
Ein nach § 38 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied hat nur dann Anspruch auf Zuschläge wegen Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit sowie auf eine Rufbereitschaftspauschale, wenn es die Betriebsratsarbeit auch unter den erschwerten Bedingungen erbringt.
Führt es die Betriebsratstätigkeiten hingegen ausschließlich zu üblichen Bürozeiten von Montag bis Freitag aus, stehen ihm die Zulagen nicht zu, auch wenn es vor der Freistellung entsprechend gearbeitet und Zuschläge erhalten hat.
LAG Hessen Urt. v. 13.6.2023 – 12 Sa 1293/22
Das ist passiert
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hessen befasst sich mit der Frage, ob freigestellte Betriebsratsmitglieder weiterhin Anspruch auf Schichtzulagen haben. Der Kläger, ein freigestelltes Betriebsratsmitglied, forderte, dass ihm auch in seiner jetzigen Position Zulagen für Schichtarbeit gezahlt werden, welche er zuvor im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit erhalten hatte, obwohl er seine Betriebsratstätigkeit während regulärer Bürozeiten ausgeübt hatte.
Das entschied das Gericht
Das Gericht entschied, dass freigestellte Betriebsratsmitglieder keinen Anspruch auf Schichtzulagen haben, wenn sie ihre Tätigkeit nicht zu ungünstigen Zeiten wie in Wechselschicht, nachts oder an Feiertagen ausführen. Der Kernpunkt des Urteils ist, dass Schichtzulagen für tatsächliche Erschwernisse gezahlt werden, die durch die Arbeit zu diesen ungünstigen Zeiten entstehen. Da der Kläger seine Betriebsratstätigkeit zu üblichen Geschäftszeiten ausübte, waren diese Erschwernisse nicht mehr gegeben. Daher entfällt auch der Anspruch auf entsprechende Zulagen.
Nach dem Lohnausfallprinzip gemäß § 37 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wird zwar das reguläre Arbeitsentgelt für Betriebsratstätigkeiten weitergezahlt, jedoch nur für jene Zeiten, in denen tatsächlich zu den entsprechenden erschwerten Bedingungen gearbeitet würde. Das Gericht stellte klar, dass die Verlegung der Betriebsratstätigkeit in übliche Bürozeiten eine bewusste Entscheidung des Klägers war und dass er theoretisch seine Tätigkeit auch zu ungünstigen Zeiten hätte ausüben können. Somit trug er die Verantwortung für den Wegfall der Zulagen selbst.
Praxishinweis
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der nächsten Instanz ist abzuwarten, denn bei dem Ergebnis dieses Urteils bleibt ein Unbehagen zurück. Es könnte eine Verletzung des Benachteiligungsverbots nach § 78 S. 2 BetrVG vorliegen. Nach Meinung von Experten wird hier die durch § 37 Abs. 2 BetrVG bezweckte Förderung der Bereitschaft zur Übernahme eines Betriebsratsamtes nicht hinreichend berücksichtigt. Betriebsratsmitglieder sollten keine Sorgen vor Einkommenseinbußen haben müssen. Für Arbeitnehmende, die regelmäßig solche Zuschläge erhalten, gehören diese zu ihrem regulären Einkommen. Wenn Ansprüche auf Zuschläge bei der Freistellung eines Betriebsrats wegfielen, so würde dies dem Zweck des § 37 Abs. 2 BetrVG widersprechen. Der Kläger hätte, wenn er nicht freigestellt wäre, im Wechselschichtsystem gearbeitet, und somit die entsprechenden Zuschläge verdient.