
"Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung." Das haben vor über 2000 Jahren schon die alten Griechen gewusst – und es war nie aktueller als heute. Veränderungen sind unvermeidbar und Teil unseres (Berufs-) Lebens: Von Digitalisierung, über Globalisierung, Home-Office, künstliche Intelligenz bis hin zu Veränderungen in unseren täglichen Arbeitsabläufen. Die Informationsflut wird größer, die Verlässlichkeit des Umfelds nimmt ab. Change-Management versucht dafür eine Formel zu finden, indem wir diese Herausforderungen annehmen und aktiv gestalten, anstatt sie zu ignorieren. Wir haben mit unserem Referenten und Experten Winfried Brötling über dieses Thema gesprochen.
Veränderungen ja, gerne, aber inzwischen hat man das Gefühl, es verändert sich alle fünf Minuten etwas. Warum ist alles so schnelllebig geworden?
Das lässt sich am besten mit dem VUCA-Phänomen erklären. Die Welt ist „VUCA“ geworden: volatil (unbeständig), unsicher, komplex und ambiguös (zweideutig). Volatil, indem wir drastischere Schwankungen erleben, z.B. an der Börse oder auch in politischen Umfeldern. Es gibt Wahlkonstellationen und Stimmenverschiebungen, die früher kaum denkbar waren. Unsicher, indem wir z.B. einen Krieg vor der Haustür haben und eine nie vorstellbare Pandemie durchlebten. Komplex, indem wir immer neue Technologien kennenlernen, bis hin zur kaum greifbaren künstlichen Intelligenz. Und ambiguös, indem wir widersprüchliche Informationen erhalten, die uns verwirren. Eine Wetter-App sagt, das Wetter bleibt gut, die andere zeigt uns Regen. Faktum: Es ist so und wird vermutlich so bleiben. Wir benötigen eine Strategie dafür.
Mal auf das Arbeitsleben bezogen: Welche Rolle spielt der Betriebsrat bzw. Personalrat bei dieser Sache?
Viele Veränderungen, die Unternehmen ergreifen, führen direkt an den Arbeitsplatz der Mitarbeitenden. Personalabbau, Arbeitsverdichtungen, Streichungen von Berichtsebenen, Outsourcing. Hier ist der Betriebsrat oder auch der Personalrat in seiner Schutzfunktion gefragt und kann eine Rolle spielen. Das funktioniert aber nur unter der Voraussetzung, dass der Betriebsrat/Personalrat entsprechende Kompetenzen hat und ein ernstzunehmender Mitspieler auf Augenhöhe mit der Geschäftsleitung ist. Veränderungen sind notwendig, da kommen wir nicht drum rum. Wir sollten sie aber bestmöglich umsetzen. Und hier sollten Interessenvertretung und auch Geschäftsleitung wissen, wie es geht. Denn was bringen uns Veränderungen, wenn sie keiner mitmacht?
Du sprichst von Kompetenzen. Welche sollte der Betriebsrat bzw. Personalrat denn haben?
Zum einen müssen sie vorbereitet sein. Erinnern wir uns an die Ankündigung vor ein paar Monaten von VW, zigtausende Arbeitsplätze zu streichen und Kosten zu sparen. Wenn ich erst in solch einer überraschenden, unerwarteten Situation beginne mich schlau zu machen, habe ich bereits verloren. Denn ich kann nicht auf Augenhöhe agieren. Wichtig ist es, von Anfang an mit gutem Verhandlungsgeschick auf Augenhöhe mit der Geschäftsleitung zu sprechen und zu verhandeln. Ja, verhandeln ist ein Talent, aber es hat viele, viele Komponenten, die jeder lernen kann. Kommunikation an die Belegschaft ist wichtig. In solchen Situationen ist die Verunsicherung groß, Gerüchte schießen aus dem Boden. Hier müssen wir perfekt formulieren und auftreten, unsere Belegschaft mitnehmen und hinter uns bringen. Konflikte finden in unsicheren Zeiten guten Nährboden. Im Gremium, in der Belegschaft, mit dem Arbeitgeber. Sie kosten unnötig, Zeit, Geld und Stress. Wir sollten wissen, wie wir sie vermeiden oder schnell lösen können.
Können Betriebsräte/Personalräte etwas tun, um Mitarbeitende der Belegschaft, die nun direkt von den Auswirkungen (Jobverlust, etc.) betroffen sind, zu helfen?
Ich denke, ja - das geht. Wir müssen nur wissen wie. Menschen, die negative Erlebnisse erleben, gehen durch die Veränderungskurve (Trauerkurve, Tal der Tränen). Zuerst wollen sie die Konsequenz nicht akzeptieren, fordern uns auf, für sie einzutreten, machen uns mit ihrem Schicksal betroffen. Wie schaffen wir nun, für die Betroffenen dazu sein, ohne uns ihr Leid auf die eigenen Schultern zu heben? Wir können die Betroffenen nicht vor Schicksalsschlägen bewahren, dennoch benötigen sie Hilfe. Hier können wir Elemente des „Coachings“ beherzigen. Die Rolle eines Coaches einzunehmen, hilft uns, in der richtigen Situation das richtige zu tun, ohne dabei selbst zu verschleißen und trotzdem dem anderen das Durchschreiten des Tals der Tränen zu erleichtern. Haltung, Tools und Techniken können erlernt werden. Letztlich hilft es der eigenen Gesundheit, wie auch der der Betroffenen.
Welche Erfahrungen hast du in Veranstaltungen über Change-Management mit Betriebsräten und Personalräten gemacht?
Es waren bisher zwei Ereignisse, die mich sehr motiviert haben, hier am Ball zu sein. Zum einen haben wir in 2024 das erste aas-Change Management-Seminar gehalten und die oben geschriebenen Kompetenzen trainiert. Die Motivation der Gruppe (im Seminar und auch den Rahmenaktivitäten) war faszinierend. Alle waren überrascht von der Bedeutung des Themas und den eigenen Erkenntnissen. Das Seminar schloss mit einer Durchschnittsbewertung von 1,0 bei 10 Teilnehmenden ab. Zum zweiten war Change-Management ein Workshop-Thema beim aas-Gesundheitskongress letzte Woche in Wernigerode. Auch hier waren die Workshops hoch spannend, das Feedback sehr positiv. Die Bedeutung und die Auswirkungen des Themas auf so vielen Ebenen – so auch Gesundheit – ist auch hier erkannt worden.
Das sind wunderbare Feedbacks zu deinen und unseren Veranstaltungen! Vielen Dank für das Interview.
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