Interview mit dem aas-Geschäftsführer Dr. Mark Oelmüller, ehem. vorsitzender Richter am Arbeitsgericht Dortmund
Was genau kann man sich unter einem Seminar mit Gerichtsverhandlung vorstellen?
Bei einem solchen Seminar nehmen wir unsere Teilnehmer mit zu einer öffentlichen Verhandlung ins Arbeitsgericht. Unsere Referenten sind entweder selbst Arbeitsrichter oder versierte Arbeitsrechtsanwälte. Mir selbst hat es als Arbeitsrichter immer besonders viel Freude bereitet, die Teilnehmer bei einem solchen Seminar zu begleiten!
Wie werden die Teilnehmer im Seminar auf diesen Gerichtsbesuch vorbereitet?
Unsere Referenten bereiten die Teilnehmer auf den Besuch der Verhandlung vor – welche Parteien nehmen teil; welche Fälle stehen an, wie läuft das Verfahren ab? Häufig besteht die Möglichkeit, dass wir die Verhandlungen unserer Richter-Referenten besuchen, so dass die Teilnehmer die Gelegenheit haben, „ihren“ Richter schon vor der Verhandlung zu befragen, um bestmöglich vorbereitet in die Verhandlung zu gehen. Ich habe dann immer gemerkt, dass die Teilnehmer in der Sitzung am liebsten auch mitdiskutieren würden.
Und nach dem Gerichtsbesuch?
Nach dem Gerichtsbesuch wird es spannend – die Entscheidungen des Gerichts werden gemeinsam diskutiert. Warum hat das Gericht jetzt eigentlich so oder so entschieden? Die Teilnehmer können dabei ihre eigenen Argumente mit dem Richter austauschen. Auch wenn es – wie so oft – zu einem Vergleich kommt, wird gemeinsam besprochen, welche Gründe es hierfür gab und welche taktischen Überlegungen die jeweiligen Seiten bewogen haben. So hat mir ein Richterkollege zu Beginn meiner Tätigkeit gesagt: „Mark, ein guter Vergleich tut beiden Seiten etwas weh“ – das dürfte häufig stimmen.
Was gefällt den Teilnehmern?
Die Teilnehmer können hier hautnah Gerichtsverhandlungen erleben – als Unbeteiligter zu hören, wie die beiden Seiten und das Gericht argumentieren und dann mit dem Richter diskutieren. Wo kann man das sonst? Den eigenen Referenten als Richter zu erleben, ist dabei immer ein Highlight. Aber auch das „Schnuppern der Gerichtsluft“ ist schon etwas ganz Besonderes. Es ist zwar nicht wie im Fernsehen, aber sicher auch alles andere als trockene Juristerei!
Inwiefern können die Betriebsräte die Erfahrungen aus diesem Seminar für ihre tägliche Praxis nutzen?
Wer bei Gericht war, vergisst das nicht. Für viele Teilnehmer ist es die erste Gerichtsverhandlung und man erfährt, worauf es ankommt. Nicht nur Paragraphen sind entscheidend; sondern die Überlegungen im Vorfeld einer Verhandlung und die Verhandlungstaktik sind ganz maßgeblich für den Erfolg. Der Blick über den Tellerrand des eigenen Betriebes und die Diskussion mit den anderen Teilnehmern und Richtern stellt für alle eine große Bereicherung dar. Für die nächsten Gespräche und Verhandlungen im Betrieb nimmt man hier immer etwas mit!
In welchen Seminaren der aas findet so ein Gerichtsbesuch statt?
Bei den Schulungen Betriebsverfassungsrecht Teil 3, Arbeitsrecht Teil 4, Die Arbeit im Personalausschuss, SBV-Teil 2, Aktuelle Rechtsprechung zum Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht und bei unserem Seminar „Bundesarbeitsgericht aktuell“ gehören die Gerichtsbesuche zum festen Bestandteil. Und nicht zu vergessen: Auch auf unseren Kongressen beim Bundesarbeitsgericht und beim Europäischen Gerichtshof kann man live im Saal dabei sein.
Das klingt ziemlich aufregend. Was ist das Besondere und Beeindruckendste beim Bundesarbeitsgericht und beim Europäischen Gerichtshof?
Beides ist wirklich ganz besonders: Eine Verhandlung beim Bundesarbeitsgericht mitzuerleben – bei der höchsten deutschen Instanz im Arbeitsrecht. Man spürt wirklich Ehrfurcht in der Luft, wenn man den Sitzungssaal betritt. Dann zu erleben, wie die Bundesrichter in ihren roten Roben die Verhandlung über grundlegende arbeitsrechtliche Fragestellungen führen, macht deutlich, wie weitreichend manche Entscheidungen des BAG sind. Man merkt übrigens auch den beteiligten Anwälten bei einem BAG-Verfahren oft an, dass es auch für sie etwas Besonderes ist. Bei dem Kongress dann mit einem Richter vom Bundesarbeitsgericht zu diskutieren, ist wirklich etwas, was in Erinnerung bleibt.
Nicht weniger spannend geht es bei unseren EuGH-Kongressen in Trier zu. Wir beleuchten die aktuellen Auswirkungen des Europarechts auf unser Arbeitsrecht. Es geht nämlich dabei nicht um die „Bananenkrümmung“, sondern sehr oft um alltägliche arbeitsrechtliche Fragen – Urlaub und Krankheit; Verfall von Urlaub; Ist Bereitschaftszeit Arbeitszeit? Die Liste der wichtigen Entscheidungen ließe sich natürlich fortsetzen. Beeindruckend ist dann der Besuch einer Verhandlung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg. Im großen Sitzungssaal mit zahllosen Dolmetschern und Besuchern zu sein und der Verhandlung auf Französisch, Deutsch oder in vielen anderen Sprachen simultan übersetzt folgen zu können, hat mich immer begeistert. Die Teilnehmer bekommen zu Beginn (auf Deutsch) eine Einführung in den Fall und können Fragen stellen. Nach der Verhandlung wird der Fall dann mit unseren Referenten analysiert und besprochen.