Die wichtigsten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) für Betriebsräte 2024

Bundesarbeitsgericht

Im vergangenen Jahr hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt wieder einige Entscheidungen getroffen, die auch für die Praxis von Betriebsräten und anderen Interessenvertretern (z.B. SBV) interessant und wichtig sind. Wie relevantesten wollen sie hier noch einmal in Erinnerung rufen. 

Sozialplanabfindung – und die Stichtagsregelung 

Eine Regelung, dass der Sozialplan nur für Arbeitnehmer gilt, die an einem bestimmten Stichtag in einem Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin standen, ist wirksam (BAG v. 30.01.2024 - 1 AZR 62/23). 

Betriebsverfassungsrechtlicher Schulungsanspruch - Webinar statt Präsenzschulung? 

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) haben Betriebsräte Anspruch auf für die Betriebsratsarbeit erforderliche Schulungen, deren Kosten der Arbeitgeber zu tragen hat. Davon können Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein auswärtiges Präsenzseminar auch dann erfasst sein, wenn derselbe Schulungsträger ein inhaltsgleiches Webinar anbietet (BAG v. 7. 02. 2024 – 7 ABR 8/23). 

Drohende Kettenbefristung verhindert Vertragsverlängerung 

Trotz Schwerbehinderung kein neuer Vertrag: Das BAG hat die Entscheidung einer Hochschule bestätigt, Bewerber, bei denen aufgrund von früheren Verträgen eine unzulässige Kettenbefristung drohte, vom Auswahlverfahren auszuschließen. Öffentliche Arbeitgeber müssten nicht sehenden Auges rechtswidrig handeln. (BAG v. 29.2.2024 – 8 AZR 187/23). 

Auch symptomlose Corona-Infektion ist eine Krankheit 

Eine SARS-CoV-2-Infektion stellt auch bei einem symptomlosen Verlauf eine Krankheit dar. Diese führt zur Arbeitsunfähigkeit, wenn es dem Arbeitnehmer in Folge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich ist, die geschuldete Tätigkeit bei dem Arbeitgeber zu erbringen und eine Arbeitsleistung in der häuslichen Umgebung nicht in Betracht kommt (BAG v. 20.03.2024 - 5 AZR 234/23). 

Kein Urlaubsverfall bei Mutterschutz und anschließender Elternzeit 

Während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote und der Elternzeit verfällt weder zuvor nicht genommener noch während dieser Zeiten erworbener Urlaub (BAG v. 16.4.2024 – 9 AZR 165/23). 

Duschen kann vergütungspflichtige Arbeitszeit an – Es kommt auf die Tätigkeit an 

Körperreinigungszeiten sind als vergütungspflichtige Arbeitszeit anzusehen, wenn sie mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängen bzw. wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann (BAG v. 23.4.2024 – 5 AZR 212/23). 

Betriebsratswahl: Auch kleinere Gremien, als im Gesetz geregelt, sind möglich 

Ein Betriebsrat kann auch gewählt werden, wenn weniger Wahlbewerber zur Verfügung stehen als Betriebsratssitze zu besetzen sind. Das folgt aus dem in § 1 I 1 BetrVG ausgedrückten gesetzgeberischen Leitbild, dass in betriebsratsfähigen Betrieben Betriebsräte auch errichtet werden (BAG v. 24.04.2024 - 7 ABR 26/23). 

Altersgrenze – Wiedereinstellung 

Die Wiedereinstellung eines Bewerbers, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund einer tarifvertraglichen Altersgrenze beendet wurde, kann wegen seines Alters abgelehnt werden, falls ein jüngerer, qualifizierter Bewerber zur Verfügung steht. Dies entspricht dem mit der Altersgrenze verfolgten Ziel der ausgewogenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen (BAG v. 25.04.2024 – 8 AZR 140/23). 

Quarantäne ist Urlaub zuhause - BAG bestätigt EuGH-Rechtsprechung 

Ein Arbeitnehmer, der während des bezahlten Urlaubs eine behördlich angeordnete häusliche Quarantäne einzuhalten hatte, ohne erkrankt zu sein hat keinen Anspruch auf Nachgewährung des Erholungsurlaub (BAG v. 28.05.2024 - 9 AZR 76/22). 

Befristung zur Vertretung – und die Arbeitsunfähigkeit des Vertreters 

Die Befristung eines Arbeitsvertrags ist zulässig, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Steht bereits bei Vertragsabschluss fest, dass der Vertreter während der gesamten Dauer des befristeten Arbeitsvertrags die von ihm geschuldete Arbeitsleistung wegen Arbeitsunfähigkeit nicht wird erbringen können und ist dies dem Arbeitgeber bekannt, kann der Sachgrund der Vertretung vorgeschoben und die Befristung unwirksam sein (BAG v. 12.6.2024 – 7 AZR 188/23). 

Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Arbeitsverhältnis  

Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch einen Medizinischen Dienst (MDK), der von einer gesetzlichen Krankenkasse mit der Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten beauftragt worden ist, kann auch dann zulässig sein, wenn es sich bei dem Versicherten um einen eigenen Arbeitnehmer des MDK handelt. Ein Arbeitgeber, der als MDK Gesundheitsdaten eines eigenen Arbeitnehmers verarbeitet, ist nicht verpflichtet zu gewährleisten, dass überhaupt kein anderer Beschäftigter Zugang zu diesen Daten hat (BAG v. 20.6.2024 – 8 AZR 253/20).  

Ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats zur Eingruppierung 

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat bei der beabsichtigten Eingruppierung eines Arbeitnehmers grundsätzlich von sich aus über alle Faktoren unterrichten, die im Zusammenhang mit der Einreihung in die betriebliche Vergütungsordnung zu einem unterschiedlichen Entgelt führen können (BAG v. 16.7.2024 – 1 ABR 25/23). 

Keine Headset-Pflicht ohne Mitbestimmung 

Ein Headset-System, das es den Vorgesetzten ermöglicht, die Kommunikation unter Arbeitnehmern mitzuhören, ist eine technische Einrichtung, die zur Überwachung der Arbeitnehmer nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestimmt ist. Seine Einführung und Nutzung unterliegt auch dann der betrieblichen Mitbestimmung, wenn die Gespräche nicht aufgezeichnet oder gespeichert werden (BAG v. 16.07.2024 – 1 ABR 16/23). 

Überwachung und Einholung von Gesundheitsdaten durch Detektei 

Hat der Arbeitgeber Zweifel am Vorliegen einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit und möchte er den Arbeitnehmer deshalb durch Detektive beobachten lassen, kann die daraus folgende Verarbeitung von Gesundheitsdaten im datenschutzrechtlichen Sinn nur erforderlich sein, wenn der Beweiswert der vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert und eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse nicht möglich oder erfolgversprechend ist (BAG v. 25.7.2024 – 8 AZR 225/23). 

Feiertagszuschläge – Entscheidend ist der regelmäßige Beschäftigungsort  

Für Beschäftigte, die unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) fallen, richtet sich der Anspruch auf Feiertagszuschläge danach, ob am regelmäßigen und nicht am tatsächlichen Beschäftigungsort ein gesetzlicher Feiertag ist (BAG v. 01. 08 2024 – 6 AZR 38/24). 

Teilfreigestelltes Betriebsratsmitglied - Vergütung 

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass ein Betriebsratsmitglied Anspruch auf Wechselschichtzulagen und Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Rufbereitschaft hat, auch wenn es seine Betriebsratstätigkeit zu Zeiten erbringt, die nicht zuschlagspflichtig sind (BAG v.28.08.2024 – 7 AZR 198/23) 

AGG: Keine Entschädigung für männlichen Bewerber auf Stelle als "Sekretärin" 

Ein Wirtschaftsrechtsstudent bewarb sich erfolglos auf eine Stelle als "Sekretärin" und verlangte dann eine AGG-Entschädigung. Die bleibt ihm aber wegen Rechtsmissbrauchs versagt, da er solche Bewerbungen systematisch und zielgerichtet betrieb, um Entschädigungen zu generieren (BAG v. 19.9.2024 – 8 AZR 21/24) 

Briefwahl wegen Homeoffice und Kurzarbeit 

Für die Wahl des Betriebsrats kann der Wahlvorstand denjenigen Arbeitnehmenden, von denen ihm bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl wegen vorübergehender mobiler Arbeit oder wegen Kurzarbeit voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden, die Unterlagen für eine schriftliche Stimmabgabe ohne einen entsprechenden Antrag übersenden (BAG v. 23.10.2024 - 7 ABR 34/23). 

Job als Gleichstellungsbeauftragte: Das kann nur eine Frau 

Zweigeschlechtliche Personen haben im öffentlichen Dienst in Schleswig-Holstein keine Möglichkeit, Gleichstellungsbeauftragte zu werden. Das BAG hält die Beschränkung auf Frauen im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Auftrag der Frauenförderung für gerechtfertigt. Begründung: Der schleswig-holsteinische Gesetzgeber will ausdrücklich nur Frauen mit den Aufgaben einer Gleichstellungsbeauftragten betrauen und betrachte das weibliche Geschlecht als wesentliche, entscheidende und angemessene berufliche Anforderung für diese Arbeit (BAG v. 17.10.2024 - 8 AZR 214/2). 

Keine Mitbestimmung bei der Vergütung von freigestellten Betriebsräten 

Die Erhöhung des Arbeitsentgelts eines von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellten Betriebsratsmitglieds nach § 37 Abs. 4 oder § 78 Satz 2 BetrVG unterliegt nicht der Mitbeurteilung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG (BAG v. 26.11.2024 - 1 ABR 12/23

  • Kongress “Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)” Sommer 2025

              Zum Kongress

  • Kongress “Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)” Herbst 2025

Zum Kongress

  • Bundesarbeitsgericht aktuell

              Zum Seminar

10. Januar 2025

Haben Sie Fragen zu unseren Seminaren und Kongressen oder rund um aas? Rufen Sie uns an
0209 165 85 - 0
oder nutzen Sie unser Kontaktformular

Zum Kontaktformular
MA JT Kontakt 400

für BR, PR, JAV und SBV

Mit dem aas-Newsletter informieren wir Sie regelmäßig über interessante Neuigkeiten. Dabei erfahren Sie mehr über aktuelle Gerichtsentscheidungen, wichtige gesetzliche Änderungen und interessante aas-Seminarangebote.

Bitte bestätigen Sie den Hinweis zum Datenschutz

* Pflichtfelder