Künstliche Intelligenz (KI) und der Anspruch auf Sachverstand - Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat 2021 dafür gesorgt, dass Gremiumssitzungen jetzt auch virtuell durchgeführt werden dürfen, und dass die Vorschriften für die Betriebsratswahlen an der ein oder anderen Stelle vereinfacht wurden. Doch nicht nur das: Seitdem hat auch ein Begriff im Betriebsverfassungsgesetz Einzug gehalten, der hier bisher noch nicht berücksichtigt wurde: Künstliche Intelligenz! Doch was ist das eigentlich genau? Ist das tatsächlich modern oder doch eher viel Lärm um nichts? Und was hat das mit Betriebsratsarbeit zu tun? Wir schauen es uns genauer an.
Begriffsklärung KI – Ein Versuch
Im 21. Jahrhundert entwickelt sich die Digitalisierung immer schneller und verändert das Leben in vielen Bereichen. Im diesem Rahmen nimmt das Feld der Künstlichen Intelligenz erheblich an Bedeutung zu. Was genau damit gemeint ist, ist allerdings gar nicht so einfach zu erklären. Es gibt unterschiedliche Definitionen, die sich entweder speziell auf ein Produkt bzw. einen Hersteller beziehen oder so generell bleiben, dass letztlich nichts wirklich geklärt wird und eher Unsicherheit anstatt Sicherheit schafft.
In der Theorie reden wir von Künstlicher Intelligenz, wenn ein System Probleme löst, für deren Lösung eigentlich die Intelligenz eines Menschen benötigt wird. Oft können dadurch Arbeitnehmer bei immer wiederkehrenden und zeitintensiven Tätigkeiten entlastet werden. KI soll also eigentlich in erster Linie unterstützen, nicht ersetzen.
KI-basierte Systeme können rein softwarebasiert sein, in der virtuellen Welt agieren oder auch in Hardwaregeräte eingebettet sein. Laut dem Weißbuch zur Künstlichen Intelligenz kann KI „viele Funktionen übernehmen, die zuvor nur vom Menschen wahrgenommen werden konnten. Infolgedessen werden Bürgerinnen und Bürger und juristische Personen zunehmend von Maßnahmen und Entscheidungen betroffen, die von oder mithilfe von KI-Systemen gefällt werden und zuweilen schwer nachvollziehbar sind oder kaum wirksam angefochten werden könnten.
Darüber hinaus bietet KI immer mehr Möglichkeiten, die täglichen Gewohnheiten von Menschen zu erfassen und zu analysieren. So besteht z. B. potenziell die Gefahr, dass KI – unter Verstoß gegen die Datenschutzregelungen und andere Vorschriften der EU – von staatlichen Behörden oder anderen Stellen zur Massenüberwachung oder von Arbeitgebern zur Überwachung des Verhaltens ihrer Angestellten genutzt werden.“
Soviel zu einer allgemeinen Definition. Überraschenderweise wird der Begriff KI in dem Gesetzesentwurf zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz nicht erläutert.
KI und Betriebsratsarbeit
Die Programme und technischen Entwicklungen, die hinter KI stehen, sind äußerst komplex, ändern sich schnell und bergen das ein oder andere Risiko. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Gesetzgeber die Rechte von Betriebsräten in diesem Zusammenhang stärkt und unterstützt.
Außerdem: Die betriebliche Mitbestimmung und eine frühzeitige Einbindung der Betriebsräte stärken laut Experten das Vertrauen und die Akzeptanz der Beschäftigten bei der Einführung und der Anwendung von KI. Dies ist Voraussetzung für eine positive Haltung zu KI allgemein sowie für eine erfolgreiche Implementierung von KI-Anwendungen auf betrieblicher Ebene. Daher wurde
- festgelegt, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen beim Einsatz von KI für den Betriebsrat als erforderlich gilt, § 80 Abs. 3 Satz 2 BetrVG;
- klargestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen auch dann gelten, wenn der Einsatz von KI im Betrieb vorgesehen ist, § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG;
- sichergestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Festlegung von Richtlinien über die personelle Auswahl auch dann Anwendung finden, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung von KI erstellt werden, § 95 Abs. 2a BetrVG.
Vereinfachtes Hinzuziehen eines Sachverständigen beim Einsatz von künstlicher Intelligenz
Wie gesehen, hat die Bundesregierung die Möglichkeit, externen Sachverstand im Bereich KI hinzuzuziehen, verbessert, um den Betriebsrat im Umgang mit der komplexen Materie zu helfen. Das in § 80 Abs. 3 BetrVG geregelte Recht des Betriebsrats, bei Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, wird im Hinblick auf die Beurteilung künstlicher Intelligenz erweitert.
Konkret heißt das: Die Begründung der Erforderlichkeit entfällt, wenn es um die Einführung oder die Anwendung von KI geht. Dem Betriebsrat soll in diesen Fällen stets das erforderliche Wissen zur Verfügung stehen, ohne dass die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen zu prüfen wäre. Insgesamt wird er so in die Lage versetzt, beim Einsatz von KI schneller reagieren zu können. Arbeitgeber und Betriebsrat haben sich dann nur noch über die Kosten und die Person des Sachverständigen zu einigen.
Um auch dauerhaft kurzfristig auf einen Sachverständigen beim Einsatz von KI zugreifen zu können, kann ein solcher dem Betriebsrat auch als ständiger Sachverständiger zur Verfügung stehen, § 80 Abs. 3 Satz 2 BetrVG. Hierzu bedarf es dann aber doch wieder einer Einigung der Betriebspartner.
Schwierig wird es für den Betriebsrat bei der Frage, ob es im Kern überhaupt um KI geht. Wo fängt KI an und wo hört sie auf? Wir dürfen gespannt sein, auf die ersten Entscheidungen der Arbeitsgerichte, wenn es um Streitigkeiten in dieser Sache geht (ih).
Quelle: Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz)