Kündigungsschutz von
Wahlvorstandsmitgliedern und
Ersatzmitgliedern des Wahlvorstands
Der besondere Kündigungsschutz von Mitgliedern des Wahlvorstands
Die Mitglieder des Wahlvorstands genießen den besonderen Kündigungsschutz des § 15 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG. § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG regelt, dass ein Mitglied des Wahlvorstands vom Zeitpunkt seiner Bestellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses nur gekündigt werden kann, wenn
- ein Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung (§ 626 BGB) vorliegt und
- der Betriebsrat § 103 BetrVG der beabsichtigten Kündigung ausdrücklich zugestimmt hat, bzw. das Arbeitsgericht die fehlende Zustimmung des Betriebsrats ersetzt hat.
Inhaltsverzeichnis
Beginn und Ende des Sonderkündigungsschutzes von Wahlvorstandsmitgliedern
Der besondere Kündigungsschutz eines Mitglieds des Wahlvorstandes beginnt mit dem Zeitpunkt seiner Bestellung, § 15 Abs. 3 S. 1 KSchG i.V.m. §§ 16 Abs. 1 und 2, 17. Abs. 1 und 3 BetrVG.
Die Bestellung des Wahlvorstands muss nach §§ 16, 17 BetrVG „spätestens“ 10 bzw. 4 Wochen vor Ende der Amtszeit des bisherigen Betriebsrats erfolgen. Der Gesetzgeber hat damit einen Mindestzeitraum vorgegeben, der erforderlich ist, um die Betriebsratswahl ordnungsgemäß vorzubereiten. Zeitliche Höchstgrenzen kennt das Gesetz demgegenüber nicht. Die Bestellung zu einem früheren Zeitpunkt ist nicht nur zulässig, sondern sogar regelmäßig zweckmäßig (LAG Niedersachsen, Urteil vom 13.10.2010 - 17 Sa 569/10).
Wahlvorstandsmitglieder sollten unbedingt deutlich vor den gesetzlichen Mindestfristen bestellt werden.
Das bedeutet für den Kündigungsschutz der Wahlvorstandsmitglieder, dass sie den besonderen Kündigungsschutz nach § 15 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG, im Falle einer frühzeitigen Bestellung des Wahlvorstands, auch schon deutlich vor den 10 bzw. 4 Wochen erlangen können.
Eine Grenze stellt hier lediglich der Rechtsmissbrauch dar. Wird die Bestellung bereits 36 Wochen vor Beginn des gesetzlichen Wahlzeitraums nach § 13 BetrVG vorgenommen, so ist diese Bestellung nicht rechtsmissbräuchlich (LAG Niedersachsen, Urteil vom 13.10.2010 - 17 Sa 569/10).
Mitglieder eines Wahlvorstands, der ca. 6 Monate vor Ablauf der Amtszeit des bisherigen Betriebsrats bestellt wurde, damit er die anfallenden Aufgaben ordnungsgemäß erledigen kann, genießen bereits zu dem Zeitpunkt ihrer Bestellung (6 Monate) den besonderen Kündigungsschutz.
Der besondere Kündigungsschutz der Mitglieder des Wahlvorstands nach § 15 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG dauert bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses.
Umfang des Sonderkündigungsschutzes von Mitgliedern des Wahlvorstands
Vom Zeitpunkt der Bestellung zum Wahlvorstand bzw. bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist lediglich der Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung zulässig, § 15 Abs. 3 KSchG.
Zusätzlich muss vor der Aussprache der außerordentlichen Kündigung die vorherige ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG vorliegen. Eine ohne Zustimmung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung des Wahlvorstandsmitglieds ist rechtsunwirksam.
Stimmt der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung des Wahlvorstandsmitglieds nicht ausdrücklich zu, muss der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung beim Arbeitsgericht beantragen.
Von dem Grundsatz des § 15 Abs. 3 KSchG, wonach die Kündigung eines Wahlvorstandsmitglieds nur außerordentlich aus wichtigem Grund zulässig ist, machen § 15 Abs. 4 und 5 KSchG eine Ausnahme.
Im Falle eine Betriebs- bzw. Abteilungsschließung ist auch eine ordentliche Kündigung zulässig. Im Fall einer Betriebs- bzw. Abteilungsschließung ist der Betriebsrat nur nach § 102 BetrVG zu beteiligen. Eine Zustimmungserteilung bzw. Zustimmungsersetzung nach § 103 BetrVG ist nicht erforderlich.
Voraussetzung für die ordentliche Kündigung eines Wahlvorstandsmitglieds ist aber die Stilllegung des Betriebs, § 15 Abs. 4 KSchG. Sofern nur eine Betriebsabteilung stillgelegt wird, ist ein in dieser Abteilung beschäftigtes Wahlvorstandsmitglied in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen.
Nur wenn dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist, kann ebenfalls ordentlich gekündigt werden, § 15 Abs. 5 KSchG.
Anders als in § 102 BetrVG enthält § 103 BetrVG keine Zustimmungsfiktion nach Ablauf einer Woche. Stimmt der Betriebsrat also nicht ausdrücklich der außerordentlichen Kündigung des Wahlvorstandsmitglieds zu, ist der Arbeitgeber gezwungen, über das Arbeitsgericht die Zustimmungssetzung zu erwirken.
Gründe für eine außerordentliche fristlose Kündigung eines Wahlvorstandsmitglieds
Zunächst einmal muss ein sog. „wichtiger Grund“ für eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliegen. Der Verstoß des Wahlvorstandsmitglieds muss so schwerwiegend sein, dass das Arbeitsverhältnis sofort beendet werden kann, weil es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.
Im Gesetz existiert keine Auflistung von wichtigen Kündigungsgründen, die eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können. Aus der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte lassen sich aber Fallgruppen von Kündigungsgründen ableiten.
An dieser Stelle können wir das Thema „Gründe für eine fristlose Kündigung“ nicht ausführlich behandeln. Grundsätzlich gilt aber, dass bei Betrug, Diebstahl, Veruntreuung, Arbeitszeitbetrug, Androhung von Krankfeiern usw. schon vermeintlich kleine Verstöße eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen können.
Wichtig ist zudem, dass reine Amtspflichtverstöße, die in Ausübung des Amtes als Wahlvorstandsmitglied begangen werden, keine fristlose Kündigung rechtfertigen können. Eine bloße und ausschließliche Amtspflichtverletzung kann nicht zu arbeitsvertraglichen, sondern nur zu betriebsverfassungsrechtlichen Sanktionen in der Amtsenthebung führen (§ 23 BetrVG).
Eine grobe Verletzung der Pflichten eines Wahlvorstandsmitglieds kann aber zugleich auch eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen. Verstößt das Wahlvorstandsmitglied gegen eine für alle Arbeitnehmer gleichermaßen geltende vertragliche Pflicht, liegt – zumindest auch – eine Vertragspflichtverletzung vor.
(ArbG Mannheim Urteil vom 01.08.2023 – 5 Ca 101/23):
Ein Wahlvorstandsmitglied hatte die in der Wählerliste gesammelten personenbezogenen Daten sämtlicher wahlberechtigter Mitarbeiter an seine private E-Mail-Adresse weitergeleitet. Dies stellte nach Ansicht des Arbeitsgerichts einen derart schwerwiegenden Pflichtenverstoß dar, dass dadurch das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber irreparabel zerstört sei. Das Arbeitsgericht Mannheim hielt eine sofortige Kündigung ohne vorherige Abmahnung ist in diesem Fall für möglich.
Hinweis:
Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass Wahlvorstandsmitglieder und Betriebsratsmitglieder sorgfältig die datenschutzrechtlichen Vorgaben beachten müssen!)
Der nachwirkende Kündigungsschutz von Mitgliedern des Wahlvorstands
Nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses beginnt ein Nachwirkungszeitraum von sechs Monaten, in dem die ordentliche Kündigung grundsätzlich ausgeschlossen ist (§ 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG). Sowohl während des besonderen Kündigungsschutzes als auch während des nachwirkenden Kündigungsschutzes ist grundsätzlich nur eine außerordentliche fristlose Kündigung möglich (s.o.). In beiden Fällen ist also eine ordentliche Kündigung grundsätzlich ausgeschlossen, Ausnahme können eine Betriebsschließung bzw. Abteilungsschließung sein.
Während der Amtszeit als Mitglied des Wahlvorstands ist im Unterschied zum Nachwirkungszeitraum zusätzlich aber noch die ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrats erforderlich, § 103 BetrVG. Diese ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrats ist im Nachwirkungszeitraums aber nicht mehr erforderlich.
Im Nachwirkungszeitraum kann der Arbeitgeber einem Mitglied des Wahlvorstandes ohne Zustimmung des Betriebsrates außerordentlich kündigen, § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG. In diesem Fall ist jedoch der neu gewählte Betriebsrat gem. § 102 Abs. 1 BetrVG anzuhören, sofern er sich bereits konstituiert hat.
Der besondere Kündigungsschutz von Ersatzmitgliedern des Wahlvorstands
Ersatzmitglieder des Wahlvorstands sind zunächst ausschließlich durch § 20 BetrVG geschützt. Diese Vorschrift untersagt jegliche Behinderung der Betriebsratswahl, einschließlich Kündigungen. Verfolgt der Arbeitgeber mit der Kündigung eines Ersatzmitglieds das Ziel, diesen wegen seines Engagements als Ersatzmitglied zu maßregeln, stellt dies eine verbotene Wahlbehinderung dar. Die Kündigung wäre nach § 20 Abs. 1 BetrVG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Die Beweislast für das Vorliegen einer solchen Maßregelung liegt jedoch beim gekündigten Ersatzmitglied.
Rückt das Ersatzmitglied für ein (zeitweilig) verhindertes Wahlvorstandsmitglied in den Wahlvorstand nach, genießt es für die Zeit der Vertretung des verhinderten Wahlvorstandsmitglieds den vollen Kündigungsschutz nach § 15 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG (siehe LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.01.2022 – 23 SaGa 1521/21).
Das heißt, dass das Ersatzmitglied des Wahlvorstands während des Nachrückens nur außerordentlich gekündigt werden kann und dass zudem die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich ist (s.o.). Nach Beendigung der Verhinderung genießt das Ersatzmitglied nachträglichen Kündigungsschutz von sechs Monaten gemäß § 15 KSchG i.V.m. § 102 BetrVG, sofern es Aufgaben als Wahlvorstandsmitglied übernommen hat, was nicht zwingend eine Teilnahme an Sitzungen voraussetzt. Dabei gelten dieselben Grundsätze wie für Betriebsratsmitglieder.
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