Betriebsratswahl 2022: Sind Online-Wahlen zulässig?

Die anhaltenden Bedingungen, um die Corona-Pandemie einzudämmen, stellen die Arbeitswelt – und damit auch den Betriebsrat – immer wieder vor neue Herausforderungen. Doch der Gesetzgeber denkt mit: Sowohl das neue Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz) als auch der neue § 129 BetrVG (Virtuelle Betriebsversammlungen) eröffnen alternative Wege zu Erledigung bestimmter Betriebsratstätigkeiten. Doch was ist mit den anstehenden Betriebsratswahlen? Gibt es auch hier Möglichkeiten, auf die Pandemieauswirkungen zu reagieren?

Dass die gesamten Betriebsratswahlen online digital ablaufen, ist derzeit nicht denkbar. Anders sieht es jedoch hinsichtlich einzelner Schritte des Verfahrens aus. Hier einige Beispiele:

Bestellung des Wahlvorstands

Die Einrichtung des Wahlvorstands ist der erste der zahlreichen Schritte hin zur Betriebsratswahl. Nach dem Gesetz wird dieser entweder durch den bisherigen Betriebsrat bestellt (§ 16 BetrVG, § 17 I, II BetrVG) oder, wenn es noch keinen Betriebsrat gibt, in einer Betriebsversammlung (§ 17 BetrVG) gewählt. Nach § 129 BetrVG können diese Versammlungen bis zum Ablauf des 19. März 2022 auch mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass nur teilnahmeberechtigte Personen Kenntnis von dem Inhalt der Versammlung nehmen können. Diese Vorschrift beschränkt sich jedoch auf Versammlungen nach den §§ 42, 53 und 71 BetrVG. Auch § 1 Abs. 4 Nr. 1 Wahlordnung (WO) schließt eine virtuelle Durchführung von Wahlversammlungen ausdrücklich aus. Der Wahlvorstand kann also nicht online gewählt werden. Anders bei der Bestellung durch den bisherigen Betriebsrat. Nach dem neuen § 30 Abs. 2 BetrVG sind Betriebsratssitzungen unter den Voraussetzungen der Nummern 1-3 mittels Video- und Telefonkonferenz zulässig. Hier kann der Beschluss zur Bestellung eines Wahlvorstands gefasst werden.

Sitzungen des Wahlvorstands

Nach § 1 Abs. 4 (WO) kann der Wahlvorstand beschließen, dass die Teilnahme an einer nicht öffentlichen Sitzung des Wahlvorstands mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen kann. Es muss sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Dies kann gewährleistet werden durch technische Maßnahmen (z. B. eine verschlüsselte Verbindung) wie organisatorische Maßnahmen (z. B. Nutzung eines nichtöffentlichen Raums). Eine Aufzeichnung der Sitzung ist unzulässig. Die mittels Video- und Telefonkonferenz Teilnehmenden bestätigen ihre Teilnahme gegenüber der oder dem Vorsitzenden in Textform. Die Bestätigung ist der Niederschrift beizufügen.

Unterrichtung ausländischer Kolleginnen und Kollegen

Nach § 2 Abs. 5 WO soll der Wahlvorstand dafür sorgen, dass ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, vor Einleitung der Betriebsratswahl über Wahlverfahren, Aufstellung der Wähler- und Vorschlagslisten, Wahlvorgang und Stimmabgabe in geeigneter Weise unterrichtet werden. Hier können digitale Möglichkeiten wie z.B. E-Mails oder Intranet eingesetzt werden, wenn sichergestellt ist, dass die betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch tatsächlich auf diesem Wege erreicht werden können.

Bekanntmachungen durch den Wahlvorstand

Grundsätzlich sieht die Wahlordnung Bekanntmachungen in elektronischer Form vor, so z.B. bei der Wählerliste, § 2 Abs. 4 WO. Hier ist allerdings nur davon die Rede, dass der Abdruck „ergänzend“ mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnik bekannt gemacht werden darf. Die Bekanntmachung ausschließlich in elektronischer Form ist nur zulässig, wenn alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Bekanntmachung Kenntnis erlangen können und Vorkehrungen getroffen werden, dass Änderungen der Bekanntmachung nur vom Wahlvorstand vorgenommen werden können. Dasselbe gilt beim Wahlausschreiben (§ 3 Abs. 4 WO), bei den Vorschlagslisten (§ 10 Abs. 2 WO) und bei der Bekanntmachung der Gewählten (§ 18 Satz 2 WO).

Digitale Stimmabgabe

Nach dem Gesetz erfolgt die Stimmabgabe in Präsenz durch die persönliche Abgabe von Stimmzetteln oder durch Briefwahl. Mit der Frage, ob darüber hinaus auch Online-Wahlen zulässig sind, hat sich beispielsweise das Landesarbeitsgericht Hamburg beschäftigt und mit seinem Beschluss vom 15.2.2018 (8 TaBV 5/17) entschieden: Die Durchführung einer Online-Wahl verstößt in grober und offensichtlicher Weise gegen die Bestimmungen der Wahlordnung. Das Gesetz sieht kein Onlinewahlverfahren vor, weder im BetrVG noch in der Wahlordnung. Insbesondere aus § 26 I WO, der die Zusammenführung der vor Ort abgegebenen Stimmen und der Briefwahlstimmen vor der Auszählung zwingend vorschreibt, ergibt sich, dass eine weitere Form der Stimmabgabe nicht vorgesehen ist. Eine Auslegung der entsprechenden Vorschrift dahingehend, die Stimmabgabe online zuzulassen, ist nicht möglich. Wird die Wahl dennoch (auch) mittels einer Online-Wahl durchgeführt, ist sie nichtig.

Digitale Stimmauszählung

Auch eine digitale Stimmauszählung erlaubt das Gesetz nicht. Aus obengenannter Entscheidung geht hervor, dass dadurch das Prinzip der einheitlichen Urne gem. § 26 I WO 2001 verletzt wird. Nach dieser Vorschrift müssen außerdem die Wahlumschläge der Briefwähler vor Beginn der Auszählung in die Wahlurne gelegt werden. Es drohen daher Rückschlüsse auf das Abstimmungsverhalten bestimmter Personengruppen. Darüber hinaus lässt auch der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 WO keinen Hinweis auf digitale Alternativen zu: „Nach Öffnung der Wahlurne entnimmt der Wahlvorstand die Stimmzettel und zählt die auf jede Vorschlagsliste entfallenden Stimmen zusammen.“

Allgemeine Briefwahl

Grundsätzlich sind Briefwahlen zulässig. Es muss jedoch einer der Fälle des § 24 WO vorliegen. Danach ist eine schriftliche Stimmabgabe möglich für Wahlberechtigte, die im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert sind, ihre Stimme persönlich abzugeben sowie für Wahlberechtigte, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses (z.B. Heimarbeit) oder aus anderen Gründen, insbesondere bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder Arbeitsunfähigkeit, voraussichtlich am Wahltag nicht im Betrieb anwesend sein werden. Auch für Betriebsteile und Kleinstbetriebe, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, kann der Wahlvorstand die schriftliche Stimmabgabe beschließen, § 24 Abs. 3 WO. Ordnet der Wahlvorstand darüber hinaus generell für alle Wahlberechtigten die schriftliche Stimmabgabe an, so liegt ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren vor, so z.B. LAG Niedersachsen v. 09.03.2011 - 17 TaBV 41/10.

19. Januar 2022

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