Betriebsratsschulung ist auch bei nur teilweiser Relevanz der Themen erforderlich

Urteil Der Woche KW46 – 2

Landesarbeitsgericht (LAG) Thüringen v. 11.06.2024 – 5 TaBV 24/22 

Arbeitgeber dürfen einem Betriebsrat die Kostenübernahme für ein Seminar nicht verweigern, weil an einem von fünf Tagen auch Themen behandelt werden, die im Betrieb derzeit nicht aktuell sind. 

Kosten einer Betriebsratsschulung werden nicht übernommen?

In dem vor dem LAG Thüringen verhandelten Fall ging es um einen Betrieb, der sich mit der Herstellung und Veredelung von Bandstahl befasst. Der Arbeitgeber und der Betriebsrat stritten bereits seit einiger Zeit darüber, ob im Betrieb eine besondere Lärmbelastung bestehe, die weitere Lärmbelastungsmessungen und ggf. weiterführende Maßnahmen erforderlich machen könnte. In einer seiner Sitzungen fasste der Betriebsrat den Beschluss, zwei seiner Mitglieder zu einem 5-tägigen Seminar zum Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz zu entsenden. Untertitel dieser Fortbildung war „Arbeit menschengerecht gestalten/Teil 1 – Lärm und Lasten reduzieren“. Die Arbeitgeberin lehnte die Kostenübernahme ab mit der Begründung, dass es im Unternehmen hinsichtlich dieser Themen derzeit keine Auffälligkeiten und dementsprechend keinen akuten Handlungsbedarf gebe, nicht zum Thema Lärm und schon gar nicht zum Thema Lasten.  

Der Betriebsrat besuchte das Seminar trotz der fehlenden Kostenübernahmeerklärung. Es stellte sich heraus, dass sich die Schulungsveranstaltung zwar nicht ausschließlich dem Thema Lärm gewidmet hatte. Jedoch galt nur einer von fünf Tagen dem Schwerpunkt Lasten. An einem weiteren Tag wurden spezifische Kenntnisse in Hinsicht auf Lärm unterrichtet und drei Tage vermittelten Grundlagenwissen, dass ebenfalls einen Bezug zum Thema Lärm hatte. Der Betriebsrat war der Ansicht, der Arbeitgeber müsse die Kosten übernehmen, da das Seminar im Ganzen überwiegend erforderliches Wissen enthielt. Der Arbeitgeber sah das jedoch aus den genannten Gründen anders und die Sache ging vor Gericht. 

Kosten einer Betriebsratsschulung sollen laut Gericht übernommen werden 

Sowohl das Arbeits- als auch das Landesarbeitsgericht gaben den Betriebsrat Recht. Denn: In einem metallverarbeitenden Betrieb spielt Lärm stets eine mehr oder weniger große Rolle. Entsprechend ermöglicht das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs 1 Nr. 7 BetrVG dem Betriebsrat Initiativen im Zusammenhang mit Lärm als gesundheitsbeeinträchtigendem Faktor. Eine Schulung zu diesem Thema ist schon allein deshalb erforderlich, um den Betriebsrat zur hinreichenden Ausübung seines Mitbestimmungsrechts zu befähigen. Ausschlaggebend für die Entscheidung der Gerichte war außerdem, dass vier der fünf Seminartage betriebsrelevante Inhalte behandelten, so dass lediglich 20% der vermittelten Schulungsinhalte als nicht erforderlich einzustufen waren. Da ansonsten der ganz überwiegende Teil der Themen für die Betriebsratsarbeit notwendig war, reichte das aus, um die Erforderlichkeit der Schulung und damit auch die Kostentragungspflicht des Arbeitsgebers insgesamt zu bejahen.  

Betriebsratsschulungen: Ein Praxishinweis

Das LAG nimmt hier eine Schwelle von 20 % an, bis zu der Schulungsveranstaltungen auch nicht erforderliche Inhalte vermitteln dürften, ohne dass dies die Erforderlichkeit insgesamt entfallen ließe. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ist sogar noch großzügiger und hat entschieden: Ist eine Aufteilung der Schulungsveranstaltung praktisch nicht möglich, weil die unterschiedlichen Themen zeitlich nicht voneinander abgegrenzt sind oder weil die Schulung nur als Ganzes buchbar ist, entscheidet über die Erforderlichkeit der Gesamtschulung, ob die erforderlichen Themen mit mehr als 50 % überwiegen (v. 28.9.2016 – 7 AZR 699/14). 

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07. November 2024

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