Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen

Kommentar zu § 98 BetrVG

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei betrieblichen Bildungsmaßnahmen

Will der Arbeitgeber betriebliche Maßnahmen zur Berufsausbildung, Berufsbildung, beruflichen Fortbildung oder beruflichen Umschulung durchführen, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht z. B. zu Inhalt, Methode, Dauer und Umfang der Maßnahme.

Wenn gegen die Person, die für die Durchführung einer betrieblichen Bildungsmaßnahme vorgesehen ist, Bedenken wegen der persönlichen oder fachlichen Eignung bestehen, kann der Betriebsrat im Vorfeld widersprechen oder wenn diese schon tätig ist, die Abberufung verlangen. Hat der Betriebsrat also beispielsweise berechtigte Zweifel an den Fähigkeiten eines Ausbilders, der bereits Auszubildende im Betrieb unterrichtet, kann er vom Arbeitgeber verlangen, dass er den Ausbilder nicht mehr einsetzt.

Der Betriebsrat hat ein Vorschlagsrecht, welche Arbeitnehmer an der Bildungsmaßnahme teilnehmen soll. Voraussetzung ist, dass es sich um eine interne oder externe Bildungsmaßnahme handelt, zu der der Arbeitgeber den Arbeitnehmer freistellt und ganz oder teilweise die Kosten übernimmt.

Mitbestimmung des Betriebsrats bei Bildungsmaßnahmen, § 98 Abs. 1, Abs. 6 BetrVG

Wenn der Arbeitgeber betriebliche Bildungsmaßnahmen durchführen will, also Mitarbeiter ausbilden oder weiter qualifizieren möchte, so hat der Betriebsrat bei der Durchführung dieser Maßnahmen mitzubestimmen.

Natürlich muss der Arbeitgeber den Betriebsrat bereits zuvor bei der Planung und Einführung derartiger Bildungsmaßnahmen nach §§ 96, 97 BetrVG beteiligen. Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Durchführung von Bildungsmaßnahmen besteht aber auch dann, wenn der Arbeitgeber sie ohne Beteiligung des Betriebsrats eingeführt hat. Die Rechte des Betriebsrats bei der Durchführung setzen also nicht voraus, dass er bereits bei der Planung und Einführung mitgewirkt hat.

Konkret bezieht sich dieses Mitbestimmungsrecht darauf, wie eine Bildungsmaßnahme durchgeführt wird. Inhalt des Mitbestimmungsrechts ist deshalb zum Beispiel:

  • der Lernstoff (Inhalt und Umfang),
  • die Dauer und Aufteilung der Bildungsmaßnahmen,
  • die zeitliche Lage der Bildungsmaßnahme,
  • die Methoden der Wissensvermittlung,
  • der Einsatz von Computerprogrammen zur Lernunterstützung (siehe auch § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).

Unerheblich ist dabei, ob diese Bildungsmaßnahmen direkt im Betrieb durchgeführt werden oder extern angeboten werden. Außerdem wird noch einmal im § 98 Abs. 6 BetrVG klargestellt, dass nicht nur Maßnahmen der Berufsausbildung gemeint sind, sondern alle Bildungsmaßnahmen jeglicher Art. Das Bundesarbeitsgericht hat den Begriff der betrieblichen Berufsbildung aus § 98 BetrVG so definiert, dass darunter alle Maßnahmen der Berufsbildung im Sinne des § 1 Abs 1 Berufsbildungsgesetz fallen, also auch solche die die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung betreffen (BAG v. 05.03.2013 – 1 ABR 11/12).

Maßgeblich für die Mitbestimmung ist allein, dass Bildungsmaßnahmen vom Arbeitgeber angeboten und (zumindest teilweise) finanziert oder gefördert werden!

Mitwirkungsrecht des Betriebsrats bei der Person des Ausbilders, § 98 Abs. 2 BetrVG

Eine Aus- oder Weiterbildung wird nur dann erfolgreich sein, wenn diejenigen, die mit der Ausbildung beauftragt werden, eine entsprechende Eignung, also auch die notwendigen Qualifikationen, haben. Zu den Personen, die mit der Ausbildung beauftragt werden, gehören z. B. der Ausbilder, aber auch andere Personen, die die Mitarbeiter im Rahmen von Fortbildungen schulen.

Egal, ob es der betriebliche Ausbildungsbeauftragte ist oder andere externe Personen, die einen Bildungsauftrag vom Arbeitgeber erhalten – der Betriebsrat kann der Bestellung der Ausbilder widersprechen, wenn sie persönlich oder fachlich ungeeignet sind. Stellt sich erst später heraus, dass die Ausbilder persönlich oder fachlich nicht qualifiziert sind, kann der Betriebsrat die Abberufung der Personen verlangen.

Wann ist der Ausbilder fachlich oder persönlich ungeeignet?

Fachlich nicht qualifiziert kann z. B. der Ausbildungsbeauftrage eines Betriebes sein, wenn er nicht die notwendigen Prüfungen nach § 30 BBiG nachweisen kann. Persönlich untauglich wäre er z. B., wenn er seinen Bildungsauftrag vernachlässigt und sich nicht um die Ausbildung im erforderlichen Maße kümmert.

Aber auch bei externen Personen gilt es, die Qualifikation genau zu überprüfen. Nicht jeder Fachmann, der sein Wissen als „Coach“ oder Trainer auf dem freien Markt anbietet, hat die Fähigkeit, sein Wissen so zu vermitteln, dass die Lerninhalte verstanden werden. Der Betriebsrat sollte daher intensiv von seinem Informationsrecht nach § 80 Abs. 2 BetrVG Gebrauch machen und vom Arbeitgeber Auskunft über die Qualifikation des mit einer Ausbildung Betrauten verlangen, um überprüfen zu können, ob er fachlich und persönlich passend ist.

Können sich Betriebsrat und Arbeitgeber nicht über die Person des mit der Berufsbildung Beauftragten einigen, kann das Arbeitsgericht angerufen werden (siehe § 98 Abs. 5 BetrVG).

Mitbestimmung des Betriebsrats beim Teilnehmerkreis: Welche Arbeitnehmer erhalten eine Bildungsmaßnahme? § 98 Abs. 3 BetrVG

Der Betriebsrat vertritt die Arbeitnehmer und deren Belange im Betrieb. Deshalb kann er als Interessenvertretung einen besonderen Bedarf daran haben, auch bei der Frage, welcher Arbeitnehmer eine bezahlte oder geförderte Bildungsmaßnahme vom Arbeitgeber bekommt, beteiligt zu werden. Wenn der Arbeitgeber betriebliche Bildungsmaßnahmen anbieten will, indem er sie also selbst anbietet, oder zumindest einen Teil der Kosten trägt, dann kann der Betriebsrat (siehe § 98 Abs. 1 BetrVG) nicht nur über das “Wie” dieser Maßnahme mitbestimmen, sondern auch über das “Wer”.

Der Betriebsrat hat das Recht, bestimmte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen für die Teilnahme an solchen betrieblichen Bildungsmaßnahmen vorzuschlagen!

Dies bietet dem Betriebsrat die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass die Chancen für eine berufliche Fortbildung möglichst gerecht auf alle infrage kommenden Arbeitnehmer verteilt werden. Insbesondere kann der Betriebsrat so bewirken, dass auch ältere Mitarbeiter, Teilzeitbeschäftige und Arbeitnehmer mit Familienpflichten (siehe § 96 Abs. 2 BetrVG) weiter qualifiziert werden.

Kommt es bei der Frage der Teilnehmer einer Bildungsmaßnahme zu keiner Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen (siehe § 76 BetrVG und § 98 Abs. 4 BetrVG).

Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat: Einigungsstelle oder Gerichtsverfahren

Immer dann, wenn sich Betriebsrat und Arbeitgeber darüber streiten,

  • wie eine Berufs- oder sonstige Bildungsmaßnahme durchgeführt werden soll oder
  • wer daran teilnehmen soll,

kann der Betriebsrat die Einigungsstelle (siehe § 76 BetrVG) anrufen. Da dieses Schlichtungsorgan Einigungszwang hat und selbst entscheidet, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat sich nach einem weiteren Versuch nicht über die betriebliche Bildungsmaßnahme einigen, wird es also auf jeden Fall zu einem Kompromiss kommen.

Immer dann, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat jedoch über die Person streiten, die vom Arbeitgeber beauftragt werden soll oder beauftragt wurde (z. B. der Ausbildungsbeauftragte), ist bei Meinungsverschiedenheiten das Arbeitsgericht zuständig.

Dies gilt für die Fälle, in denen der Betriebsrat

  • der Bestellung widersprochen hat oder
  • die Abberufung verlangt hat.

In diesen Fällen kommt bei Uneinigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG in Frage. Der Betriebsrat kann dann nach entsprechendem Beschluss beim Arbeitsgericht beispielsweise beantragen, dass der Arbeitgeber verpflichtet wird, eine bestimmte Person als Ausbilder abzuberufen.

§ 98 - Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen

Der Betriebsrat hat bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen.

Der Betriebsrat kann der Bestellung einer mit der Durchführung der betrieblichen Berufsbildung beauftragten Person widersprechen oder ihre Abberufung verlangen, wenn diese die persönliche oder fachliche, insbesondere die berufs- und arbeitspädagogische Eignung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes nicht besitzt oder ihre Aufgaben vernachlässigt.

Führt der Arbeitgeber betriebliche Maßnahmen der Berufsbildung durch oder stellt er für außerbetriebliche Maßnahmen der Berufsbildung Arbeitnehmer frei oder trägt er die durch die Teilnahme von Arbeitnehmern an solchen Maßnahmen entstehenden Kosten ganz oder teilweise, so kann der Betriebsrat Vorschläge für die Teilnahme von Arbeitnehmern oder Gruppen von Arbeitnehmern des Betriebs an diesen Maßnahmen der beruflichen Bildung machen.

Kommt im Fall des Absatzes 1 oder über die nach Absatz 3 vom Betriebsrat vorgeschlagenen Teilnehmer eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Kommt im Fall des Absatzes 2 eine Einigung nicht zustande, so kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Bestellung zu unterlassen oder die Abberufung durchzuführen. Führt der Arbeitgeber die Bestellung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider durch, so ist er auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht wegen der Bestellung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen; das Höchstmaß des Ordnungsgeldes beträgt 10.000 Euro. Führt der Arbeitgeber die Abberufung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider nicht durch, so ist auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass der Arbeitgeber zur Abberufung durch Zwangsgeld anzuhalten sei; das Höchstmaß des Zwangsgeldes beträgt für jeden Tag der Zuwiderhandlung 250 Euro. Die Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes über die Ordnung der Berufsbildung bleiben unberührt.

Die Absätze 1 bis 5 gelten entsprechend, wenn der Arbeitgeber sonstige Bildungsmaßnahmen im Betrieb durchführt.

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