Ist in dem Wahlausschreiben für eine Betriebsratswahl keine Uhrzeit angegeben, bis zu der am letzten Tag der zweiwöchigen Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen der Zugang von Vorschlagslisten beim Wahlvorstand bewirkt werden kann, dürfen die wahlberechtigten Arbeitnehmer davon ausgehen, dass der Wahlvorstand Vorkehrungen dafür trifft, bis 24:00 Uhr von eingereichten Vorstandslisten Kenntnis nehmen zu können. Ein vor 24:00 Uhr in den Briefkasten des Wahlvorstands eingelegter Wahlvorschlag ist dann noch rechtzeitig eingereicht.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28.04.2021 - 7 ABR 10/20
Was war passiert?
In dem Betrieb der Arbeitgeberin fand am 6. September 2018 eine Betriebsratswahl statt. Diese war mit Wahlausschreiben vom 4. Juli 2018 eingeleitet worden. Hier wurden die Mitarbeiter im Betrieb unter anderem aufgefordert, dem Wahlvorstand innerhalb von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens, also bis zum 18.07.2018, Wahlvorschläge einzureichen. Nähere Angaben zur Uhrzeit enthielt das Wahlausschreiben nicht.
Mit Schreiben vom 19. Juli 2018 bestätigte der Wahlvorstand dem Listenvertreter der Liste „Für dich & P“ die Einreichung der Vorschlagsliste am 19. Juli 2018 und teilte mit, die Liste sei ungültig, da sie verspätet eingereicht worden sei. Er habe erst am 19. Juli 2018 die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der Liste gehabt.
Nach der Wahl ohne Teilnahme der „Für dich & P“ hatte eine im Betrieb der Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft die Wahl mit fristgemäßem Antrag angefochten. Sie meint, die Vorschlagsliste sei zu Unrecht nicht zur Wahl zugelassen worden. Die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen habe am 18. Juli 2018 um 24:00 Uhr geendet. Gegen 21:00 Uhr hätten zwei Wahlberechtigte beim Wahlvorstand ihre Liste einreichen wollen. Da nach 19:00 Uhr, wie im Betrieb üblich, kein Arbeitnehmer mehr im Betrieb war, war auch niemand mehr im Wahlbüro. Die Wahlberechtigten hätten daraufhin den Wahlvorschlag gegen 22:00 Uhr in den Briefkasten an der im Wahlausschreiben angegebenen Anschrift eingelegt, so die Gewerkschaft.
Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin haben beantragt, den Antrag der Gewerkschaft abzuweisen. Sie sind der Ansicht, die Vorschlagsliste sei vom Wahlvorstand zu Recht für ungültig gehalten und nicht zur Wahl zugelassen worden. Auf den Zugang des Wahlvorschlags fänden die allgemeinen Grundsätze für den Zugang von Willenserklärungen Anwendung. Der Zugang sei dementsprechend erst dann bewirkt, wenn nach den gewöhnlichen Verhältnissen für den Wahlvorstand die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der Vorschlagsliste bestehe.
So entschied das Gericht
Das Bundesarbeitsgericht sah die Sache ähnlich die wie die anfechtende Gewerkschaft: Wenn die Vorschlagsliste am 18.07.2018 vor 24:00 Uhr unter der vom Wahlvorstand angegebenen Anschrift in den Briefkasten eingelegt wurde, war das noch rechtzeitig. Für das Einreichen von Vorschlagslisten gilt nach § 6 I 2 WO eine Frist von zwei Wochen. Die Berechnung dieser Frist richtet sich nach §§ 186 ff. BGB. Danach endet die Frist mit Ablauf des Tages – also 24:00 Uhr – der letzten Woche, welche durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem das Wahlausschreiben erlassen wurde. Allerdings gibt es eine Ausnahme: Der Wahlvorstand kann die Möglichkeit zur Einreichung von Wahlvorschlägen am letzten Tag der Frist auf das Ende der Arbeitszeit im Betrieb oder auf das Ende der Dienststunden des Wahlvorstands begrenzen, wenn dieser Zeitpunkt nicht vor dem Ende der Arbeitszeit der Mehrheit der Arbeitnehmer liegt (BAG v. 16. Januar 2018 – 7 ABR 11/16). Dies muss durch eine entsprechende Uhrzeitangabe im Wahlausschreiben geschehen. Macht der Wahlvorstand von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, ist eine Vorschlagsliste, die in einem vom Wahlvorstand genutzten Briefkasten bis 24:00 Uhr am letzten Tag der Frist eingeworfen wird, rechtzeitig eingereicht. Da in diesem Fall der Wahlvorstand im Wahlausschreiben keine Uhrzeit angegeben hat, durften die zur Einreichung von Wahlvorschlägen Berechtigten davon ausgehen, dass der Wahlvorstand Vorkehrungen trifft, die eine Einreichung von Wahlvorschlägen bis 24:00 Uhr zulassen.
Praxishinweis:
Nach der in dem Beschluss zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist es dem Wahlvorstand erlaubt, das Fristende am letzten Tag abweichend von der üblichen Fristberechnung, die zu einem Fristende um 24 Uhr führt, stundenmäßig vorzuverlegen. Diese praxisnahe Möglichkeit wird dem Wahlvorstand nach der aktuellen Änderung der Wahlordnung nun auch gesetzlich ausdrücklich eingeräumt, § 41 Abs. 2 WO.