Um die Arbeit im Betriebsrat vernünftig ausüben zu können, werden von jedem Betriebsratsmitglied, je nach Aufgabenstellung, diverse Kenntnisse benötigt. Praktisch bedeutet das, dass wohl kein Betriebsratsgremium ohne eine vernünftige Fortbildung auskommen wird. Entsprechend räumt das Betriebsverfassungsgesetz jedem Betriebsrat das Recht auf Fort- und Weiterbildung ein. Doch nicht selten spielt der Arbeitgeber nicht mit und versucht, dem Betriebsrat, nachdem er die Information über die entsprechende Schulungsteilnahme erhalten hat, einen Strich durch die Rechnung zu machen. Lesen Sie weiter und erfahren Sie, welche Möglichkeiten Sie haben, darauf zu reagieren.
Bestreiten der Erforderlichkeit
Die in der Schulungs- und Bildungsmaßnahme vermittelten Kenntnisse müssen erforderlich sein, § 37 Abs. 6 BetrVG. Das ist dann der Fall, wenn die Schulungsinhalte unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann, so das Bundesarbeitsgericht (v. 28.09.2016 – 7 AZR 699/14).
Was bedeutet das praktisch? Es gibt Themen, die für jedes Betriebsratsmitglied erforderlich sind, sog. Grundlagenseminare (Betriebsverfassungsrecht, Arbeitsrecht, Arbeits- und Gesundheitsschutz), und solche, die je nach Aufgabenstellung, Arbeitsteilung im Betriebsrat oder betrieblichem Anlass erforderlich sein können, sog. Spezialseminare (Datenschutz, BEM, Rhetorik).
Bestreitet der Arbeitgeber die Erforderlichkeit der Schulungsmaßnahme, so sollte der Betriebsrat zunächst das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen und erneut versuchen, ihn von der Erforderlichkeit zu überzeugen. Gelingt dies nicht, kann der Schulungsanspruch des Betriebsrats gegebenenfalls gerichtlich durchgesetzt werden. Vor einer gerichtlichen Klärung sollte sich der Betriebsrat rechtlich von der Gewerkschaft oder von einem im Arbeitsrecht spezialisierten Anwalt beraten lassen.
Schweigen
Schweigt der Arbeitgeber, so kann dies nicht als Zustimmung zur Schulungsteilnahme interpretiert werden. Dem Grundsatz nach hat Schweigen im Rechtsverkehr keinerlei Erklärungswert, was auch in diesem Fall gilt. Das Gesetz räumt dem Betriebsrat keinen Anspruch auf Abgabe einer Erklärung des Arbeitgebers zur Schulungsteilnahme ein. Der Betriebsrat hat kein Druckmittel, den Arbeitgeber noch vor Beginn des Seminars zu einer verbindlichen Erklärung zu veranlassen. Reagiert der Arbeitgeber vor Schulungsbeginn nicht auf die Unterrichtung des Betriebsrats, kann er die Kostentragung immer noch verweigern. Der Arbeitgeber muss also nicht schon deshalb die Schulungskosten tragen, weil er auf die Mitteilung des Betriebsrats nicht reagiert hat, so das BAG v. 24.05.1995 – 7 ABR 54/94.
Verweis auf günstigere Schulung
Häufig werden Betriebsräte auf eine günstigere Schulung verwiesen, nach dem Motto: „Dasselbe Thema gibt es auch günstiger!“. Der Betriebsrat sollte dann in der Lage sein, die kostenintensivere Schulung zu begründen. Eine teurere Schulung kann mit einem umfangreicheren Schulungsprogramm, einer höheren Qualifikation der Referenten oder mit zeitintensiven, aber effektiven Unterrichtsmethoden begründet werden.
Der Betriebsrat sollte zunächst die Inhalte der verschiedenen Schulungen vergleichen. Häufig ist lediglich der Titel der Seminare identisch, die Inhalte unterscheiden sich aber zum Teil deutlich, was die unterschiedlichen Preise begründen kann.
Der Betriebsrat ist gut beraten, nicht nur auf den Preis zu schauen, sondern darauf, ob auch die gleiche Qualität geboten wird. Hier gibt die Rechtsprechung dem Betriebsrat auch einen entsprechenden Beurteilungsspielraum. Das BAG sagt: Der Betriebsrat ist nicht gehalten, anhand einer umfassenden Marktanalyse den günstigsten Anbieter zu ermitteln und ohne Rücksicht auf andere Erwägungen auszuwählen (BAG v. 28.09.2016 – 7 AZR 699/14; BAG v. 19.03.2008 – 7 ABR 2/07). Er muss nicht die kostengünstigste Schulungsveranstaltung auswählen, wenn er eine andere Schulung für qualitativ besser hält. Der Beurteilungsspielraum des Betriebsrats bezieht sich auch auf den Inhalt der Schulungsveranstaltung. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen auch nach Ansicht des Betriebsrats im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kann eine Beschränkung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auf die Kosten der preiswerteren in Betracht kommen.
Häufig wird gerade im Hinblick auf die Übernachtungskosten im Tagungshotel auf kostengünstigere Veranstaltungen verwiesen. Als Argument führen Arbeitgeber dann eine betriebliche Reisekostenregelung an, die grundsätzlich natürlich auch für Betriebsratsmitglieder bindend ist, jedenfalls dann, wenn das Betriebsratsmitglied die Übernachtungs- und Verpflegungskosten beeinflussen kann (BAG v. 28.03.2007 – 7 ABR 33/06; BAG v. 28.02.1990 – 7 ABR 33/06).
Im Einzelfall können Betriebsratsmitglieder verpflichtet sein, in ein günstigeres Hotel auszuweichen, wenn sie das Tagungshotel fußläufig oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können.
Verweis auf kürzere Schulung
Wie oben bereits angesprochen, sollte der Betriebsrat prüfen, ob in der kürzeren Schulung dieselben Inhalte mit der gleichen Tiefe behandelt werden. Die kürzere Dauer des Seminars muss ja einen Grund haben. Häufig liegt dieser Grund darin, dass weniger Inhalte geboten werden oder aber dieselben Inhalte weniger intensiv besprochen werden.
Verweis auf ortsnahe Schulung
Grundsätzlich ist der Betriebsrat gehalten, unnötige Kosten auch in Bezug auf Übernachtungs- und Reisekosten zu vermeiden. Gibt es eine identische Schulung, die für das Betriebsratsmitglied zeitlich ebenso in Betracht kommt, wird sich das Betriebsratsmitglied auf die näher gelegene Schulung verweisen lassen müssen, weil durch die ortsnähere Schulung Fahrt- und Übernachtungskosten eingespart werden können. In diesen Fällen sollte der Betriebsrat prüfen, ob das günstigere Seminar zeitlich passt: Hat das Betriebsratsmitglied aus familiären als auch aus beruflichen Gründen Zeit? Findet die Schulung zu einem deutlich späteren Zeitpunkt statt, so dass ein Zuwarten auf die Schulung unzumutbar ist? Ist die näher gelegene Schulung möglicherweise schon ausgebucht? Für neu gewählte Betriebsratsmitglieder, die zur Erledigung ihrer Aufgaben zeitnah auf Schulungen angewiesen sind, kann es schon unzumutbar sein, sich auf eine (günstigere) Schulungsveranstaltung verweisen zu lassen, die fünf Wochen später stattfindet als die (teurere) ausgewählte Schulung (LAG Hessen v. 22.03.2017 – 16 TaBVGa 116/17).
Besonders sorgfältig sollte der Betriebsrat prüfen, ob er sich darauf einlässt, nicht im Tagungshotel zu übernachten und vielmehr nach Ende des Unterrichts nach Hause zu fahren. Zum einen stehen den eingesparten Übernachtungskosten höhere Fahrtkosten gegenüber. Zudem fallen durch die Nutzung des Seminarraums und die Zurverfügungstellung von Pausensnacks trotzdem Kosten an („Tagungspauschale“). Es muss auch geprüft werden, ob der durch die tägliche An- und Abreise bedingte Aufwand für den Seminarteilnehmer zumutbar ist. Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hält beispielsweise eine tägliche An- und Abreise zu einem 40 km entfernten Seminarort für nicht zumutbar (v. 31.05.2007 – 10 BV 59/07). Das Arbeitsgericht Düsseldorf hielt in einem Einzelfall eine (Pendel-)Fahrtzeit von mindestens einer Stunde für unzumutbar (v. 03.09.2004 – 12 BV 56/04).
Verweis auf falschen Zeitpunkt
Der Betriebsrat ist verpflichtet, bei der Auswahl der Schulungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Das heißt, er sollte seine Abwesenheit nicht dann planen, wenn sie betrieblich eigentlich dringend notwendig ist. So ist z.B. der Betriebsrat gehalten, in der Urlaubszeit auf die ausreichende Besetzung der Abteilungen zu achten. Das Gremium einer Einzelhandelskette sollte gegebenenfalls darauf verzichten, mehrere Mitglieder in der verkaufsstarken Vorweihnachtszeit zu einem Seminar zu entsenden.
Meint der Arbeitgeber, der Betriebsrat habe die besonderen Notwendigkeiten bei der zeitlichen Lage der ausgewählten Schulung nicht berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen, § 37 Abs. 6 Satz 5 BetrVG. In der Praxis geschieht dies schon allein aus Kostengründen nicht, denn der Arbeitgeber hat die Kosten der Einigungsstelle zu tragen, § 76a Abs. 1 BetrVG.
Teilnehmerzahl
Oft meint der Arbeitgeber „Einer reicht!“. Doch so einfach ist das nicht. Auf die Grundlagenschulungen können bzw. müssen alle Gremiumsmitglieder gehen, damit sie überhaupt handlungsfähig sind. Bei den Spezialschulungen kommt es drauf an. Angesichts der Vielfältigkeit und Vielgestaltigkeit der dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben ist zu ihrer sachgemäßen Erfüllung oft eine gewisse Aufgabenverteilung innerhalb des Gremiums und damit verbunden eine gewisse Spezialisierung einzelner Mitglieder unumgänglich. Dabei ist der Betriebsrat nicht auf das Wissen einer Person beschränkt! Ob und inwieweit eines oder mehrere Betriebsratsmitglieder über Spezialwissen verfügen müssen, hängt u.a. von der Größe und personellen Zusammensetzung sowie der Geschäftsverteilung des Betriebsrats ab (BAG v. 14.1.2015 – 7 ABR 95/12). Nimmt der Betriebsrat eine Aufgabenverteilung vor, so ist es nicht erforderlich, allen Betriebsratsmitgliedern auf den entsprechenden Sachgebieten eine besondere Schulung zukommen zu lassen. Vielmehr kommt in diesen Fällen eine intensivierende und vertiefende Vermittlung besonderer Spezialkenntnisse nur für solche Betriebsratsmitglieder in Betracht, die vom Betriebsrat gerade mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben betraut worden sind (BAG v. 14.1.2015 – 7 ABR 95/12). (I.H.)