
Hintergrund
Eine Betriebsänderung liegt nach § 111 Satz 3 BetrVG vor, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil stillgelegt, eingeschränkt oder mit einem anderen Betrieb zusammengeschlossen wird, wenn ein Betrieb aufgespalten wird oder der Betriebszweck oder die Betriebsorganisation geändert oder grundlegend neue Arbeitsmethoden eingeführt werden. Dies gilt, wenn die Änderung wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben kann. Das BetrVG definiert den Begriff der Betriebsänderung nicht direkt. § 111 Satz 3 BetrVG nennt jedoch fünf Beispielsfälle, bei denen das Vorliegen einer Betriebsänderung angenommen wird und zwar bei
- Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
- Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
- Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
- grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
- Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.
Diese Veränderungen treten in der Regel plötzlich auf, sind offensichtlich und werden innerhalb eines abgegrenzten kurzen Zeitraums durchgeführt. Sie beruhen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) (v. 28. 3. 2006 - 1 ABR 5/05) auf einer einheitlichen unternehmerischen Planung.
Schleichende Betriebsänderung
Die Zeiten haben sich geändert. Aufgrund technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Entwicklungen – Stichwort Digitalisierung – verändern sich Unternehmen und Betriebe anders, als es bis vor einiger Zeit noch üblich war. Schleichende Betriebsänderungen sind nicht mehr eindeutig als Teil einer Gesamtplanung zu erkennen. Es können vielmehr Veränderungen schrittweise nacheinander erfolgen, sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und schlimmstenfalls sogar unbemerkt stattfinden. Dies kann beispielsweise bei Änderungen in Arbeitsabläufen, Arbeitszeiten oder Aufgabenverteilung, Digitalisierung von Prozessen, dem Einführen agiler Arbeitsformen sowie der Mobilisierung und Automatisierung von Arbeit der Fall sein.
Herausforderung für den Betriebsrat
Es ist sehr schwierig, schleichende Betriebsänderungen frühzeitig zu identifizieren und die Mitbestimmungsrechte der §§ 111, 112 BetrVG wahrzunehmen. Um zu verhindern, dass die nicht entdeckte Betriebsänderung ohne Interessenausgleich und Sozialplan verläuft, müssen die zuständigen Betriebsräte noch aufmerksamer sein, noch früher die Hinweise auf betriebliche Veränderungsprozesse deuten und auf ihre Informations- und Beratungsrechte pochen (z.B. aus §§ 90, 92, 92a, 106 BetrVG). Es ist wichtig, dass sie rechtzeitig in den Prozess mit eingebunden werden. Stellt der Betriebsrat, wie es häufig in der Praxis geschieht, erst rückblickend fest, dass es sich bei den durchgeführten Maßnahmen um eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG gehandelt hat, verbleibt ihm oft nur die Möglichkeit, sich im Nachhinein um einen Sozialplan für die betroffenen Beschäftigten zu kümmern. Verhandlungen zum Interessenausgleich kann der Betriebsrat dann nicht mehr fordern, wenn die Betriebsänderung bereits durchgeführt wurde, so die oben genannte Entscheidung des BAG.