
Auch die Gerichte beschäftigen sich immer wieder mit Fällen rund um die Bestellung des Wahlvorstands. Hier berichten wir von einer aktuellen Entscheidung des Arbeitsgerichts Lingen vom 19.03.2021 (1 BV 1/21). Dort hieß es: Kann aufgrund einer Pandemie (SARS-CoV-2) eine Betriebsversammlung nicht stattfinden, bestellt das Arbeitsgericht auf Antrag von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern auch dann einen Wahlvorstand für die Wahl eines Betriebsrates, wenn die antragstellenden Arbeitnehmer nicht zuvor zu einer Betriebsversammlung eingeladen hatten.
Was war passiert?
Die Antragstellerinnen begehren die Bestellung eines Wahlvorstandes zur Durchführung einer Betriebsratswahl im Betrieb des Arbeitgebers. Der Betrieb beschäftigt ca. 190 Arbeitnehmer.
Da es bisher im Betrieb noch keinen Betriebsrat gab, hätten die Antragstellerinnen eigentlich nach § 17 BetrVG zu einer Betriebsversammlung einladen müssen, auf der der Wahlvorstand dann bestellt worden wäre. Aufgrund der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen konnte eine solche Betriebsversammlung jedoch nicht stattfinden. Die Antragstellerinnen baten stattdessen in einem an alle Kolleginnen und Kollegen gerichteten Schreiben um eine entsprechende Info, wenn jemand Interesse an der Mitarbeit in einem Wahlvorstand haben sollte.
Die Antragstellerinnen beantragten vor dem Arbeitsgericht, dieses solle zur Durchführung der Betriebsratswahl einen aus drei Personen bestehenden Wahlvorstand bestellen. Mit Erfolg!
So entschied das Gericht
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag entsprochen und bestellte den Wahlvorstand. Mit folgender Begründung: Nach dem Gesetz kann das Arbeitsgericht auf Antrag von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft einen Wahlvorstand bestellen - jedoch nur dann, wenn trotz Einladung keine Betriebsversammlung stattfindet oder die Betriebsversammlung keinen Wahlvorstand wählt, § 17 Abs. 4 BetrVG. Im vorliegenden Fall fehlte es allerdings bereits an der Einladung. Auf diese kann grundsätzlich auch nicht verzichtet werden (BAG vom 26.02.1992 - 7 ABR 37/91). Hier liegt jedoch eine Ausnahmesituation vor, so die Entscheidung: Wegen der Corona-Pandemie herrschten bereits seit einiger Zeit erhebliche Kontaktbeschränkungen. Um Gesundheitsbeeinträchtigungen zu vermeiden, waren Menschenansammlungen jeder Art zu vermeiden. Entsprechend war es weder möglich noch zumutbar, verantwortungsvoll eine Betriebsversammlung durchzuführen, an der 190 Personen gleichzeitig in einem Raum teilnehmen. In einem solchen besonderen Fall war die Einladung zu einer Betriebsversammlung entbehrlich, so das Gericht.