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Schulung der Mitglieder des Wahlvorstands zeitnah nach der Bestellung des Wahlvorstands
Der Wahlvorstand muss die die Schulung seiner Mitglieder alsbald nach seiner Bestellung vornehmen.
Schafft es ein Wahlvorstand z.B. nicht, innerhalb von zwei Monaten nach seiner Bestellung eine Wahlvorstandsschulung, die er für erforderlich hält, zu besuchen, kann dieses Versäumnis dazu führen, dass der Wahlvorstand arbeitsgerichtlich durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt wird (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.09.2016 - 1 BV 5932/16).

Die gesetzliche Anspruchsgrundlage für die Schulung der Wahlvorstandsmitglieder
Der Schulungsanspruch der Mitglieder des Wahlvorstands ergibt sich aus § 20 Abs. 3 BetrVG und nicht aus § 37 Abs. 6 BetrVG.
In § 20 Abs. 3 BetrVG ist geregelt, dass der Arbeitgeber die Kosten der Wahl zu tragen hat.
Zu diesen Kosten zählen auch solche, die bei der Teilnahme von Wahlvorstandmitgliedern an Schulungsveranstaltungen anfallen, insbesondere den Teilnahmegebühren und Reisekosten (LAG Hessen, Beschluss vom 20.08.2018 - 16 TaBVGa 159/18).
Dürfen alle Wahlvorstandsmitglieder an einer Schulung teilnehmen oder reicht die Schulung einzelner Wahlvorstandsmitglieder?
Alle Wahlvorstandsmitglieder benötigen das erforderliche Wissen über die aktuellen Vorschriften zur Betriebsratswahl. Deshalb gehört zur Betätigung im Wahlvorstand auch die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung, um in die übernommenen Aufgaben eingeführt zu werden (so bereits BAG, Urteil vom 07.06.1984 - 6 AZR 3/82).
Die Schulung von Mitgliedern des Wahlvorstands muss auch dann erfolgen, wenn eines der Mitglieder bereits ausreichende Kenntnisse über das Wahlverfahren hat. Das BAG betont, dass das Selbststudium oder die Unterrichtung durch sachkundige andere Mitglieder des Wahlvorstands weniger effektiv wären.
Jedes Wahlvorstandsmitglied übt sein Amt unabhängig und eigenverantwortlich aus. Deshalb hat jedes stimmberechtigte Mitglied des Wahlvorstands, das nicht über einen ausreichenden Kenntnisstand verfügt, einen entsprechenden Schulungsanspruch (vgl. LAG Hamburg, Urteil vom 14.03.2012 - H 6 Sa 116/11).
Schulung von erstmalig gewählten Wahlvorstandsmitgliedern
Erstmalig gewählte Wahlvorstandsmitglieder haben in der Regel keine Vorkenntnisse über die gesetzlichen Vorschriften zur Betriebsratswahl.
Damit die erstmalig gewählten Wahlvorstandsmitglieder ihre Aufgaben im Wahlvorstand ordnungsgemäß wahrnehmen können, ist für sie die Teilnahme an einer Schulung erforderlich.
Bei erstmals berufenen Wahlvorstandsmitgliedern ist wie bei neuen Betriebsratsmitgliedern im Regelfall die Erforderlichkeit der ‚Teilnahme an einer Wahlvorstandsschulung zu bejahen, ohne dass dies vom betreffenden Wahlvorstandsmitglied näher dargelegt werden muss (LAG Hessen, Beschluss vom 20.8.2018 - 16 TaBVGa 159/18).
Schulungsanspruch für wiedergewählte Wahlvorstandsmitglieder
Schulung von wiedergewählten Wahlvorstandsmitgliedern
Auch für Wahlvorstandsmitglieder, die bereits früher eine Tätigkeit im Wahlvorstand wahrgenommen haben, entfällt nicht automatisch die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme.
Schon aufgrund vieler neuer und wichtiger Entscheidungen der Arbeitsgerichte zur Betriebsratswahl sollte jedes Wahlvorstandsmitglied – und sei es noch so „erfahren“ – auf einer Schulung sein Wissen auffrischen und auf den aktuellen Stand bringen.

Da die Betriebsratswahlen nur alle vier Jahre stattfinden, müssen wiedergewählte Wahlvorstandsmitglieder ihr Wissen über die Wahlvorschriften systematisch angeleitet auffrischen und aktivieren.
Zudem hat das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 07.07.1994 - 4 Sa 88/94) richtigerweise festgestellt, dass die Wahlvorschriften für juristische Laien außerordentlich kompliziert sind, so dass das Wissen regelmäßig durch eine systematische Anleitung aufgefrischt und aktiviert werden muss. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Wahlvorstand seine Arbeit unverzüglich aufnehmen muss und dabei komplizierte Verfahrensvorschriften zu beachten hat, so dass grundsätzlich jedes und nicht nur das erstmals gewählte Wahlvorstandsmitglied einen begründeten Schulungsbedarf hat.
Um die gesetzlichen Aufgaben und die zahlreichen Formvorschriften korrekt wahrzunehmen, ist ein hohes Maß an Information erforderlich, das auch erfahrene Wahlvorstandsmitglieder erst wieder erlangen müssen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass zwischen den Wahlen vier Jahre liegen, in denen die Wahlvorschriften nicht angewendet werden, im Gegensatz zu den Regelungen des Betriebsverfassungsrechts für Betriebsratsmitglieder. Zudem müssen sich die Wahlvorstandsmitglieder über die aktuelle Rechtsprechung informieren können.

Schulungsanspruch von Ersatzmitgliedern des Wahlvorstands
Auch die Ersatzmitglieder des Wahlvorstands haben einen Anspruch auf Teilnahme an einer Wahlvorstandsschulung.
Da Ersatzmitglieder des Wahlvorstands im Falle des Ausfalls eines Wahlvorstandsmitglieds dessen Aufgaben kurzfristig übernehmen müssen, ist es erforderlich, dass sie für den Fall der Vertretung auch über die notwendigen Kenntnisse verfügen.
Um im Bedarfsfall ohne Verzögerung einspringen zu können, müssen auch die Ersatzmitglieder des Wahlvorstands entsprechend über die Vorschriften zur Betriebsratswahl geschult werden (LAG Hessen, Beschluss vom 26.03.2018 - 16 TaBVGa 57/18).
Beschluss des Wahlvorstands über die Schulungsteilnahme
Der Schulungsanspruch setzt einen Beschluss des Wahlvorstands voraus (LAG Hessen, Beschluss vom 06.12.2007 - 9 TaBV 153/07). Der Beschluss über die Entsendung des gesamten Wahlvorstands bzw. bestimmter Wahlvorstandsmitglieder muss in einer ordnungsgemäß durchgeführten Sitzung des Wahlvorstands stattfinden.
Der Wahlvorstand unterrichtet den Arbeitgeber im Anschluss über seine Beschlussfassung. Dem Arbeitgeber müssen in der Mitteilung nicht nur die jeweiligen Teilnehmer benannt werden, sondern auch Ort, Zeit und Dauer der Schulungsveranstaltung sowie ein Ablaufplan des jeweiligen Veranstalters, aus dem sich die Inhalte der Schulung ergeben. Dazu gehört auch eine Information über die Kosten des Seminars.
In der Mitteilung sollte der Arbeitgeber gebeten werden, innerhalb einer näher angegebenen Frist (14 Tage) eine Erklärung über die Übernahme der anfallenden Kosten der Schulungsteilnahme abzugeben.
Arbeitgeber verweist auf eine billigere Schulung
Zunächst einmal gilt, dass der Wahlvorstand bei der Auswahl der Schulung einen Beurteilungsspielraum hat.
Wenn zwischen zwei Seminaren jedoch eine erhebliche Preisdifferenz besteht, muss der Wahlvorstand mit sachlichen Argumenten begründen können, warum er das teurere Seminar für qualitativ besser hält.
Eine erhebliche Preisdifferenz kann bei einem Preisunterschied von 50% angenommen werden (siehe dazu BAG, Beschluss vom 19.03.2008 - 7 ABR 2/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.05.2020 - 7 TaBV 11/19).
Hinweis:
Sachliche Argumente für einen qualitativen Unterschied könnten sich z.B. daraus ergeben, dass auf einem Wahlvorstandsseminar der aas die Wahlvorschriften durch die praktische Einübung des Gelernten deutlich intensiver behandelt werden als auf einem anderen Seminar.
Der Wahlvorstand will zu dem Seminar „Betriebsratswahl und konstituierende Sitzung – mit Wahlsimulation“ der aas fahren. Der Arbeitgeber verweist auf eine billiger Wahlvorstandsschulung.
Wie könnte der Wahlvorstand hier argumentieren?
Hier könnte der Wahlvorstand darauf verweisen, dass bei der Wahlvorstandsschulung der aas nicht nur die Wahlvorschriften intensiv behandelt werden, sondern dass die Teilnehmer des Seminars auch eine Betriebsratswahl in ihrem Wahlverfahren einmal von A-Z konkret durchführen. So können die Teilnehmer erkennen, ob sie wirklich alles verstanden haben und das Gelernte mit dem Referenten einmal konkret anwenden.
Das Seminar „Betriebsratswahl und konstituierende Sitzung – mit Wahlsimulation“ der aas, in dem die Wahl einmal konkret durchgespielt wird, wäre somit nicht vergleichbar mit einem Seminar, in dem nur die Wahlvorschriften vermittelt werden.
Hinweis:
Kann der Wahlvorstand den qualitativen Unterschied zwischen zwei Wahlvorstandsschulungen darlegen, kann der Arbeitgeber den Wahlvorstand nicht auf das billigere Seminar verweisen.
Arbeitgeber verweist auf eine kürzere Schulung
Bei der Auswahl des Seminars hat der Wahlvorstand einen Beurteilungsspielraum. Nur wenn zwei gleichzeitig stattfindende Seminare auch nach Auffassung des Wahlvorstands qualitativ gleichwertig sind, darf der Wahlvorstand auf ein kürzeres Seminar verwiesen werden.
Ein qualitativer Unterschied ergibt sich zum Beispiel aus den auf dem Seminar vermittelten Inhalten. Wenn auf einem Seminar mehr Stoff vermittelt wird als auf einem anderen, sind die beiden Seminare qualitativ nicht vergleichbar.
Der Wahlvorstand möchte zu dem Seminar „Betriebsratswahl und konstituierende Sitzung – mit Wahlsimulation“ der aas fahren. Der Arbeitgeber verweist auf ein kürzeres Seminar zur Betriebsratswahl.
Wie könnte der Wahlvorstand hier argumentieren?
Der Wahlvorstand könnte auf die Besonderheit des Seminars „Betriebsratswahl und konstituierende Sitzung – mit Wahlsimulation“ verweisen.
Auf diesem Seminar wird nach der Wissensvermittlung von den Teilnehmern eine Betriebsratswahl mit allen Formularen und Inhalten passend zum jeweiligen Wahlverfahren ganz konkret durchgeführt. So können die Teilnehmer erkennen, ob sie wirklich alles verstanden haben und das Gelernte mit dem Referenten einmal konkret anwenden.
Hinweis:
Nach der Rechtsprechung des LAG Hessen (LAG Hessen, Beschluss vom 14.05.2012 − 16 TaBV 226/11) nimmt ein Seminar, in dem der Stoff von den Teilnehmern in Arbeitsgruppen erarbeitet wird, typischerweise mehr Zeit in Anspruch als ein Seminar, in dem der Stoff durch Frontalunterricht vermittelt wird. Dafür ist ein solches Seminar aber auch qualitativ hochwertiger!
Ein solches Seminar kann der Wahlvorstand für qualitativ hochwertiger halten und darf es einem kürzeren und billigeren Seminar ohne einen entsprechenden Praxisteil vorziehen.
Der Arbeitgeber verweigert die Übernahme der Übernachtungskosten
Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass es von der Rechtsprechung allgemein anerkannt ist, dass der Austausch zwischen den einzelnen Teilnehmern und den Referenten wichtig ist, um das Gehörte mit eigenen Beispielen aus der Praxis aufzufüllen, sich bei Kollegen Rat zu holen und die Gegebenheiten in anderen Betrieben kennen zu lernen.
Für die Frage, ob es für ein Wahlvorstandsmitglied zumutbar ist, zum Seminarort hin- und zurückzufahren, hängt von der anfallenden Fahrtzeit ab. Als Richtgröße kann man annehmen, dass eine einfache Fahrtzeit von mehr als 60 Minuten nicht zumutbar ist (vgl. ArbG Düsseldorf, Beschluss vom 03.09.2004 - 12 BV 56/04).
Es stellt sich also die Frage, ob das vom Wahlvorstand ausgesuchte Seminar in bis zu einer Stunde pro Fahrtstrecke zu erreichen ist. Wenn das der Fall ist, wird der Arbeitgeber mit seinem Verweis regelmäßig Erfolg haben.
Verweist der Arbeitgeber hingegen auf ein anderes Seminar als das vom Wahlvorstand ausgesuchte, kommt es darauf an, ob das Seminar zeitgleich stattfindet. Ist das nicht der Fall, kommt es darauf an, ob die Wahlvorstandsmitglieder zu dem vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Alternativtermin können, und ob es für den Wahlvorstand zumutbar ist, seine Schulungsteilnahme zu verschieben. Das wird nicht der Fall sein, wenn zwischen den Terminen mehrere Wochen liegen, da der Wahlvorstand das Wissen alsbald für seine Arbeit benötigt.
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