Wirtschaftsausschuss

Kommentar zu § 106 BetrVG

Um eine erfolgreiche und gleichzeitige verantwortungsvolle Betriebsratsarbeit leisten zu können, muss der Betriebsrat auch über die wirtschaftliche Lage des Betriebes stets gut informiert sein.

In diesem Zusammenhang stehen dem Betriebsrat alle Informationen zu, die für seine Arbeit „erforderlich“ sind (siehe auch § 80 Abs. 2 BetrVG).

Je größer der Betrieb wird – oder wenn der Betrieb nur ein Teil eines größeren Unternehmens ist –, desto umfangreicher werden die wirtschaftlichen Zusammenhänge. Die daraus für die Betriebsratsarbeit abzuleitenden Informationen zu sammeln und aufzuarbeiten, ist neben der eigentlichen Betriebsratsarbeit kaum noch zu bewältigen.

Aus diesem Grund ist in Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 beschäftigten Arbeitnehmern durch den Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat ein Wirtschaftsausschuss zu bilden.

Aufgabe des Wirtschaftsausschusses ist es, die notwendigen Informationen zu sammeln und auszuwerten und den Betriebsrat über die wirtschaftlichen Angelegenheiten zu informieren. Hierzu hat der Ausschuss ein eigenes Informationsrecht. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Wirtschaftsausschuss umfassend zu informieren.

Über welche Angelegenheiten der Wirtschaftsausschuss zu informieren ist, ist in 12 Punkten zusammengefasst.

Aufgaben des Wirtschaftsausschusses

„Der Wirtschaftsausschuss hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten“. So beschreibt es § 106 BetrVG.

Der Wirtschaftsausschuss ist in erster Linie ein Informationsbeschaffungsausschuss des Betriebsrats. Je größer der Betrieb – oder je größer das Unternehmen ist, zu dem der Betrieb gehört –, desto größer und vielfältiger werden die wirtschaftlichen Aspekte, die auch für die Betriebsratsarbeit von Bedeutung sind.

Der Wirtschaftsausschuss hat die Aufgabe, die wirtschaftlichen Daten ständig abzufragen und so aufzuarbeiten, dass der Betriebsrat sie in seine Arbeit einbinden kann.

Der Wirtschaftsausschuss soll auch mit dem Arbeitgeber über die wirtschaftlichen Aspekte beraten. Der Wirtschaftsausschuss verhandelt aber nicht mit dem Arbeitgeber als Interessenvertreter für die Arbeitnehmer. Diese Aufgabe bleibt dem Betriebsrat vorbehalten.

Die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses werden vom Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat bestellt.

Der Wirtschaftsausschuss trifft sich regelmäßig mit dem Arbeitgeber.

Wichtig:
Auf die Informationen, die der Wirtschaftsausschuss bekommt und fachkundig aufarbeiten soll, hat auch der Betriebsrat unmittelbar Anspruch (also nicht nur über den Wirtschaftsausschuss). Diese Ansprüche ergeben sich u. a. aus dem § 80 Abs. 2, § 90, § 92 oder § 111 BetrVG.

Informationspflicht des Arbeitgebers

Für das Informationsrecht des Wirtschaftsausschusses gilt das gleiche wie für die Informationsrechte des Betriebsrats z. B. im § 80 Abs. 2 BetrVG.

Die Informationen müssen …

  • rechtzeitig
  • umfassend

beim Wirtschaftsausschuss eingehen.

Die Frage, ob alle Informationen dem Wirtschaftsausschuss auch schriftlich zur Verfügung gestellt werden müssen, ist nicht ganz klar zu beantworten. Im Gesetzestext heißt es nämlich nur: „unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen“. Genau genommen hat der Wirtschaftsausschuss also nur das Recht, die in der Sitzung vorgelegten Unterlagen zu lesen und sich dazu Notizen zu machen!

Diese aus dem Jahre 1972 stammende Formulierung im Gesetz (aus einer Zeit, in der Kopierer noch weitgehend unbekannt waren), dürfte heute nicht mehr praxisnah sein. Zumal die Rechtsprechung dem Wirtschaftsausschuss zubilligt, dass ihm besonders umfangreiche Unterlagen vor der Sitzung zu geben sind, um sich vorbereiten zu können. Theoretisch könnte der Arbeitgeber aber auch diese Unterlagen dann wieder am Ende der Sitzung einsammeln, wenn es sich doch einmal um Originale handeln sollte.

Wenig praxisgerecht ist auch die zweite Bestimmung im § 106 Abs. 2 BetrVG, in der die Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses davon abhängig gemacht wird, ob dadurch vielleicht „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden“ könnten.

Will sich der Arbeitgeber auf diesen Punkt berufen, müsste er schon darlegen, dass von einem Wirtschaftsausschussmitglied eine konkret drohende Gefahr ausgeht. Bloße Mutmaßungen reichen dazu jedenfalls nicht aus.

Verweigert der Arbeitgeber dem Wirtschaftsausschuss wichtige Informationen, kann der Betriebsrat tätig werden.

Themen der Informationspflicht

Im § 106 Abs. 3 BetrVG wird aufgelistet, was unter wirtschaftlichen Angelegenheiten zu verstehen ist, über die der Arbeitgeber zu informieren hat. Über diese muss er „insbesondere“ unterrichten.

Diese Formulierung drückt aus, dass die Aufzählung der 12 Punkte nicht abschließend ist – also durchaus weitere wirtschaftliche Angelegenheiten hinzukommen können.

Dies macht auch der letzte Punkt der Auflistung deutlich:

  • „sonstige Vorgänge und Vorhaben, welche die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren können“.

Der Wirtschaftsausschuss kann also auch Informationen anfordern, die sich nicht unmittelbar aus der Auflistung ergeben, wenn sie einen Bezug zu Arbeitnehmerinteressen haben.

Viele wirtschaftliche Aspekte ergeben für den Betriebsrat erst dann ein Bild, wenn die Daten über einen längeren (statistischen) Zeitraum betrachtet werden. Daher wird der Wirtschaftsausschuss, neben aktuellen Anfragen an den Arbeitgeber, diesen auch auffordern, eine Liste (Kennzahlenkatalog) immer wiederkehrender Informationen zu liefern, um Trends und Entwicklungen erkennen zu können.

§ 106 - Wirtschaftsausschuss

In allen Unternehmen mit in der Regel mehr als einhundert ständig beschäftigten Arbeitnehmern ist ein Wirtschaftsausschuss zu bilden. Der Wirtschaftsausschuss hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten.

Der Unternehmer hat den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten, soweit dadurch nicht die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden, sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen. Zu den erforderlichen Unterlagen gehört in den Fällen des Absatzes 3 Nr. 9a insbesondere die Angabe über den potentiellen Erwerber und dessen Absichten im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Arbeitnehmer; Gleiches gilt, wenn im Vorfeld der Übernahme des Unternehmens ein Bieterverfahren durchgeführt wird.

Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten im Sinne dieser Vorschrift gehören insbesondere

  1. die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens;
  2. die Produktions- und Absatzlage;
  3. das Produktions- und Investitionsprogramm;
  4. Rationalisierungsvorhaben;
  5. Fabrikations- und Arbeitsmethoden, insbesondere die Einführung neuer Arbeitsmethoden;
    1. Fragen des betrieblichen Umweltschutzes;
  6. die Einschränkung oder Stillegung von Betrieben oder von Betriebsteilen;
  7. die Verlegung von Betrieben oder Betriebsteilen;
  8. der Zusammenschluss oder die Spaltung von Unternehmen oder Betrieben;
  9. die Änderung der Betriebsorganisation oder des Betriebszwecks;
    1. die Übernahme des Unternehmens, wenn hiermit der Erwerb der Kontrolle verbunden ist, sowie
  10. sonstige Vorgänge und Vorhaben, welche die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren können.

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