Immer mehr Unternehmen weisen ihren Mitarbeitern kein eigenes Büro, bzw. sogar nicht einmal mehr einen eigenen Schreibtisch, zu, sondern die Beschäftigten müssen sich zu Beginn jedes Arbeitstages erst einmal einen noch freien Schreibtisch suchen. So ein Konzept kann von vornherein Sinn machen, z.B. in einem Call Center. Doch nicht selten werden aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen bedingt durch Digitalisierung und Flexibilisierung klassische, bereits bestehende Arbeitsplatz in ein "Desk-Sharing-Modell“ umgewandelt – was dem einen Mitarbeiter gefällt und dem anderen nicht. Und der Betriebsrat? Darf der bei der Einführung von Desk-Sharing-Arbeitsplätzen ein Wörtchen mitreden?
Der Rechtsstreit und die Entscheidung
Beim LAG Düsseldorf ist ein Betriebsrat jedenfalls mit dem Versuch gescheitert, unter Berufung auf sein Mitbestimmungsrecht beim Arbeits- und Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) eine solche Neuorganisation der Büros zu verhindern (vom 9.1.2018 - 3 TaBVGa 6/17). Die Richter mussten sich mit der Frage beschäftigen, ob Betriebsräten ein Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber wegen der Einführung von sog. Desk Sharing Arbeitsplätzen bis zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung zusteht.
Im Ergebnis verneinte das Gericht dies. Aus folgenden Gründen:
- Die Entscheidung, Arbeitsplätze nicht mehr individuell zuzuordnen, stehe in untrennbarem Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung und gehöre damit zum mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten außerhalb von § 87 Abs. Nr. 1 BetrVG.
- Es sei nicht ohne weiteres eine konkrete Gefährdung bei der gemeinsamen Nutzung der Tastaturen und Computermäuse der betreffenden Mitarbeiter anzunehmen, da für entsprechende Hygienemaßnahmen gesorgt war und deshalb auch keine Mitbestimmungspflicht gem. §§ 87 Abs.1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3a Abs.1 Satz 1 ArbStättV, 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG erkannt werden konnte.
- Die Suche nach einem freien Arbeitsplatz und das Aufräumen des Arbeitsplatzes seien nicht als Ordnungsverhalten zu qualifizieren, sondern als Konkretisierung von Nebenpflichten. Folglich kommt keine Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Betracht.
Praxishinweis
Hier handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Das heißt, in anderen Fällen können sich je nach den Gesamtumständen durch Desk Sharing durchaus Mitbestimmungsrechte ergeben. Zum Beispiel können physische und/oder psychische Belastungen auftreten, die eine konkrete Gefährdung begründen können und auch das Ordnungsverhalten kann unter bestimmten Voraussetzungen betroffen sein. Das Desk-Sharing ist eine Ausprägung der sich wandelnden Arbeitswelt und der sich verändernden Arbeitsbedingungen und kann sich in jedem Betrieb anders auswirken. Diese Entwicklung hat auch Konsequenzen für die Mitbestimmung der Betriebsräte. Es bleibt also abzuwarten, was die Gerichte in den nächsten Jahren bei sich neu stellenden Fragen zur Mitbestimmung in Sachen Desk-Sharing beschließen – bis auch das Bundesarbeitsgericht eine richtungsweisende Entscheidung trifft.
Nachtrag
Inzwischen hat es eine Gerichtsentscheidung zu diesem Thema gegeben, die zwar nicht unbedingt richtungsweisend, aber zumindest aktuell ist und zwar vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 06.08.2024 - 21 TaBV 7/24. Hier ging es um das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einführung von Desk Sharing und einer Clean Desk Policy. Die amtlichen Leitsätze dieses Beschlusses lauten wie folgt:
- Die Einführung von Desk Sharing ist ebenso wie die Einführung einer Clean Desk Policy nicht als Ganzes mitbestimmungspflichtig.
- Vorgaben des Arbeitgebers zur Einbringung persönlicher Gegenstände der Arbeitnehmer, insbesondere zur Aufbewahrung solcher Gegenstände vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende, können die Ordnung des Betriebs betreffen und infolgedessen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Dies gilt auch, wenn solche Vorgaben Teil eines vom Arbeitgeber angeordneten Konzepts zum Desk Sharing und/oder einer von ihm vorgegebenen Clean Desk Policy sind.
- Eine Doppelwidmung derselben Betriebsfläche sowohl zu Arbeits- als auch zu Pausenzwecken („überlagernde Nutzung“) kann die Ordnung des Betriebs betreffen und infolgedessen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen.
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