Da Ersatzmitglieder nur im Verhinderungsfall zum Einsatz kommen, stellt sich die Frage, in welchem Umfang sie einen Schulungsanspruch haben. Denn: Auch wenn sie nur vorübergehend nachrücken, so sollten sie doch wissen, wie Betriebsratsarbeit funktioniert, damit sie ihrer Aufgabe gerecht werden. Im Gesetz finden wir keinen direkten Hinweis. Doch die Gerichte haben sich ausführlich mit unser Frage beschäftigt.
Nach der Rechtsprechung kann der Betriebsrat dann ein Ersatzmitglied zu einer Schulung entsenden, wenn zu erwarten ist, dass es „häufig“ in den Betriebsrat nachrückt und deshalb wenigstens Grundkenntnisse benötigt (BAG v. 19.09.2001 – 7 ABR 32/00) Die Gerichte schränken den Schulungsanspruch für Ersatzmitglieder also ein. Möchte der Betriebsrat ein Ersatzmitglied dennoch zu einer Schulung schicken, so muss er begründen, warum er mit einem häufigen Nachrücken des Ersatzmitglieds rechnet.
- Nach einer Entscheidung des LAG Schleswig- Holstein (v. 26.04.2016 – 1 TaBV 63/15) soll die Tatsache, dass in den letzten zwei Jahren ein früheres Ersatzmitglied einer Liste zu 45 % der Sitzungen herangezogen wurde, die Prognose zulassen, dass auch in der Zukunft damit zu rechnen ist, dass das Ersatzmitglied dieser Liste zu mehr als 40 % der Sitzungen herangezogen werden wird. Den Erfahrungswerten kommt also eine gewisse Indizwirkung zu.
- In einem großen Betriebsratsgremium ist wegen unterschiedlicher Urlaubszeiten, Krankheit und Schulungsteilnahmen häufig damit zu rechnen, dass Ersatzmitglieder nachrücken müssen. Hat die Wahl als Listenwahl stattgefunden, so betrifft dies vor allem die am stärksten vertretene Liste.
- Wenn es einen einheitlichen Betriebsurlaub gibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ersatzmitglieder nachrücken, niedriger, als wenn es einen solchen Betriebsurlaub nicht gibt.
- In einer ganz aktuellen Entscheidung (LAG Hessen v. 17.01.2022, 16 TaBV 99/21) heißt es: Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Entsendung eines Ersatzmitglieds des Betriebsrats zu einer Grundschulung nur ausnahmsweise möglich. Die mehr als fünfmonatige Ausfallzeit des einzigen Betriebsratsmitglieds eines Dreiergremiums, das aus einer vorangegangenen Amtszeit über Erfahrungen im Amt verfügte, lässt die vom Betriebsrat getroffene Prognose, das nachrückende Ersatzmitglied zu einer Grundlagenschulung BR-1 zu entsenden, jedoch als zutreffend erscheinen.
Wenn der Betriebsrat nun begründen kann, warum er mit einem häufigen Nachrücken des Ersatzmitglieds rechnet, so ergibt sich daraus auch, dass es jedenfalls über Grundkenntnisse des Betriebsverfassungs- und Arbeitsrechts verfügen muss. Nur mit diesen Kenntnissen kann es aktiv an einer wirksamen Beschlussfassung teilnehmen und an der Ausübung der Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats mitwirken. Ohne diese Kenntnisse wäre eine Amtsausübung, auch wenn sie nur vorübergehend ist, nicht möglich. (IH)