Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf, Beschluss vom 12.01.2024 - 10 TaBV 51/23
Das war passiert
Bei einer angefochtenen Betriebsratswahl mit ca. 13.300 wahlberechtigten Arbeitnehmern besaßen ca. 15 % nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Eine Anlage zum Wahlausschreiben, welche in 14 Sprachen verfasst wurde, enthielt folgenden Hinweis: „Wenn sich Fragen zu diesem Vorgang ergeben, wenden Sie sich umgehend an die unten aufgeführten Ansprechpartner.“ Abgesehen davon erfolgten keine weiteren fremdsprachigen Informationen zur Wahl.
Das war der Grund der Anfechtung
Der Wahlvorstand muss nach § 2 Abs. 5 der Wahlordnung dafür sorgen, dass ausländische Arbeitnehmende, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, vor der Betriebsratswahl über Wahlverfahren, Aufstellung der Wähler- und Vorschlagslisten, Wahlvorgang und Stimmabgabe in geeigneter Weise unterrichtet werden. Dies war hier nicht geschehen. Angeblich verstehen viele ausländische Arbeitnehmende im Betrieb nicht genug Deutsch, um die Wahlunterlagen zu begreifen. Einige dieser Arbeitnehmer können sogar weder Deutsch lesen noch schreiben. Die übersetzte Anlage zum Wahlausschreiben war hier nicht ausreichend. Es hätten weitere Maßnahmen erfolgen müssen.
Das Arbeitsgericht hat die Wahl für unwirksam erklärt. Hiergegen wendete sich der Betriebsrat und ging in die zweite Instanz.
Das entschied das Gericht
Das LAG hat die Beschwerde des Betriebsrats als unbegründet zurückgewiesen. Die Anfechtung war rechtmäßig. Denn: Der Wahlvorstand hatte gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis bei einer ordnungsgemäßen Wahl anders ausgefallen wäre. Konkret hatte der Wahlvorstand entgegen § 2 Abs. 5 WO nicht dafür gesorgt, dass ausländische Arbeitnehmende vor Einleitung der Betriebsratswahl über den gesamten Wahlprozess in geeigneter Weise unterrichtet werden. § 2 Abs. 5 WO ist zwar eine sogenannte Soll-Vorschrift. Dennoch handelt es sich dabei um eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren nach § 19 Abs. 1 BetrVG, so dass deren Verletzung zur Anfechtung der Betriebsratswahl berechtigt ist.
Der Wahlvorstand hätte davon ausgehen müssen, dass dem Betrieb ausländische Arbeitnehmende angehören und deren Deutschkenntnisse nicht ausreichen, um die zum Teil komplizierten Wahlvorschriften und den Inhalt eines Wahlausschreibens verstehen zu können. Dabei war zu berücksichtigen, dass von den rund 13.300 wahlberechtigten Arbeitnehmenden ca. 15 %, also immerhin rund 2.000 Personen, nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Je größer die Zahl der Arbeitnehmenden, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sich darunter auch Personen mit unzureichenden Sprachkenntnissen im Sinne der Wahlordnung befinden, so die Richter. Auf die genaue Anzahl kommt es dabei nicht an. Selbst wenn es nur 10 Personen sind, wäre dies ausreichend, um an den notwendigen Sprachkenntnissen der ausländischen Arbeitnehmer zu zweifeln.
Mit überschaubarem Aufwand hätten hier auch das Wahlausschreiben und sonstige Wahlaushänge in die 14 Sprachen übersetzt werden können. Die Anlage zum Wahlausschreiben als einziger fremdsprachlicher Hinweis im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl war jedenfalls nicht geeignet, die Unterrichtungspflicht aus § 2 Abs. 5 WO zu erfüllen. Zumal die Anlage nicht einmal Begriffe wie „Wahlausschreiben“, „Betriebsratswahl“ oder sonstige Fachtermini erwähnt, die auf einen Wahlvorgang hinweisen könnten.