
Sind die Ziele kontraproduktiv?
Die Bundesregierung folgt mit ihren Plänen den Zielen, wirtschaftliche Impulse zu setzen, Interessen von Beschäftigten an Flexibilität zu stärken und den Erhalt des Arbeitsvolumens trotz demografischen Wandels fördern. Doch genau das, so die Studie, lasse sich durch „weiter deregulierte Arbeitszeiten“ nicht erreichen. Denn:
- Es besteht die Gefahr, dass eine weitgehende Lockerung der täglichen Arbeitszeit gesundheitliche Probleme in der Arbeitswelt verschärft, mit der Folge, dass das Arbeitspotenzial geschwächt statt gestärkt wird.
- Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Flexibilität) würde sich weiter verschlechtern, was insbesondere die Teilnahme von Frauen am Erwerbsleben einschränkt und das in der Vergangenheit gestiegene Arbeitszeitvolumen wieder senkt.
- Dass der Arbeitstag grundsätzlich nach acht (maximal 10) Stunden enden soll, ist kein Zufall, sondern Ergebnis wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Gesundheitsschutz.
Experten bezeichnen das Vorhaben im Koalitionsplan sogar als „an der Realität vorbei“, „Irrweg“, „wirtschaftlich kontraproduktiv“, „nicht verantwortbar“ und entwicklungsbremsend statt – fördernd.
Höchstarbeitszeiten auf Kosten der Gesundheit
Arbeitsmedizinisch ist laut der HSI-Analyse erwiesen, dass Arbeitszeiten von mehr als acht Stunden die physische und psychische Gesundheit gefährden können. Nicht ohne weiteres sind stressbedingte Erkrankungen immer häufiger der Grund für Fehlzeiten und vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf.
Weitere Erkenntnis: Neben höheren Krankheitsrisiken zeigt die Arbeitsmedizin auch negative Zusammenhänge zwischen langen werktäglichen Arbeitszeiten und dem Unfallgeschehen am Arbeitsplatz. Danach steigt das Unfallrisiko steigt ab der 8. Arbeitsstunde signifikant. Arbeitszeiten über 10 Stunden täglich werden dementsprechend als „hoch riskant“ eingestuft werden. Nach einer Arbeitszeit von 12 Stunden ist die Unfallrate bei der Arbeit oder bei der anschließenden Fahrt nach Hause im Vergleich zu 8 Stunden um das Zweifache erhöht.
Höchstarbeitszeiten auf Kosten der Work-Life-Balance
Ein weiteres Problem sehen die Forschenden darin, dass durch die Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit Betreuungskonflikte nicht gelöst, sondern verschärft werden. Eine weitere Verringerung der Erwerbstätigkeit gerade bei Frauen sei daher zu befürchten, was nicht nur die Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch das Risiko für Altersarmut erhöht. Hilfreich wäre es hingegen, wenn die Arbeitnehmenden selbst Einfluss auf die Verteilung der Arbeitszeit hätten. Dies sieht der Koalitionsvertrag jedoch nicht vor. Gibt es also keine Regelungen diesbezüglich im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag, unterliegt die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit dem Direktionsrecht der Arbeitgebenden.
Fazit:
Die geplante Einführung einer wöchentlichen statt täglichen Höchstarbeitszeit, wie sie im Koalitionsvertrag angedeutet wird, stößt auf erhebliche Kritik seitens arbeitsrechtlicher und arbeitsmedizinischer Experten. Die angestrebte Flexibilisierung soll zwar wirtschaftliche Impulse setzen und die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben fördern, könnte jedoch das Gegenteil bewirken: Eine Ausweitung der täglichen Arbeitszeit birgt gesundheitliche Risiken, erhöht das Unfallpotenzial und erschwert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – insbesondere für Frauen. Anstelle der erhofften Effekte könnten die Pläne also zu einer Schwächung des Arbeitskräftepotenzials, einer schlechteren Work-Life-Balance und einer gesellschaftlichen Rückentwicklung führen. Die Forderung nach mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeitverteilung bleibt dabei unberücksichtigt. Damit erscheint die angestrebte Reform nicht nur gesundheitlich und sozial bedenklich, sondern auch wirtschaftlich kontraproduktiv.
Quelle: Hans Böckler Stiftung, Pressemitteilung vom 30.05.2025