Wie viele Simultanübersetzer sind auf einer Betriebsversammlung „erforderlich“?

Blog – KW 2

Nach § 40 BetrVG trägt der Arbeitgeber die Kosten, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehen. Dazu gehören auch die Vorbereitung und Durchführung einer Betriebsversammlung. Allerdings besteht die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nur insoweit, als die entstehenden Kosten für die Durchführung der Betriebsversammlung erforderlich und verhältnismäßig sind. Gehören hierzu auch Dolmetscher, wenn ein Betrieb einen hohen Anteil an Beschäftigten mit Migrationshintergrund hat? Für alle Sprachen?

Hintergrund

Mit dieser Frage hat sich kürzlich das Landesarbeitsgericht Sachsen beschäftigt (v. 10.10.2023 – 2 TaBVGa 2/23). Dabei ging es um ein Unternehmen, in dem mehr als die Hälfte der über 1000 Mitarbeitern eine andere Muttersprache als Deutsch spricht. Der Betriebsrat verlangte, dass für Betriebsverssammlungen Simultan-Dolmetscher in Englisch, Arabisch, Tigrinisch, Polnisch und Persisch zur Verfügung gestellt werden. Diese Sprachen werden von den Arbeitnehmern, die nicht über hinreichende Deutschkenntnisse verfügen, am häufigsten gesprochen. Kosten: ca. 31.000 €. Dies sei erforderlich im Sinne des § 40 Abs.2 BetrVG, da sonst kein Austausch auf der Betriebsversammlung stattfinden könne und die Betroffenen wichtige Informationen nicht mitbekämen. Der Arbeitgeber sah das anders und die Sache landete vor Gericht, das im Sinne des Arbeitgebers entschied.

Entscheidung des Gerichts

Das Landesarbeitsgericht gibt dem Betriebsrat recht in dem Aspekt, dass der Arbeitgeber die Kosten für Dolmetscher nach § 40 Abs. 2 BetrVG grundsätzlich übernehmen muss. Aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) folgt aber, dass der Arbeitgeber nur die für eine sachgerechte Interessenwahrnehmung erforderlichen Kosten zu übernehmen hat.

Ein hoher Anteil von ausländischen Arbeitnehmern ist grundsätzlich ein sachlicher Grund dafür, dass der Betriebsrat zur Betriebsversammlung Dolmetscher hinzuzieht. Jedoch greift auch hinsichtlich dieser Dolmetschertätigkeit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein. Deren Beurteilung wird immer von den Umständen des Einzelfalls, also den besonderen Gegebenheiten des Betriebs, abhängen. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann das Landesarbeitsgericht nicht feststellen, dass die Beiziehung von den gewünschten Simultandolmetschern „erforderlich“ ist. Außerdem entschieden die Richter, dass, wenn es um viele und zudem exotische Sprachen geht, die Kosten unverhältnismäßig sein können. Der Betriebsrat muss vorab prüfen und darlegen, für wen die Übersetzung tatsächlich erforderlich ist. Denn: Der unstreitige Umstand, dass bestimmte ausländische Mitarbeiter die deutsche Sprache perfekt beherrschen, belege, dass man aus der Nationalität nicht automatisch darauf schließen könne, dass die Mitarbeiter keine ausreichenden Deutschkenntnisse hätten. Dies hatte hier nicht stattgefunden. Der Betriebsrat hatte vorab nicht geklärt, ob eventuell ausreichend Deutschkenntnisse vorhanden sind. Aufklärung hätte eine kleine Umfrage unter den ausländischen Mitarbeitern oder eine Fragebogenaktion gebracht.

Im Ergebnis entscheidet das Landesarbeitsgericht, dass die Kosten für das Simultan-Dolmetschen unverhältnismäßig sind. Denn: Selbst, wenn man hier die Erforderlichkeit der Simultanübersetzung bejahrt, wäre der Arbeitgeber verpflichtet, diese allen Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen und nicht nur in fünf Sprachen zu übersetzen. Außerdem gäbe es andere mögliche und kostengünstigere Wege der Information bzw. Übersetzung geben könne.

Die Entscheidung ist nicht unumstritten: Ist sie in einer Zeit des Fachkräftemangels und des steigenden Angewiesenseins auf nicht deutsche Mitarbeiter tatsächlich angemessen und zeitgemäß?

10. Januar 2024

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