersatzlos.
Die Instanzgerichte damals: Arbeitgeber muss Urlaub festlegen und erteilen
Einige Instanzgerichte (LAG Berlin-Brandenburg v. 12.6.2014 – 21 Sa 221/14; LAG München v. 06.05.2015 – 8 Sa 982/14; LAG Köln v. 22.04.2016 – 4 Sa 1095/15) hatten teilweise eine andere Auslegung des Wortlauts des § 7 Abs. 3 Satz 1 und 3 BUrlG vorgenommen als das BAG. Da der Urlaub nach § 7 Abs. 3 BUrlG innerhalb des dort vorgegebenen Zeitraums „zu gewähren und zu nehmen“ sei, deute dies bereits darauf hin, dass der Arbeitgeber von sich aus aktiv werden und einseitig Urlaub festlegen und erteilen müssen.
Der EuGH und das BAG heute: Arbeitgeber muss rechtzeitig aufklären
Der EuGH (u.a. EuGH v. 06.11.2018 – C-684/16) hat dazu entschieden, dass Urlaubsansprüche nur dann untergehen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen. Dazu muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufklären und diese Aufklärung im Streitfall später auch beweisen. Damit greift der automatische Verfall des Urlaubsanspruchs zum Jahresende nicht mehr. Der Arbeitgeber muss vielmehr dafür sorgen, dass die Arbeitnehmer den Jahresurlaub bis zum Ablauf des 31.12. nehmen. Das gilt jedenfalls für den vierwöchigen Mindesturlaub. Dafür muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmer rechtzeitig vor Ablauf des Kalenderjahres durch eine klare schriftliche Mitteilung darauf hinweisen, dass sie ihren Urlaub bis zum 31.12. nehmen müssen, und dass andernfalls der Urlaub mit Ablauf des 31.12. ersatzlos untergeht. Dem hat sich das BAG in mehreren Entscheidungen angeschlossen (BAG v. 20.12.2022 – 9 AZR 266/20; BAG v. 31.01.2023 – 9 AZR 456/20; BAG v. 20.12.2022 – 9 AZR 245/19).