Mit dieser Frage hat sich kürzlich das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg (vom 20.5.2022 – 12 TaBV 4/21) beschäftigt. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten (Informationsanspruch). Doch wie sieht es aus, wenn datenschutzrechtliche Bedenken bestehen?
Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung des LAG zu Grunde:
Der Betriebsrat plante eine Wahl zur Schwerbehindertenvertretung. Darüber hinaus wollte er seiner Aufgabe aus § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG nachkommen und an der Eingliederung schwerbehinderter Menschen mitwirken. Zu diesen Zwecken verlangte der Betriebsrat von der Arbeitgeberin die Mitteilung der Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten bzw. ihnen gleichgestellten Menschen. Die Arbeitgeberin lehnte die Unterrichtung jedoch ab. Sie berief sich darauf, dass es sich bei den Angaben um hochsensible („sensitive“) Gesundheitsdaten handele, die dem Datenschutz unterliegen. Diese dürften nur mit dem Einverständnis der Mitarbeiter weitergegeben werden, was nicht von allen vorlag. Außerdem fehle es an einem konkreten Aufgabenbezug. Der Betriebsrat war anderer Ansicht und verwies ferner darauf, dass er ein "Datenschutzkonzept" ausgearbeitet und vorgelegt habe.
So entschied das LAG:
Das zuständige Arbeitsgericht hat in der ersten Instanz sowie auch das Landesarbeitsgericht in der zweiten Instanz den Auskunftsanspruch des Betriebsrats bejaht.
Dem Betriebsrat steht der geltend gemachte Auskunftsanspruch aus § 80 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu unter der Voraussetzung, dass 1) eine konkrete Aufgabe des Betriebsrats vorliegt und 2) die eingeforderte Information zur Wahrnehmung der Aufgabe erforderlich ist. Nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG gehört die Eingliederung und Förderung schwerbehinderter Menschen zu den Aufgaben des Betriebsrates. Insoweit gibt es einen konkreten Auskunftsanspruch, der nicht zur Disposition der Mitarbeiter steht und daher nicht von deren Einwilligung abhängen kann, so die Richter.
Zwar handelt es sich bei den angeforderten Informationen um sensible Daten der Mitarbeiter im datenschutzrechtlichen Sinne. Wenn solche betroffen sind, hat der Betriebsrat nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) bei Verarbeitung dieser Daten angemessene und spezifische Schutzmaßnahmen zu treffen. Dieser Pflicht ist der Betriebsrat laut der gerichtlichen Entscheidung mit dem von ihm vorgelegten Datenschutzkonzept nachgekommen. Danach ist das Betriebsratsbüro gesichert und für unbefugten Zugang verschlossen. Das Postfach, an welches die Daten übermittelt werden sollen, ist darüber hinaus durch ein Passwort geschützt. Löschkonzepte und Kontrollen sind geplant.
Einen weiteren Aufgabenbezug im Sinne des § 80 Abs. 2 BetrVG sieht das LAG in der Absicht, eine Wahl zur Schwerbehindertenvertretung zu initiieren. Dass es sich hierbei um konkrete Pläne handelt und nicht nur um bloße allgemeine Verweise auf gesetzliche Vorschriften, konnte der Betriebsrat ausreichend darlegen.
Die Angabe der konkreten Namen der schwerbehinderten Mitarbeiter waren auch erforderlich. Es muss frühzeitig feststehen, dass die Voraussetzung von fünf wahlberechtigten schwerbehinderten Mitarbeitern gegeben sind und wer genau diese Mitarbeiter sind. Eine Prüfung der Schwerbehinderteneigenschaft erst beim Erscheinen zur Wahlversammlung sieht das LAG als völlig praxisfremd an.
Last but least benötigt der Betriebsrat die Angaben, um die Situation der schwerbehinderten Mitarbeiter am Arbeitsplatz bewerten zu können. Anders kann er seinen Aufgaben aus § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG und § 176 SGB IX nicht nachkommen. Ohne Kenntnis der Namen ist eine Ansprache der Mitarbeiter unmöglich. Dem Betriebsrat steht insofern auch ein Initiativrecht zu; so die Richter. Er muss nicht abwarten, bis sich die schwerbehinderten Mitarbeiter an ihn wenden.
Das LAG hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.
Weitere wichtige Entscheidungen zu diesem Thema:
BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10: Hier hat das BAG dem Betriebsrat einen Anspruch auf Mitteilung der Namen der Mitarbeiter zugestanden, die für ein betriebliches Eingliederungsmanagement in Frage kommen.
BAG v.7.5.2019 – 1 ABR 53/17: Der Betriebsrat kann Einsicht in die mit Namen versehenen Bruttolohnlisten des Arbeitgebers nehmen, sofern solche existieren.
BAG v. 20.3.2018 – 1 ABR 11/17: Der Auskunftsanspruch des Betriebsrats ist nur auf diejenigen Mitarbeiter im Betrieb begrenzt, für die der jeweilige Betriebsrat funktional zuständig ist. Außerdem kann das Auskunftsbegehren des Betriebsrates nicht pauschal auf die Überwachung der Durchführung der gesetzlichen Bestimmungen nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und die daraus resultierende Fürsorgepflicht des Betriebsrates gestützt werden. (I.H.)