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Der Zeitpunkt der Stimmauszählung im normalen Wahlverfahren
Gem. § 13 Satz 1 WO muss die Stimmenauszählung unverzüglich nach Abschluss der Stimmabgabe erfolgen. Wenn keine besonderen Gründe vorliegen, sollte die Auszählung direkt im Anschluss an die Stimmabgabe durchgeführt werden.
Die Stimmauszählung erfolgt grundsätzlich unverzüglich nach dem Schließen des Wahllokals.
Soll die Auszählung erst am nächsten Tag stattfinden, beispielsweise weil in einem anderen Wahllokal noch abgestimmt wurde und die Wahlurne zunächst in den Hauptbetrieb gebracht werden muss, muss dies zwingend im Wahlausschreiben angegeben werden.
Die Auszählung kann auch am nächsten Tag vorgenommen werden, wenn es z.B. mehrere Wahllokale gibt und von dort die Wahlurne(n) zum Hauptbetrieb transportiert werden müssen.
Die Auszählung darf nicht vor dem im Wahlausschreiben genannten Zeitpunkt beginnen. Die Stimmauszählung vor dem im Wahlausschreiben genannten Zeitpunkt ist auch dann unzulässig, wenn bereits alle Beschäftigten ihre Stimme abgegeben haben.
Sicherung der Wahlurne bei späterer Stimmauszählung
Wenn die Auszählung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird, ist die Wahlurne zwischenzeitlich zu versiegeln und sicher aufzubewahren. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie aus einem Wahllokal in den Hauptbetrieb transportiert wird.
Erfolgt die Auszählung der Stimmen nicht unverzüglich nach dem Schleißen des Wahllokals, muss der Einwurfschlitz der Wahlurne entsprechend versiegelt werden.
Die Versiegelung der Wahlurne erfolgt durch das Anbringen eines Papierstreifens über den Einwurfschlitz, sodass dieser vollständig verschlossen ist. Das Papier muss so fest verklebt sein, dass es nur durch Reißen entfernt werden kann und nicht unversehrt abgelöst werden kann. Die anwesenden aufsichtführenden Personen unterzeichnen das Papier, und es sollten Datum sowie Uhrzeit der Versiegelung darauf vermerkt werden. Das unbefugte Öffnen einer solchen Versiegelung stellt eine Straftat dar. Vor dem Öffnen der versiegelten Wahlurne hat der Wahlvorstand sicherzustellen, dass das Siegel unbeschädigt ist.
Der Zeitpunkt der Stimmauszählung im vereinfachten Wahlverfahren
Im vereinfachten Wahlverfahren können die Anträge auf Briefwahl bis drei Tage vor dem Tag der Stimmabgabe (der Wahlversammlung) gestellt werden, § 35 Abs. 1 WO.
Da es in diesem Fall regelmäßig nicht mehr möglich ist, dass die Briefwahlstimmen bis zum Wahltag (der Wahlversammlung) beim Wahlvorstand eingehen, kann die öffentliche Stimmenauszählung in diesem Fall nicht direkt im Anschluss an die Stimmabgabe erfolgen, sondern muss später stattfinden.
Wenn die Auszählung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird, ist die Wahlurne zwischenzeitlich zu versiegeln (siehe dazu oben).
Verpflichtende Anwesenheit des gesamten Wahlvorstands bei der Stimmauszählung
Die Stimmauszählung muss vom gesamten Wahlvorstand durchgeführt werden und darf nicht lediglich vom Vorsitzenden oder einzelnen Mitgliedern erfolgen. Ein Verstoß gegen diese Regel kann zur Anfechtung der Wahl führen (BAG, Beschluss vom 24.02.2021 - 7 ABR 38/19).
Wahlvorstandsmitglieder, die verhindert sind, werden durch Ersatzmitglieder vertreten.
Nur dann, wenn ein oder mehrere Mitglieder des Wahlvorstands verhindert sind und keine Ersatzmitglieder zur Verfügung stehen, kann die Auszählung der Stimmen durch den nicht vollzählig versammelten Wahlvorstand erfolgen (BAG, Beschluss vom 24.02.2021 - 7 ABR 38/19).
Wahlhelfer dürfen den Wahlvorstand bei der Auszählung unterstützen, jedoch obliegt die Entscheidung über die Gültigkeit oder Ungültigkeit von Stimmen ausschließlich den stimmberechtigten Mitgliedern des Wahlvorstands.
Stimmauszählung in öffentlicher Sitzung
Ablauf der Stimmauszählung
Der Wahlvorstand ist zwar grundsätzlich frei darin, in welcher Reihenfolge er bei der Auszählung der Stimmen vorgeht.
Wir empfehlen folgendes Vorgehen:
- Zu Beginn müssen die Freiumschläge der Briefwahlunterlagen geöffnet werden und die Stimmzettel nach Prüfung und Verzeichnis in der internen Version der Wählerliste in die Wahlurne gelegt (siehe dazu hier).
- Die eigentliche Stimmauszählung beginnt dann mit der Öffnung der Wahlurnen und der Entnahme der Stimmzettel, § 14 Abs. 1 Satz 1 WO.
- Danach werden die Stimmzettel gezählt. Die Anzahl der Stimmzettel ist in der Wahlniederschrift zu vermerken.
- Sind Wahlumschläge aus der Briefwahl dabei, weil sie mehrere gekennzeichnete Stimmzettel enthalten (§ 14 Abs. 2 WO), werden die Stimmzettel den Wahlumschlägen entnommen. Wenn die Stimmzettel vollständig übereinstimmen, werden sie nur einfach gezählt. Andernfalls werden sie als ungültig angesehen. Das heißt einzelne/alle ungültigen Stimmzettel werden aussortiert und mit einem nummerierten Klebezettel versehen.
- Dann werden die Stimmen ausgezählt. Bestehen bei Stimmen Zweifel an der Gültigkeit, werden diese aussortiert und mit einem nummerierten Klebezettel versehen.
- Der Wahlvorstand muss über jeden einzelnen ungültigen Stimmzettel gesondert einen Beschluss fassen. Diese Stimmzettel werden dann in einem Umschlag mit der Aufschrift „ungültige Stimmzettel“ verwahrt.
Alle Stimmzettel müssen in der Wahlakte aufbewahrt werden.
Die Zuordnung der Stimmen zu den jeweiligen Kandidaten oder Listen kann dann so erfolgen, dass die Kandidaten oder Listen zunächst nebeneinander auf eine Tafel oder einen entsprechenden großen Bogen Papier geschrieben werden. Jede Liste bzw. jeder Kandidat erhält entsprechend der Kreuze auf dem Stimmzettel einen Strich. Wichtig ist, dass jeder einzelne Stimmzettel vorgelesen und gegengecheckt wird.
Verteilung der Betriebsratssitze
Die Sitzverteilung hängt dann davon ab, ob im Wege der Personenwahl oder im Wege der Listenwahl gewählt wurde.
Die Sitzverteilung bei Personenwahl
Die Sitzverteilung bei Personenwahl wollen wir anhand eines Beispiels verdeutlichen.
In einem Betrieb arbeiten 110 Beschäftigte, davon sind 60 Frauen und 50 Männer. Es muss also ein 7-köpfiger Betriebsrat gewählt werden. Da nur eine Liste eingereicht wurde, findet die Wahl im Wege der Persönlichkeitswahl statt. 80 Beschäftigte haben an der Abstimmung teilgenommen.
1. Schritt: Feststellen der Stimmen der Kandidatinnen und Kandidaten
Im ersten Schritt wird ermittelt, wie viele Stimmen die Kandidatinnen und Kandidaten jeweils bekommen haben:

2. Schritt: Feststellen der Mindestplätze des Minderheitsgeschlechts
Im zweiten Schritt wird geschaut, wie viele Plätze dem Minderheitsgeschlecht mindestens zustehen. Gem. § 15 Abs. 2 BetrVG muss das Minderheitsgeschlecht mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein.
In unserem Beispiel sind im Betrieb 60 Frauen und 50 Männer beschäftigt. Die Anzahl der Sitze, mit denen das Minderheitsgeschlecht im Betriebsrat vertreten sein muss, wird nach dem d’Hondtschen Höchstzahlensystem ermittelt.

Das Geschlecht in der Minderheit (die Männer) erhält mindestens drei Sitze im Betriebsrat.
Die ersten drei Plätze gehen also an die Männer mit den relativ meisten Stimmen.
3. Schritt: Verteilen der Mindestsitze auf das Minderheitsgeschlecht
Diese drei Sitze werden nun zunächst schon einmal verteilt. Das heißt man schaut in unserem Beispiel, welche drei Männer die meisten Stimmen erhalten haben:

4. Schritt: Verteilen der restlichen Plätze
In einem vierten Schritt werden die verbleibenden Plätze verteilt.
Die verbleibenden Sitze werden dann ohne weitere Rücksicht auf das Geschlecht nach Stimmenzahl auf die verbliebenen Kandidaten verteilt. Das heißt, dass das Minderheitsgeschlecht durchaus mehr Plätze bekommen kann, als ihm mindestens zustehen. Nur weniger geht nicht. Die Tatsache, dass das Minderheitsgeschlecht mit einer entsprechenden Anzahl von Sitzen im Betriebsrat vertreten sein muss, bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass auch das Mehrheitsgeschlecht eine bestimmte Anzahl von Sitzen fest zugeteilt bekommt.
In unserem Beispiel werden die verbleibenden drei Sitze wie folgt verteilt:

1. Schritt: Ermitteln der erlangten Sitze der jeweiligen Vorschlagslisten
In einem ersten Schritt wird ermittelt, wie viele Sitze auf die jeweiligen Listen entfallen.
Dafür werden alle auf die einzelnen Listen entfallenden Stimmen durch 1, 2, 3, 4 usw. geteilt, bis sich aus den dadurch gewonnenen Teilzahlen so viele Höchstzahlen ergeben, wie Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. Die Höchstzahlen sind dann der Größe nach zu ordnen. Jede Vorschlagsliste enthält so viele Sitze im Betriebsrat, wie Höchstzahlen auf sie entfallen. Ist festgestellt, wie viele Sitze auf die einzelnen Vorschlagslisten entfallen, bestimmt sich wer gewählt wird nach der Reihenfolge ihrer Benennung auf der Liste.
Bei der Betriebsratswahl waren 17 Betriebsratsmitglieder zu wählen (§ 9 Satz 1 BetrVG). Es existierten 3 Listen. 1142 gültige Stimmen wurden abgegeben. Die Liste 1 erhielt 557 Stimmen, die Liste 2 erhielt 306 Stimmen und die Liste 3 279 Stimmen. Die Sitze im Betriebsrat wurden deshalb wie folgt verteilt:

In diesem Beispielsfall entfallen also auf Liste 1 9 Sitze und auf die Listen 2 und 3 jeweils 4 Sitze.
Nehmen wir an, folgende Kandidatinnen und Kandidaten stünden auf den jeweiligen Vorschlagslisten:

Ohne Berücksichtigung des Minderheitsgeschlechts wären die Kandidaten gewählt, die auf den dunkel markierten Plätzen stehen.
2. Schritt: Ermitteln der Mindestsitze des Minderheitsgeschlechts
Im zweiten Schritt wird ermittelt, wie viele Sitze mindestens auf das Minderheitsgeschlecht entfallen.
In unserem Betrieb, in dem 17 Betriebsratsmitglieder gewählt werden müssen, arbeiten 1700 Beschäftigte, davon sind 800 Frauen und 900 Männer.
Mit Hilfe des d’Hondtschen Höchstzahlensystems wird errechnet, wie viele Sitze im Betriebstat mindestens auf das Minderheitsgeschlecht (Frauen) entfallen müssen. Die Rechnung vollzieht sich hierbei wie folgt:
Ergebnis: Im Betriebsrat müssen mindestens acht Frauen vertreten sein. Mehr Frauen wären zulässig, weniger grundsätzlich nicht.

3. Schritt: Kontrolle, ob das Minderheitsgeschlechts die Mindeststize erhalten hat
In einem dritten Schritt wird geschaut, ob die zu den Höchstzahlen gehörenden Listenplätze von Männern oder Frauen belegt werden. Dafür wird das Ergebnis der d'Hondtschen Berechnung auf die Listen mit den Namen übertragen:

In unserem Beispiel wären nur vier Frauen in den Betriebsrat gewählt (gelb). Damit ist die Mindestquote von acht Frauen nicht erfüllt! Das heißt, dass es hier auf alle Fälle zu Verschiebungen kommt.
Man kann in diesem Beispiel auf alle Fälle schon einmal festhalten, dass die Aufstellung der Listen nicht gut gemacht wurde!
Wie löst man dieses Problem auf (siehe dazu: BAG, vom 16.03.2005 - 7 ABR 40/04)?
Die Person aus dem Mehrheitsgeschlecht, die mit der niedrigsten Höchstzahl gewählt wurde (das ist in unserem Beispiel Dieter Dümmlich von Liste 1), wird durch die Person der gleichen Liste ersetzt, die dem Minderheitsgeschlecht angehört und die nächstgrößte Höchstzahl hat. Hier ist das Sigrid Siegreich (grün), die für Dieter Dümmlich nachrückt. Damit haben wir fünf Frauen.
Jetzt geht es weiter: Wir schauen, welche Person aus dem Mehrheitsgeschlecht mit der nächstniedrigsten Höchstzahl gewählt wurde. Das ist wieder von Liste 1 Karl Käuflich. In unserem Fall hat Liste 1 aber keine weitere Frau aufgestellt. Also verliert Liste 1 diesen Platz an die Liste, die mit der nächstgrößten Höchstzahl ein Betriebsratsmitglied des Minderheitsgeschlechts stellt – das ist von Liste 3 Hannah Herr (grün). Damit hätten wir die sechste Frau.
Weiter geht es. Wieder müssen wir schauen, welche Person aus dem Mehrheitsgeschlecht mit der nächstniedrigsten Höchstzahl gewählt wurde. Das ist Hans Heimlich wiederum von Liste 1. Mangels Frauen auf Liste 1 müssen wir von einer anderen Liste die Frau mit der nächstgrößten Höchstzahl finden. Das ist wiederum von Liste 3 Gudrun Gelb (grün). Damit haben wir sieben Frauen.
Weiter geht es. Die Person aus dem Mehrheitsgeschlechts die mit der nächstniedrigsten Höchstzahl gewählt wurde, ist Emre Erkin wieder von Liste 1. Die Frau mit der nächsthöchsten Höchstzahl ist Dörte Dösig (grün) von Liste 2. Damit haben wir die achte Frau!
Eine schwere Geburt!
Liste 1 hat durch die fehlende Berücksichtigung des Minderheitsgeschlechts 3 Sitze (!) an andere Listen verloren. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, bei der Aufstellung der Kandidatenlisten unbedingt auf eine ausreichende Vertretung von Kandidaten des Minderheitsgeschlechts zu achten!
Sie müssen nicht selber rechnen! Die Sitzverteilung können Sie mit dem digitalen aas-Wahlrechner ermitteln und/oder unterschiedliche Varianten vorab „durchspielen“.
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