Neue Möglichkeiten im Rahmen der Briefwahl

NL 1 Gesetz & Recht 400×225

Bisher kam es für die Zusendung von Briefwahlunterlagen nach § 24 Wahlordnung (WO) auf die Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses an, aufgrund dessen eine persönliche Stimmabgabe am Wahltag nicht möglich sein wird. In diesen Fällen musste der Wahlvorstand den Betroffenen die notwendigen Materialien von Amts wegen zukommen lassen. Als Folge der neuen Wahlordnung können sich jetzt auch weitere Wahlberechtigte für die Briefwahl entscheiden. Sie erhalten die Unterlagen allerdings nur auf ausdrückliches Verlangen. Doch wer ist das genau? Und was muss der Wahlvorstand besonders beachten, um eine spätere Anfechtung der gesamten Wahlen zu vermeiden?

Briefwahlunterlagen

Die Briefwahlunterlagen bestehen laut der Wahlordnung (§24) aus dem Wahlausschreiben, den Vorschlagslisten, dem Stimmzettel und dem Wahlumschlag, einer vorgedruckten von der Wählerin oder dem Wähler abzugebende Erklärung, in der gegenüber dem Wahlvorstand zu versichern ist, dass der Stimmzettel persönlich gekennzeichnet worden ist, einem größeren Freiumschlag, der die Anschrift des Wahlvorstands und als Absender den Namen und die Anschrift der oder des Wahlberechtigten sowie den Vermerk "Schriftliche Stimmabgabe" trägt sowie einem Merkblatt über die Art und Weise der schriftlichen Stimmabgabe.

Die Wahlumschläge müssen sämtlich die gleiche Größe, Farbe, Beschaffenheit und Beschriftung haben, damit eine Identifizierung der Wähler ausgeschlossen ist.

Die neuen Briefwahlberechtigten

Die Briefwahl – im Gesetz „Schriftliche Stimmabgabe“ genannt – ist seit Inkrafttreten der neuen Wahlordnung nicht nur den Beschäftigen vorbehalten, die aufgrund der Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses am Wahltag nicht im Betrieb anwesend sein werden. Ab sofort können auch Wahlberechtigte, „die im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert sind, ihre Stimme persönlich abzugeben“, von der Briefwahl profitieren, § 24 Abs. 1 WO. Die Gründe dafür sind ohne Bedeutung. Es können betriebliche (z.B. Geschäftsreise, Montage) oder persönliche Anlässe sein (z.B. Urlaub, Freischicht, Arbeitsbefreiung, Krankheit). Der Wahlvorstand ist nicht verpflichtet, Nachforschungen anzustellen, ob der Grund tatsächlich zutrifft. Er muss jedoch zumindest im Rahmen einer oberflächlichen Minimalprüfung nachvollziehen können, ob der angegebene Grund wenigstens plausibel ist (LAG Düsseldorf, vom 16.09.2011 - 10 TaBV 33/11). Die bloße, nicht näher erklärte Behauptung des Wahlberechtigten, er werde am Wahltag nicht anwesend sein, genügt nicht.

Ausdrückliches Verlangen („Antrag“) erforderlich

In den Fällen des § 24 Abs. 1 WO sind die Wahlunterlagen ausschließlich auf Verlangen des Wählers auszuhändigen oder zu übersenden. Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben. Wird der Antrag mündlich gestellt, muss eine Aktennotiz angefertigt werden. Der Antrag auf Briefwahl – egal ob mündlich oder schriftlich – muss außerdem in der internen Wählerliste verzeichnet werden.

Beschluss des Wahlvorstands

Der Wahlvorstand entscheidet per Beschluss, ob dem Verlangen von Wahlberechtigten auf schriftliche Stimmabgabe nach § 24 Abs. 1 WO stattgegeben wird (LAG Hessen, vom 02.09.2019 -16 TaBV 30/19). Die Entscheidung muss protokolliert werden und gehört zur Wahlakte. Erfolgt keine Beschlussfassung des Wahlvorstands über die einzelnen Anträge auf Zulassung zur Briefwahl, führt dies zur Anfechtbarkeit der Wahl (LAG Hessen, vom 27.01.2020 - 16 TaBV 48/19).

Zeitpunkt der Zusendung oder Übergabe der Unterlagen

Sobald die gültigen Vorschlagslisten bekannt gemacht werden, hat der Wahlvorstand alles beisammen, um die Briefwahlunterlagen vollständig zu erstellen. Beschäftigten, die vor Bekanntgabe der Wahlvorschläge bereits ihren Antrag auf Briefwahl gestellt haben, können und müssen die Briefwahlunterlagen sofort nach der Bekanntgabe übergeben oder übersandt bekommen. Die Übergabe bzw. der Versand muss ebenfalls in der internen Version der Wählerliste vermerkt werden.

Wird der Antrag erst nach Bekanntgabe der Wahlvorschläge gestellt, werden die Unterlagen unverzüglich nach Antragstellung ausgehändigt/ übersandt. Der Wahlvorstand ist dafür verantwortlich, dass die Unterlagen rechtzeitig zum Wahlberechtigten gelangen. Der Briefwähler hingegen trägt das Risiko des fristgemäßen Eingangs des Freiumschlags beim Wahlvorstand. Verspätet eintreffende Freiumschläge dürfen bei der Stimmauszählung nicht mehr berücksichtigt werden.

Besonderheit im vereinfachten Wahlverfahren – die „nachträgliche schriftliche Stimmabgabe“

Im vereinfachten Wahlverfahren können die Anträge auf Briefwahl bis drei Tage vor dem Tag der Stimmabgabe (der Wahlversammlung) gestellt werden, § 35 Abs. 1WO. In diesem Fall ist es regelmäßig nicht mehr möglich, dass die Briefwahlstimmen bis zum Wahltag beim Wahlvorstand eingehen. Es kann daher passieren, dass die öffentliche Stimmenauszählung nicht direkt im Anschluss an die Stimmabgabe erfolgen kann, sondern später – je nachdem welche Frist der Wahlvorstand für den Rücklauf der Briefwahlunterlagen bemessen hat – stattfinden muss. Diesen Termin hat der Wahlvorstand den Arbeitnehmern bekannt zu machen.

Wie kommt der Wahlvorstand an die Adressen?

Der Wahlvorstand muss dafür sorgen, dass ihm die Adressen der Beschäftigten vorliegen. Teilweise muss der Versand der Briefwahlunterlagen sehr kurzfristig („unverzüglich“) nach dem Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Briefwahl erfolgen. Es ist daher erforderlich, dass dem Wahlvorstand sämtliche Daten vorab vorliegen, damit er jederzeit handeln kann. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Wahlvorstand die (privaten) Postadressen sämtlicher Arbeitnehmer des Betriebs bekannt zu geben (LAG Hessen, vom 10.08.2020 - 16 TaBVGa 75/20).

25. Februar 2022

Haben Sie Fragen zu unseren Seminaren und Kongressen oder rund um aas? Rufen Sie uns an
0209 165 85 - 0
oder nutzen Sie unser Kontaktformular

Zum Kontaktformular
MA JT Kontakt 400

für BR, JAV und SBV

Mit dem aas-Newsletter informieren wir Sie regelmäßig über interessante Neuigkeiten. Dabei erfahren Sie mehr über aktuelle Gerichtsentscheidungen, wichtige gesetzliche Änderungen und interessante aas-Seminarangebote.

Bitte bestätigen Sie den Hinweis zum Datenschutz

* Pflichtfelder