Vorläufige personelle Maßnahmen
Kommentar zu § 100 BetrVG
Der Arbeitgeber kann eine personelle Einzelmaßnahme vorläufig durchführen, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist und zwar bevor sich der Betriebsrat geäußert hat oder wenn er seine Zustimmung verweigert hat, § 100 BetrVG. Allerdings muss er die Zustimmung des Betriebsrats dann nachträglich einholen oder vom Arbeitsgericht ersetzen lassen.
Liegen die Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 BetrVG vor, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat unverzüglich davon unterrichten, dass er eine vorläufige personelle Maßnahme durchführt. Der Betriebsrat kann bestreiten, dass die personelle Einzelmaßnahme vorläufig durchgeführt werden muss. Der Arbeitgeber darf die Maßnahmen dann nicht weiter durchführen. Will er es dennoch tun, muss er innerhalb einer Frist von drei Tagen beim Arbeitsgericht den Antrag stellen, das Gericht möge die fehlende Zustimmung des Betriebsrats ersetzen.
Hält sich der Arbeitgeber nicht an diese Vorschrift, kann der Betriebsrat von § 101 BetrVG Gebrauch machen.
Der Arbeitgeber muss den betroffenen Arbeitnehmer über die vorläufige personelle Maßnahme in Kenntnis setzen.
Wie ist der Betriebsrat zu beteiligen
Zur Personalplanung gehört auch, dass der Arbeitgeber beim Personalbedarf eventuelle Ausfälle durch Urlaub und/oder plötzlicher Erkrankung von Arbeitnehmern berücksichtigt und entsprechenden Bedarf in die Planung einrechnet. Auch ist dem Arbeitgeber bekannt, dass er vor jeder Einstellung oder Versetzung den Betriebsrat nach § 99 BetrVG anzuhören hat, der dann innerhalb einer Woche reagieren kann oder muss.
Trotz bester Planung kann aber einmal eine Situation eintreten, die den Arbeitgeber zwingt, sofort zu handeln, er die Wochenfrist zur Anhörung des Betriebsrats also nicht einhalten kann. Allerdings muss es dazu einen plausiblen und nachvollziehbaren Grund geben.
Beispiel:
In einem Restaurantbetrieb auf einer Messe fällt am Morgen vor Messebeginn der Koch aus. Der Arbeitgeber entschließt sich, einen Koch von einer Verleihfirma anzufordern, um die Bewirtung „retten“ zu können.
Im Grunde genommen handelt es sich bei derartigen Anlässen immer um nicht vorherplanbare Not- oder Ausnahmesituationen. Ein absichtlich zu knapp kalkulierter Personalbedarf ist keine Notsituation. Und auch dann, wenn die Anhörung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG versäumt wurde, kann eine bereits durchgeführte Einstellung oder Versetzung nicht im Nachgang damit „repariert“ werden, dass der Arbeitgeber sie für „dringlich“ erklärt.
Was muss geschehen, wenn der Arbeitgeber eine vorläufige personelle Maßnahme durchführen will?
Der Arbeitgeber kann in besonderen Fällen eine personelle Maßnahme durchführen, obwohl
- die Frist zur Anhörung des Betriebsrats noch nicht abgelaufen ist oder
- der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert hat.
Will er dies tun, muss er allerdings zwei Dinge beachten:
- Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat unverzüglich darüber informieren, dass er eine vorläufige personelle Maßnahme durchführt und
- der Arbeitgeber muss den betroffenen Arbeitnehmer über die Sach- und Rechtslage aufklären.
Schon die Bezeichnung „vorläufige personelle Maßnahme“ macht deutlich, dass der Fall noch geklärt werden muss und es durchaus auch dazu kommen kann, dass die personelle Maßnahme zurückgenommen werden muss.
Hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat mitgeteilt, dass er eine vorläufige personelle Maßnahme durchführt, hat der Betriebsrat die Möglichkeit, die Dringlichkeit unverzüglich zu bestreiten.
Da der Betriebsrat hierfür einen wirksamen Beschluss fassen muss, kann man im Alltag davon ausgehen, dass „unverzüglich“ an dieser Stelle innerhalb von drei Tagen bedeutet. Es muss ja erst einmal zu einer (ggf. außerordentlichen) Betriebsratssitzung geladen werden, diese dann durchgeführt und der Beschluss dem Arbeitgeber übermittelt werden.
Hat der Betriebsrat der Dringlichkeit widersprochen, darf der Arbeitgeber die vorläufige personelle Maßnahme nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb von 3 Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung beantragt, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Das Arbeitsgericht entscheidet dann, ob die Maßnahme erforderlich war oder nicht.
Bestätigt das Arbeitsgericht die Auffassung des Betriebsrats, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, muss der Arbeitgeber die personelle Maßnahme innerhalb von 2 Wochen wieder rückgängig machen bzw. einstellen. Folgt der Arbeitgeber diesem nicht, kommt für den Betriebsrat ein Verfahren nach § 101 BetrVG in Betracht.
Für den Betriebsrat empfiehlt es sich für den Fall einer Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht (oder die Gewerkschaft) als Rechtsbeistand hinzuzuziehen.
§ 100 - Vorläufige personelle Maßnahmen
Der Arbeitgeber kann, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, die personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 vorläufig durchführen, bevor der Betriebsrat sich geäußert oder wenn er die Zustimmung verweigert hat. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die Sach- und Rechtslage aufzuklären.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Bestreitet der Betriebsrat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, so hat er dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. In diesem Fall darf der Arbeitgeber die vorläufige personelle Maßnahme nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung beantragt, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Lehnt das Gericht durch rechtskräftige Entscheidung die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats ab oder stellt es rechtskräftig fest, dass offensichtlich die Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, so endet die vorläufige personelle Maßnahme mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung. Von diesem Zeitpunkt an darf die personelle Maßnahme nicht aufrechterhalten werden.